Anmelden (DTAQ) DWDS     dlexDB     CLARIN-D

Die Grenzboten. Jg. 37, 1878, I. Semester. I. Band.

Bild:
<< vorherige Seite

kolomie gemacht und sich dann unmittelbar hinter demselben mit der Hopliten-
epagoge ans die Phalanx der Lakedämonier geworfen. Das beste Fußvolk
von Hellas stand hier im Kampf, und es läßt sich denken, daß dieser heiß
ward. Die Spieße zerbrachen; man griff zu den Schwertern. Endlich be¬
gannen die Lakedämonier zu weichen; der Sieg der Thebäer war entschieden.*)
-- Da traf den Epcnneinoudas ein Wurfspieß und er wurde zu Tode ver¬
wundet aus dein Getümmel getragen. Damit gingen alle Erfolge wieder ver¬
loren. Eine Zeit lang blieben die Thebaner zwar noch im Vorgehn; aber als
sich die Nachricht vom Geschick des Feldherrn verbreitet, fühlt das Heer sich
rathlos; die Verfolgung stockt; die Feinde sammeln sich und den Athenern ge¬
lingt es sogar, den euböischen Leichtbewaffneten und den Söldnern des äußersten
rechten Flügels ein glückliches Gefecht zu liefern.

Auf dem Hügel, auf den man den Epameinondas getragen, erwachte der
Schwerverwundete uoch einmal zu vollem Bewußtsein und freute sich, als ihm
sein Schild, der ihm im Handgemenge entsunken war, von treuen Gefährten
gebracht wurde. Er vernahm noch die Botschaft des Sieges und war im Be¬
griffe, seinen Hauptleuten Jolaides und Diophantos Verhaltungsbefehle zu
ertheilen, wie sie den Sieg zu benutzen hätten. Doch als auch diese als ge¬
fallen gemeldet wurden, gab er den Rath, den er seiner Vaterstadt als letzten
Ausspruch zurückließ, Frieden zu schließen. Freilich erkannte er damit noch
an, daß das von ihm angestrebte politische Ziel nicht erreicht sei, nicht mehr
erreicht werden könne. Aber auch dieses Gefühl störte die erhabene Ruhe
seiner Seele nicht; und als die Umstehenden klagten, daß er kinderlos dahin¬
scheide, soll er erwidert haben: "Ich hinterlasse euch zwei unsterbliche Töchter,
die Schlachten von Leuktra und Mcmtineia!" Dann sprach er: "Es ist Zeit
zu sterben", zog die Speerspitze aus der Brust und verschied.**) In mehr als
zweitausend Jahren sind nur noch zwei Helden mit einem gleich herrlichen
Ausgang beseeligt worden: Gustav Adolf, der Sieger von Breitenfeld und
Lützen und Nelson der Sieger bei Abukir und Trafalgar. ***)

Wetteifernd stritten sich Städte und Bürger um die Ehre, das Todes¬
geschoß entsendet zu haben, das den Epameinondas gefällt; aber so groß war
doch selbst noch im Tode die Bedeutung des Mannes, daß bald darauf alle
griechischen Staaten seinem Rath folgend, auf Grund der bestehenden Verhält¬
nisse Frieden schlössen.

Das System der Schlachtentaktik, wie es Epameinondas entwickelt





*) Rüstow u, Köchly.
**) Curtius.
v> Raum er: Vorlesungen über die alte Geschichte. II.

kolomie gemacht und sich dann unmittelbar hinter demselben mit der Hopliten-
epagoge ans die Phalanx der Lakedämonier geworfen. Das beste Fußvolk
von Hellas stand hier im Kampf, und es läßt sich denken, daß dieser heiß
ward. Die Spieße zerbrachen; man griff zu den Schwertern. Endlich be¬
gannen die Lakedämonier zu weichen; der Sieg der Thebäer war entschieden.*)
— Da traf den Epcnneinoudas ein Wurfspieß und er wurde zu Tode ver¬
wundet aus dein Getümmel getragen. Damit gingen alle Erfolge wieder ver¬
loren. Eine Zeit lang blieben die Thebaner zwar noch im Vorgehn; aber als
sich die Nachricht vom Geschick des Feldherrn verbreitet, fühlt das Heer sich
rathlos; die Verfolgung stockt; die Feinde sammeln sich und den Athenern ge¬
lingt es sogar, den euböischen Leichtbewaffneten und den Söldnern des äußersten
rechten Flügels ein glückliches Gefecht zu liefern.

