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Die Grenzboten. Jg. 37, 1878, I. Semester. I. Band.

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Diese Stelle, behauptet nun Schliemann, den wir eben als glänzenden
Uebersetzer kennen gelernt haben, ist sonderbarer Weise von Lenke, Dodwell,
Prokesch, Curtius sowie von allen anderen, welche über deu Peloponnes ge¬
schrieben haben, falsch übersetzt worden. Sie dachten nämlich, daß Pau-
sanias, indem er von der Mauer spricht, uur die Stadtmauer und nicht
die große Mauer der Akropolis meinen könnte, und verstanden daher,
daß er die fünf Gräber in die untere Stadt verlege und die Grüber des
Aegisthos und der Klytaemnestra außerhalb derselben. Mithin, so folgert
Schliemann, sind die fünf Gräber, die ich innerhalb der Mauer auf der Akro¬
polis entdeckt habe, die von Pausanias beschriebenen.

Wir könnten jetzt schon nach dem Urtexte des Pausanias die Schliemann-
sche Interpretation jener Stelle als falsch nachweisen. Wir könnten darauf
aufmersam machen, daß Pausanias zuerst von der Umfassungsmauer
der Akropolis spricht, die er Tr-^/So^o? nennt, daß er dann ans die Stadt,
Mykenae, zu reden kommt und daß er endlich, als er von den Gräbern vor
der Mauer berichtet, das Wort re?/"? anwendet. Doch wird sich an der
Hand der Schliemannschen Ausgrabungen selbst ein besserer Nachweis füh¬
ren lassen.

Armer Pausanias! Als die archäologische Wissenschaft ihre Schwingen
zu regen begann, verschrie sie dich als einen Pedanten, als einen leichtgläubigen,
alten Mann, der getreulich nachschwatzte, was ihm Tempeldiener und Fremden¬
führer aufhingen. Die beiden letzten Jahre haben dich glänzend gerechtfertigt.
Fast jeder Spatenstich hat bestätigt, was du in deiner nüchternen Art über
Olympia und die Kunstwerke des heiligen Bezirks geschrieben hast. Auch
Schliemanns Forschungen liefern den Beweis, daß du kein "enthusiastischer
Reisender" warst, sondern nur trocken schildertest, was du sahst.

Als die erste Kunde von den Schliemannschen Ausgrabungen nach Deutsch¬
land drang, gab Professor Adler in der "Archäologischen Zeitung" nach ihm
aus Griechenland übersandten Plänen und Skizzen ein bautechnisches Gut¬
achten ab, dessen Richtigkeit sich inzwischen durch die genaue Publikation
Schliemanns fo vollkommen bestätigt hat, daß wir hier die Bemerkungen des
gelehrten Kenners antiker Baudenkmäler folgen lassen. "In geringer Entfer¬
nung hinter dem Löwenthor, innerhalb des südwestlichen Bnrgzwingers, der nach
Lage und Struktur sich deutlich als ein späterer Erweiterungs¬
bau zu erkennen giebt, -- so berichtete Adler Anfangs 1877 -- stieß
man etwa zehn Schritte hinter dem Thor auf die Krone eines ringförmigen
Mauerbaues. Der einem abgekürzten Kegel gleichende Bau, in dem sich die
Außenwände mit ca. 15 Grad nach innen neigen, trägt oben einen aus hoch-
kantigen, etwa 1--1^2 Meter langen Platten zusammengefügten kanalartigen


Diese Stelle, behauptet nun Schliemann, den wir eben als glänzenden
Uebersetzer kennen gelernt haben, ist sonderbarer Weise von Lenke, Dodwell,
Prokesch, Curtius sowie von allen anderen, welche über deu Peloponnes ge¬
schrieben haben, falsch übersetzt worden. Sie dachten nämlich, daß Pau-
sanias, indem er von der Mauer spricht, uur die Stadtmauer und nicht
die große Mauer der Akropolis meinen könnte, und verstanden daher,
daß er die fünf Gräber in die untere Stadt verlege und die Grüber des
Aegisthos und der Klytaemnestra außerhalb derselben. Mithin, so folgert
Schliemann, sind die fünf Gräber, die ich innerhalb der Mauer auf der Akro¬
polis entdeckt habe, die von Pausanias beschriebenen.

Wir könnten jetzt schon nach dem Urtexte des Pausanias die Schliemann-
sche Interpretation jener Stelle als falsch nachweisen. Wir könnten darauf
aufmersam machen, daß Pausanias zuerst von der Umfassungsmauer
der Akropolis spricht, die er Tr-^/So^o? nennt, daß er dann ans die Stadt,
Mykenae, zu reden kommt und daß er endlich, als er von den Gräbern vor
der Mauer berichtet, das Wort re?/»? anwendet. Doch wird sich an der
Hand der Schliemannschen Ausgrabungen selbst ein besserer Nachweis füh¬
ren lassen.

