Die Grenzboten. Jg. 37, 1878, I. Semester. I. Band.Herrscher erfreuen sich des Beifalls des Herrn Valbert, er rühmt sie als ein Herrscher erfreuen sich des Beifalls des Herrn Valbert, er rühmt sie als ein <TEI> <text> <body> <div> <div n="1"> <pb facs="#f0286" corresp="http://brema.suub.uni-bremen.de/grenzboten/periodical/pageview/139579"/> <p xml:id="ID_800" prev="#ID_799" next="#ID_801"> Herrscher erfreuen sich des Beifalls des Herrn Valbert, er rühmt sie als ein<lb/> energisches, thätiges, von ihren hohen Pflichten durchdrungenes Herrscherge¬<lb/> schlecht. Das Recht des Königs, seine Minister zu wählen, erregt dagegen<lb/> seinen heftigen Zorn. Er beklagt den Landtag, daß er im Juni verflossenen<lb/> Jahres uicht genau über den Personalwechsel im Ministerium unterrichtet ge¬<lb/> wesen sei. Leider scheint er nicht zu wissen, daß der Landtag damals gar<lb/> uicht versammelt war, und vergißt auch das Mittel anzugeben, wie man einen<lb/> nicht versammelten Landtag auf dem Laufenden über dergleichen Geschäfte zu<lb/> unterhalten hat. Freilich, bei ihm zu Hause ist auch die Volksvertretung in<lb/> den Ferien über die Regierung ausgezeichnet orientirt. Das haben wir den<lb/> ganzen vorigen Sommer hindurch erlebt! Darauf erfährt er, daß zwei Fremde,<lb/> ein Hesse und ein Mecklenburger, die Herren Hoffmann und von Bülow ins<lb/> „preußische" Ministerium berufen seien. Das giebt ihm zum ersten Male<lb/> Gelegenheit, die beiden Männer, welche allein sich seiner wirklichen Hochschätzung<lb/> zu erfreuen haben, Professor Virchow und Herrn Windhorst, mit seinem Lobe<lb/> zu überschütten. „Man muß Fortschritts- oder Zentrumsmann sein" ruft er<lb/> pathetisch aus, „um den Muth zu haben, in Berlin die Regierung zu inter-<lb/> pelliren. Und wie haben diese beiden Herren interpellirt? Sie sagten unge¬<lb/> fähr: Wo sind wir hingerathen. Wir bitten um gütige Aufklärung! Was<lb/> bedeutet dieser Hesse? Was bedeutet dieser Mecklenburger? Werden wir<lb/> morgen genöthigt sein, zu fragen: was bedeutet dieser Japanese? Was haben<lb/> diese Herren in einem spezifisch preußischen Ministerium zu suchen? Welche<lb/> Aufklärungen erwartet man von ihnen? Aber, ist es denn nicht naheliegend<lb/> anzunehmen, daß diese Beiden den übrigen Ministern einfach auf Befehl des<lb/> Fürst Bismarck zugestellt sind? Sie besitzen sein ganzes Vertrauen, und sollen<lb/> ihm vermuthlich für seine eigensten Zwecke eine zuverlässige Majorität sichern.<lb/> Sie (die übrigen Minister nämlich) geben sich also zu Allem her, was der<lb/> Fürst verlangt? Heißt das so viel, daß sie jeden Selbstgefühls baar sind?<lb/> Was wird denn auf diese Weise aus Ihrer Verantwortlichkeit? Warum führen<lb/> Sie statt dieser zwei Minister ohne Portefeuille nicht gleich vier ins Ministerium<lb/> ein? Warum nicht zehn? Allerdings wahrt die Verfassung dem König das<lb/> Recht, die Minister zu wählen, darf er aber deshalb eine unendliche Anzahl<lb/> von Ministern ernennen? In diesem Fall ist das preußische Ministerium in<lb/> Gefahr, eine Sammlung lebender Merkwürdigkeiten zu werden und gehört in<lb/> ein Museum!" Gewiß ist den beiden Herren der Genuß zu gönnen, den ihrem<lb/> patriotischen Herzen die Anerkennung aus solchem Munde bereiten muß, aus<lb/> einem Munde, dessen Inhaber so gediegene historische Kenntnisse mit soviel<lb/> Wahrheitsliebe verbindet, daß er, bei Erwähnung des Grafen Eulenburg weiter<lb/> erzählt: „Es muß dem Könige hart angehen, diesen, seit 15 Jahren erprobten</p><lb/> </div> </div> </body> </text> </TEI> [0286]