Auf dem Hügel, auf den man den Epameinondas getragen, erwachte der
Schwerverwundete uoch einmal zu vollem Bewußtsein und freute sich, als ihm
sein Schild, der ihm im Handgemenge entsunken war, von treuen Gefährten
gebracht wurde. Er vernahm noch die Botschaft des Sieges und war im Be¬
griffe, seinen Hauptleuten Jolaides und Diophantos Verhaltungsbefehle zu
ertheilen, wie sie den Sieg zu benutzen hätten. Doch als auch diese als ge¬
fallen gemeldet wurden, gab er den Rath, den er seiner Vaterstadt als letzten
Ausspruch zurückließ, Frieden zu schließen. Freilich erkannte er damit noch
an, daß das von ihm angestrebte politische Ziel nicht erreicht sei, nicht mehr
erreicht werden könne. Aber auch dieses Gefühl störte die erhabene Ruhe
seiner Seele nicht; und als die Umstehenden klagten, daß er kinderlos dahin¬
scheide, soll er erwidert haben: „Ich hinterlasse euch zwei unsterbliche Töchter,
die Schlachten von Leuktra und Mcmtineia!" Dann sprach er: „Es ist Zeit
zu sterben", zog die Speerspitze aus der Brust und verschied.**) In mehr als
zweitausend Jahren sind nur noch zwei Helden mit einem gleich herrlichen
Ausgang beseeligt worden: Gustav Adolf, der Sieger von Breitenfeld und
Lützen und Nelson der Sieger bei Abukir und Trafalgar. ***)

Wetteifernd stritten sich Städte und Bürger um die Ehre, das Todes¬
geschoß entsendet zu haben, das den Epameinondas gefällt; aber so groß war
doch selbst noch im Tode die Bedeutung des Mannes, daß bald darauf alle
griechischen Staaten seinem Rath folgend, auf Grund der bestehenden Verhält¬
nisse Frieden schlössen.

