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Die Grenzboten. Jg. 37, 1878, I. Semester. I. Band.

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in dieser Schwelle verursachte Geleise, wovon alle "Auicls boots" sprechen
existirt nur in der Einbildung enthusiastischer Reisenden, aber
nicht in der Wirklichkeit." Im weiteren Text weist er nach, daß bei der Be¬
schaffenheit des Felsbodens überhaupt nur wenig Wagen in Gebrauch gewesen
sein können. Endlich sei zu bemerken, "daß die Thorschwelle seit einerlangen
Reihe von Jahrhunderten, jedenfalls seit der Eroberung der Akropolis durch
die Argiver (468 v. Chr.) tief im Schütte begraben war und somit kein sterb¬
liches Auge dieselben seit mehr als 2300 Jahren halt sehen
können."

Wir haben dieser Selbstcharakteristik Schliemann's keinen Strich mehr
hinzuzufügen. Wir wollen nur noch ein Pröbchen von der Art und Weise
mittheilen, in welcher der "enthusiastische Reisende" griechische Epigraphik treibt.
Im Beginn seiner Ausgrabungen fand Schliemann auf dem Bruchstück einer
Vase eine archaische Inschrift, die er nach dem Charakter der Buchstaben rich¬
tig in das sechste Jahrhundert vor Chr. versetzt und die er richtig liest: roö
Hgwo? e^". Die Uebersetzung aber lautet: Ich stamme vom Hero. Eine
Erläuterung bedarf dieses wunderbare Kunststück nicht. Ich bemerke nur, daß
es eine dem Epigraphiker geläufige Weihinschrift ist, von der nur der erste
Theil erhalten ist: "Ich (d. h. die Vase) bin (ein Weihgeschenk oder Tempel-
gut) des Heros (fehlt der Name).

Die Basis, auf welche Schliemann feine Hypothese von dem Grabe des
Agamemnon gründet, ist eine Stelle des alten Reisebeschreibers Pausanias.
Bei der Beschreibung der Trümmer von Mykenae läßt sich der Perieget fol¬
gendermaßen vernehmen: "Von der Umfassungsmauer ist sowohl einiges er¬
halten wie auch das Thor; Löwen stehen darauf. Man sagt, daß auch dieses
Werke der Cyklopen seien, welche dem Proitos die Mauer in Tirynth erbaut
haben. In den Trümmern von Mykenae liegt ferner eine Quelle, Perseia
genannt, und die unterirdischen Gebäude des Atreus und seiner Söhne, wo
die Depots ihrer Schätze waren. Ferner ist (dort) das Grab des Atreus; es
liegen auch da diejenigen, welche Aegisthos bei ihrer Heimkehr von Ilion mit
dem Agamemnon während des Mahles ermordete. Ein anderes Grab ist das
des Agamemnon, ein anderes das des Wagenlenkers Enrymedon. Teledamos
und Pelops liegen in demselben Grabe (denn diese soll Kassandra als Zwil¬
linge (von Agamemnon) geboren haben) und Aegisthos schlachtete sie nach den
Eltern hin, als sie noch ganz klein waren." Ferner erwähnt Pausanias noch
ein Grab der Elektra und fährt dann fort: "Klytaemnestra aber und Aegisthos
wurden etwas abseits von der Mauer begraben. Denn innerhalb derselben,
wo Agamemnon selbst lag und die mit ihm Ermordeten, (begraben zu werdeu)
wurden sie nicht für würdig gehalten."


in dieser Schwelle verursachte Geleise, wovon alle „Auicls boots" sprechen
existirt nur in der Einbildung enthusiastischer Reisenden, aber
nicht in der Wirklichkeit." Im weiteren Text weist er nach, daß bei der Be¬
schaffenheit des Felsbodens überhaupt nur wenig Wagen in Gebrauch gewesen
sein können. Endlich sei zu bemerken, „daß die Thorschwelle seit einerlangen
Reihe von Jahrhunderten, jedenfalls seit der Eroberung der Akropolis durch
die Argiver (468 v. Chr.) tief im Schütte begraben war und somit kein sterb¬
liches Auge dieselben seit mehr als 2300 Jahren halt sehen
können."

Wir haben dieser Selbstcharakteristik Schliemann's keinen Strich mehr
hinzuzufügen. Wir wollen nur noch ein Pröbchen von der Art und Weise
mittheilen, in welcher der „enthusiastische Reisende" griechische Epigraphik treibt.
Im Beginn seiner Ausgrabungen fand Schliemann auf dem Bruchstück einer
Vase eine archaische Inschrift, die er nach dem Charakter der Buchstaben rich¬
tig in das sechste Jahrhundert vor Chr. versetzt und die er richtig liest: roö
Hgwo? e^». Die Uebersetzung aber lautet: Ich stamme vom Hero. Eine
Erläuterung bedarf dieses wunderbare Kunststück nicht. Ich bemerke nur, daß
es eine dem Epigraphiker geläufige Weihinschrift ist, von der nur der erste
Theil erhalten ist: „Ich (d. h. die Vase) bin (ein Weihgeschenk oder Tempel-
gut) des Heros (fehlt der Name).

Die Basis, auf welche Schliemann feine Hypothese von dem Grabe des
Agamemnon gründet, ist eine Stelle des alten Reisebeschreibers Pausanias.
Bei der Beschreibung der Trümmer von Mykenae läßt sich der Perieget fol¬
gendermaßen vernehmen: „Von der Umfassungsmauer ist sowohl einiges er¬
halten wie auch das Thor; Löwen stehen darauf. Man sagt, daß auch dieses
Werke der Cyklopen seien, welche dem Proitos die Mauer in Tirynth erbaut
haben. In den Trümmern von Mykenae liegt ferner eine Quelle, Perseia
genannt, und die unterirdischen Gebäude des Atreus und seiner Söhne, wo
die Depots ihrer Schätze waren. Ferner ist (dort) das Grab des Atreus; es
liegen auch da diejenigen, welche Aegisthos bei ihrer Heimkehr von Ilion mit
dem Agamemnon während des Mahles ermordete. Ein anderes Grab ist das
des Agamemnon, ein anderes das des Wagenlenkers Enrymedon. Teledamos
und Pelops liegen in demselben Grabe (denn diese soll Kassandra als Zwil¬
linge (von Agamemnon) geboren haben) und Aegisthos schlachtete sie nach den
Eltern hin, als sie noch ganz klein waren." Ferner erwähnt Pausanias noch
ein Grab der Elektra und fährt dann fort: „Klytaemnestra aber und Aegisthos
wurden etwas abseits von der Mauer begraben. Denn innerhalb derselben,
wo Agamemnon selbst lag und die mit ihm Ermordeten, (begraben zu werdeu)
wurden sie nicht für würdig gehalten."


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Zitationshilfe: Die Grenzboten. Jg. 37, 1878, I. Semester. I. Band, S. . In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/grenzboten_341827_157649/294>, abgerufen am 27.09.2024.