Herrscher erfreuen sich des Beifalls des Herrn Valbert, er rühmt sie als ein
energisches, thätiges, von ihren hohen Pflichten durchdrungenes Herrscherge¬
schlecht. Das Recht des Königs, seine Minister zu wählen, erregt dagegen
seinen heftigen Zorn. Er beklagt den Landtag, daß er im Juni verflossenen
Jahres uicht genau über den Personalwechsel im Ministerium unterrichtet ge¬
wesen sei. Leider scheint er nicht zu wissen, daß der Landtag damals gar
uicht versammelt war, und vergißt auch das Mittel anzugeben, wie man einen
nicht versammelten Landtag auf dem Laufenden über dergleichen Geschäfte zu
unterhalten hat. Freilich, bei ihm zu Hause ist auch die Volksvertretung in
den Ferien über die Regierung ausgezeichnet orientirt. Das haben wir den
ganzen vorigen Sommer hindurch erlebt! Darauf erfährt er, daß zwei Fremde,
ein Hesse und ein Mecklenburger, die Herren Hoffmann und von Bülow ins
„preußische" Ministerium berufen seien. Das giebt ihm zum ersten Male
Gelegenheit, die beiden Männer, welche allein sich seiner wirklichen Hochschätzung
zu erfreuen haben, Professor Virchow und Herrn Windhorst, mit seinem Lobe
zu überschütten. „Man muß Fortschritts- oder Zentrumsmann sein" ruft er
pathetisch aus, „um den Muth zu haben, in Berlin die Regierung zu inter-
pelliren. Und wie haben diese beiden Herren interpellirt? Sie sagten unge¬
fähr: Wo sind wir hingerathen. Wir bitten um gütige Aufklärung! Was
bedeutet dieser Hesse? Was bedeutet dieser Mecklenburger? Werden wir
morgen genöthigt sein, zu fragen: was bedeutet dieser Japanese? Was haben
diese Herren in einem spezifisch preußischen Ministerium zu suchen? Welche
Aufklärungen erwartet man von ihnen? Aber, ist es denn nicht naheliegend
anzunehmen, daß diese Beiden den übrigen Ministern einfach auf Befehl des
Fürst Bismarck zugestellt sind? Sie besitzen sein ganzes Vertrauen, und sollen
ihm vermuthlich für seine eigensten Zwecke eine zuverlässige Majorität sichern.
Sie (die übrigen Minister nämlich) geben sich also zu Allem her, was der
Fürst verlangt? Heißt das so viel, daß sie jeden Selbstgefühls baar sind?
Was wird denn auf diese Weise aus Ihrer Verantwortlichkeit? Warum führen
Sie statt dieser zwei Minister ohne Portefeuille nicht gleich vier ins Ministerium
ein? Warum nicht zehn? Allerdings wahrt die Verfassung dem König das
Recht, die Minister zu wählen, darf er aber deshalb eine unendliche Anzahl
von Ministern ernennen? In diesem Fall ist das preußische Ministerium in
Gefahr, eine Sammlung lebender Merkwürdigkeiten zu werden und gehört in
ein Museum!" Gewiß ist den beiden Herren der Genuß zu gönnen, den ihrem
patriotischen Herzen die Anerkennung aus solchem Munde bereiten muß, aus
einem Munde, dessen Inhaber so gediegene historische Kenntnisse mit soviel
Wahrheitsliebe verbindet, daß er, bei Erwähnung des Grafen Eulenburg weiter
erzählt: „Es muß dem Könige hart angehen, diesen, seit 15 Jahren erprobten
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