Das System der Schlachtentaktik, wie es Epameinondas entwickelt





*) Rüstow u, Köchly.
**) Curtius.
v> Raum er: Vorlesungen über die alte Geschichte. II.
<TEI>
  <text>
    <body>
      <div>
        <div n="1">
          <pb facs="#f0315" corresp="http://brema.suub.uni-bremen.de/grenzboten/periodical/pageview/139608"/>
          <p xml:id="ID_898" prev="#ID_897"> kolomie gemacht und sich dann unmittelbar hinter demselben mit der Hopliten-<lb/>
epagoge ans die Phalanx der Lakedämonier geworfen. Das beste Fußvolk<lb/>
von Hellas stand hier im Kampf, und es läßt sich denken, daß dieser heiß<lb/>
ward. Die Spieße zerbrachen; man griff zu den Schwertern. Endlich be¬<lb/>
gannen die Lakedämonier zu weichen; der Sieg der Thebäer war entschieden.*)<lb/>
&#x2014; Da traf den Epcnneinoudas ein Wurfspieß und er wurde zu Tode ver¬<lb/>
wundet aus dein Getümmel getragen. Damit gingen alle Erfolge wieder ver¬<lb/>
loren. Eine Zeit lang blieben die Thebaner zwar noch im Vorgehn; aber als<lb/>
sich die Nachricht vom Geschick des Feldherrn verbreitet, fühlt das Heer sich<lb/>
rathlos; die Verfolgung stockt; die Feinde sammeln sich und den Athenern ge¬<lb/>
lingt es sogar, den euböischen Leichtbewaffneten und den Söldnern des äußersten<lb/>
rechten Flügels ein glückliches Gefecht zu liefern.</p><lb/>
          <p xml:id="ID_899"> Auf dem Hügel, auf den man den Epameinondas getragen, erwachte der<lb/>
Schwerverwundete uoch einmal zu vollem Bewußtsein und freute sich, als ihm<lb/>
sein Schild, der ihm im Handgemenge entsunken war, von treuen Gefährten<lb/>
gebracht wurde. Er vernahm noch die Botschaft des Sieges und war im Be¬<lb/>
griffe, seinen Hauptleuten Jolaides und Diophantos Verhaltungsbefehle zu<lb/>
ertheilen, wie sie den Sieg zu benutzen hätten. Doch als auch diese als ge¬<lb/>
fallen gemeldet wurden, gab er den Rath, den er seiner Vaterstadt als letzten<lb/>
Ausspruch zurückließ, Frieden zu schließen. Freilich erkannte er damit noch<lb/>
an, daß das von ihm angestrebte politische Ziel nicht erreicht sei, nicht mehr<lb/>
erreicht werden könne. Aber auch dieses Gefühl störte die erhabene Ruhe<lb/>
seiner Seele nicht; und als die Umstehenden klagten, daß er kinderlos dahin¬<lb/>
scheide, soll er erwidert haben: &#x201E;Ich hinterlasse euch zwei unsterbliche Töchter,<lb/>
die Schlachten von Leuktra und Mcmtineia!" Dann sprach er: &#x201E;Es ist Zeit<lb/>
zu sterben", zog die Speerspitze aus der Brust und verschied.**) In mehr als<lb/>
zweitausend Jahren sind nur noch zwei Helden mit einem gleich herrlichen<lb/>
Ausgang beseeligt worden: Gustav Adolf, der Sieger von Breitenfeld und<lb/>
Lützen und Nelson der Sieger bei Abukir und Trafalgar. ***)</p><lb/>
          <p xml:id="ID_900"> Wetteifernd stritten sich Städte und Bürger um die Ehre, das Todes¬<lb/>
geschoß entsendet zu haben, das den Epameinondas gefällt; aber so groß war<lb/>
doch selbst noch im Tode die Bedeutung des Mannes, daß bald darauf alle<lb/>
griechischen Staaten seinem Rath folgend, auf Grund der bestehenden Verhält¬<lb/>
nisse Frieden schlössen.</p><lb/>
          <p xml:id="ID_901" next="#ID_902"> Das System der Schlachtentaktik, wie es Epameinondas entwickelt</p><lb/>
          <note xml:id="FID_105" place="foot"> *) Rüstow u, Köchly.</note><lb/>
          <note xml:id="FID_106" place="foot"> **) Curtius.</note><lb/>
          <note xml:id="FID_107" place="foot"> v&gt; Raum er: Vorlesungen über die alte Geschichte. II.</note><lb/>
        </div>
      </div>
    </body>
  </text>
</TEI>
[0315] kolomie gemacht und sich dann unmittelbar hinter demselben mit der Hopliten- epagoge ans die Phalanx der Lakedämonier geworfen. Das beste Fußvolk von Hellas stand hier im Kampf, und es läßt sich denken, daß dieser heiß ward. Die Spieße zerbrachen; man griff zu den Schwertern. Endlich be¬ gannen die Lakedämonier zu weichen; der Sieg der Thebäer war entschieden.*) — Da traf den Epcnneinoudas ein Wurfspieß und er wurde zu Tode ver¬ wundet aus dein Getümmel getragen. Damit gingen alle Erfolge wieder ver¬ loren. Eine Zeit lang blieben die Thebaner zwar noch im Vorgehn; aber als sich die Nachricht vom Geschick des Feldherrn verbreitet, fühlt das Heer sich rathlos; die Verfolgung stockt; die Feinde sammeln sich und den Athenern ge¬ lingt es sogar, den euböischen Leichtbewaffneten und den Söldnern des äußersten rechten Flügels ein glückliches Gefecht zu liefern. Auf dem Hügel, auf den man den Epameinondas getragen, erwachte der Schwerverwundete uoch einmal zu vollem Bewußtsein und freute sich, als ihm sein Schild, der ihm im Handgemenge entsunken war, von treuen Gefährten gebracht wurde. Er vernahm noch die Botschaft des Sieges und war im Be¬ griffe, seinen Hauptleuten Jolaides und Diophantos Verhaltungsbefehle zu ertheilen, wie sie den Sieg zu benutzen hätten. Doch als auch diese als ge¬ fallen gemeldet wurden, gab er den Rath, den er seiner Vaterstadt als letzten Ausspruch zurückließ, Frieden zu schließen. Freilich erkannte er damit noch an, daß das von ihm angestrebte politische Ziel nicht erreicht sei, nicht mehr erreicht werden könne. Aber auch dieses Gefühl störte die erhabene Ruhe seiner Seele nicht; und als die Umstehenden klagten, daß er kinderlos dahin¬ scheide, soll er erwidert haben: „Ich hinterlasse euch zwei unsterbliche Töchter, die Schlachten von Leuktra und Mcmtineia!" Dann sprach er: „Es ist Zeit zu sterben", zog die Speerspitze aus der Brust und verschied.**) In mehr als zweitausend Jahren sind nur noch zwei Helden mit einem gleich herrlichen Ausgang beseeligt worden: Gustav Adolf, der Sieger von Breitenfeld und Lützen und Nelson der Sieger bei Abukir und Trafalgar. ***) Wetteifernd stritten sich Städte und Bürger um die Ehre, das Todes¬ geschoß entsendet zu haben, das den Epameinondas gefällt; aber so groß war doch selbst noch im Tode die Bedeutung des Mannes, daß bald darauf alle griechischen Staaten seinem Rath folgend, auf Grund der bestehenden Verhält¬ nisse Frieden schlössen. Das System der Schlachtentaktik, wie es Epameinondas entwickelt *) Rüstow u, Köchly. **) Curtius. v> Raum er: Vorlesungen über die alte Geschichte. II.