Armer Pausanias! Als die archäologische Wissenschaft ihre Schwingen
zu regen begann, verschrie sie dich als einen Pedanten, als einen leichtgläubigen,
alten Mann, der getreulich nachschwatzte, was ihm Tempeldiener und Fremden¬
führer aufhingen. Die beiden letzten Jahre haben dich glänzend gerechtfertigt.
Fast jeder Spatenstich hat bestätigt, was du in deiner nüchternen Art über
Olympia und die Kunstwerke des heiligen Bezirks geschrieben hast. Auch
Schliemanns Forschungen liefern den Beweis, daß du kein „enthusiastischer
Reisender" warst, sondern nur trocken schildertest, was du sahst.

Als die erste Kunde von den Schliemannschen Ausgrabungen nach Deutsch¬
land drang, gab Professor Adler in der „Archäologischen Zeitung" nach ihm
aus Griechenland übersandten Plänen und Skizzen ein bautechnisches Gut¬
achten ab, dessen Richtigkeit sich inzwischen durch die genaue Publikation
Schliemanns fo vollkommen bestätigt hat, daß wir hier die Bemerkungen des
gelehrten Kenners antiker Baudenkmäler folgen lassen. „In geringer Entfer¬
nung hinter dem Löwenthor, innerhalb des südwestlichen Bnrgzwingers, der nach
Lage und Struktur sich deutlich als ein späterer Erweiterungs¬
bau zu erkennen giebt, — so berichtete Adler Anfangs 1877 — stieß
man etwa zehn Schritte hinter dem Thor auf die Krone eines ringförmigen
Mauerbaues. Der einem abgekürzten Kegel gleichende Bau, in dem sich die
Außenwände mit ca. 15 Grad nach innen neigen, trägt oben einen aus hoch-
kantigen, etwa 1—1^2 Meter langen Platten zusammengefügten kanalartigen


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[0295] Diese Stelle, behauptet nun Schliemann, den wir eben als glänzenden Uebersetzer kennen gelernt haben, ist sonderbarer Weise von Lenke, Dodwell, Prokesch, Curtius sowie von allen anderen, welche über deu Peloponnes ge¬ schrieben haben, falsch übersetzt worden. Sie dachten nämlich, daß Pau- sanias, indem er von der Mauer spricht, uur die Stadtmauer und nicht die große Mauer der Akropolis meinen könnte, und verstanden daher, daß er die fünf Gräber in die untere Stadt verlege und die Grüber des Aegisthos und der Klytaemnestra außerhalb derselben. Mithin, so folgert Schliemann, sind die fünf Gräber, die ich innerhalb der Mauer auf der Akro¬ polis entdeckt habe, die von Pausanias beschriebenen. Wir könnten jetzt schon nach dem Urtexte des Pausanias die Schliemann- sche Interpretation jener Stelle als falsch nachweisen. Wir könnten darauf aufmersam machen, daß Pausanias zuerst von der Umfassungsmauer der Akropolis spricht, die er Tr-^/So^o? nennt, daß er dann ans die Stadt, Mykenae, zu reden kommt und daß er endlich, als er von den Gräbern vor der Mauer berichtet, das Wort re?/»? anwendet. Doch wird sich an der Hand der Schliemannschen Ausgrabungen selbst ein besserer Nachweis füh¬ ren lassen. Armer Pausanias! Als die archäologische Wissenschaft ihre Schwingen zu regen begann, verschrie sie dich als einen Pedanten, als einen leichtgläubigen, alten Mann, der getreulich nachschwatzte, was ihm Tempeldiener und Fremden¬ führer aufhingen. Die beiden letzten Jahre haben dich glänzend gerechtfertigt. Fast jeder Spatenstich hat bestätigt, was du in deiner nüchternen Art über Olympia und die Kunstwerke des heiligen Bezirks geschrieben hast. Auch Schliemanns Forschungen liefern den Beweis, daß du kein „enthusiastischer Reisender" warst, sondern nur trocken schildertest, was du sahst. Als die erste Kunde von den Schliemannschen Ausgrabungen nach Deutsch¬ land drang, gab Professor Adler in der „Archäologischen Zeitung" nach ihm aus Griechenland übersandten Plänen und Skizzen ein bautechnisches Gut¬ achten ab, dessen Richtigkeit sich inzwischen durch die genaue Publikation Schliemanns fo vollkommen bestätigt hat, daß wir hier die Bemerkungen des gelehrten Kenners antiker Baudenkmäler folgen lassen. „In geringer Entfer¬ nung hinter dem Löwenthor, innerhalb des südwestlichen Bnrgzwingers, der nach Lage und Struktur sich deutlich als ein späterer Erweiterungs¬ bau zu erkennen giebt, — so berichtete Adler Anfangs 1877 — stieß man etwa zehn Schritte hinter dem Thor auf die Krone eines ringförmigen Mauerbaues. Der einem abgekürzten Kegel gleichende Bau, in dem sich die Außenwände mit ca. 15 Grad nach innen neigen, trägt oben einen aus hoch- kantigen, etwa 1—1^2 Meter langen Platten zusammengefügten kanalartigen

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Zitationshilfe: Die Grenzboten. Jg. 37, 1878, I. Semester. I. Band, S. . In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/grenzboten_341827_157649/295>, abgerufen am 27.09.2024.