Informationen zum Werk

Download dieses Werks

XML (TEI P5) · HTML · Text
TCF (text annotation layer)

Metadaten zum Werk

TEI-Header · CMDI · Dublin Core

Ansichten dieser Seite

Feedback

Sie haben einen Fehler gefunden? Dann können Sie diesen über unsere Qualitätssicherungsplattform DTAQ melden.

Kommentar zur DTA-Ausgabe

Dieses Werk wurde im Rahmen des Moduls DTA-Erweiterungen (DTAE) digitalisiert. Weitere Informationen …

Staats- und Universitätsbibliothek (SuUB) Bremen: Bereitstellung der Texttranskription.
Kay-Michael Würzner: Bearbeitung der digitalen Edition.

Weitere Informationen:

Verfahren der Texterfassung: OCR mit Nachkorrektur.

Bogensignaturen: gekennzeichnet;Druckfehler: ignoriert;fremdsprachliches Material: nicht gekennzeichnet;Geminations-/Abkürzungsstriche: wie Vorlage;Hervorhebungen (Antiqua, Sperrschrift, Kursive etc.): nicht ausgezeichnet;i/j in Fraktur: wie Vorlage;I/J in Fraktur: wie Vorlage;Kolumnentitel: gekennzeichnet;Kustoden: gekennzeichnet;langes s (ſ): als s transkribiert;Normalisierungen: stillschweigend;rundes r (&#xa75b;): als r/et transkribiert;Seitenumbrüche markiert: ja;Silbentrennung: wie Vorlage;u/v bzw. U/V: wie Vorlage;Vokale mit übergest. e: als ä/ö/ü transkribiert;Vollständigkeit: vollständig erfasst;Zeichensetzung: wie Vorlage;Zeilenumbrüche markiert: ja;

Nachkorrektur erfolgte automatisch.




Ansicht auf Standard zurückstellen

URL zu diesem Werk: https://www.deutschestextarchiv.de/grenzboten_341827_157649
URL zu dieser Seite: https://www.deutschestextarchiv.de/grenzboten_341827_157649/315
Zitationshilfe: Die Grenzboten. Jg. 37, 1878, I. Semester. I. Band, S. . In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/grenzboten_341827_157649/315>, abgerufen am 27.09.2024.