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Die Grenzboten. Jg. 37, 1878, I. Semester. I. Band.

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respektabler Philolog sein und doch durch Zitate, wie "(Äo. ^.rs-t," oder "Her.
?r. ^. ^i.^" -- die Fälle sind nicht erfunden in einige Verlegenheit gerathen.
Der Bibliothekar wird vielleicht nach einiger Zeit dahinterkommen, daß das
erstere sich auf die erhaltenen Fragmente von Cicero's Uebersetzung der Stern¬
erscheinungen (?de>.filou6Qch des Aratos, das letztere sich auf die Schrift
des alexandrinischen Grammatikers Herodian, ?rs^ ^ol^o,/? ^?-<"s, beziehen
soll. Aefft einen noch dazu ein Druckfehler, so kann die Auflösung eines
Zitates geradezu auf Räthselrathen hinauslaufen; aber auch hierin erlangt der
Bibliothekar durch die Uebung mit der Zeit vielleicht eine größere Virtuosität,
als andere Menschenkinder. Ein beseligendes Gefühl mag wohl jener Biblio¬
thekar gehabt haben, der, als ihm ein hochberühmter Philolog in gelinder
Verzweiflung das Zitat brachte: "vbristvxb. ^iwLm. v. 473" und das ihm
gänzlich unbekannte Buch zur Stelle zu schaffen bat, nach kurzem Besinnen
antworten konnte: "Ein toller Druckfehler! Die "Thesmovhoriazusen" des
Aristophanes sind gemeint!"

Zwischen denjenigen Bibliotheksknnden, die einen einzelnen, bestimmt ge¬
faßten Wunsch haben, und denen, die bescheidentlich um Rath und Hilfe
bitten, liegen aber nun eine ganze Reihe von Spielarten in der Mitte, die
zu den minder willkommenen gehören. Eine mehr komische als unangenehme
Spezies bilden die, welche zwar genau so hilfsbedürftig sind, wie die oben
geschilderten, aber sich etwas zu vergeben glauben würden, wenn sie diese Hilfs-
bediirftigkeit eingestehen sollten. In der Regel verrathen sie aber augenblicklich
durch die Fassung ihres Wunsches das, was sie verbergen möchten. Diese
Spezies findet sich z. B. häufig auf Universitäten unter Leutchen, die sich im
ersten Stadium des Gelehrtendünkels befinden, kommt aber nicht selten auch
noch in höheren Stadien vor. Da kommt z. B. der jugendliche Geschichtsforscher,
der Tags zuvor in das "Historische Seminar" eingetreten ist, und verlangt
stolz: "Geben Sie mir den Bebel." Er glaubt, dem Bibliothekar natürlich
gewaltig imponirt zu haben, hat vielleicht gar den kleinen, boshaften Hinter¬
gedanken, ob wohl der arme Bibliothekar außer dem Drechslermeister Angust
Bebel auch noch den berühmten Humanisten des 16. Jahrhunderts Heinrich
Bebel kennen werde, von dem ihm gestern der Herr Professor einiges erzählt
hat. Aber das Blättchen wendet sich schrecklich. Dein stolzen Forderer wird
stillschweigend im alphabetischen Katalog der Name Bebelius vorgelegt, und
nun sieht er zu seinem Schrecken, wie unsterblich er sich blamirt hat. Die
SchriftenBebel's füllen im Kataloge eine Folioseite, und er hatte "den Bebel"
verlangt, etwa so wie der Sextaner von seinem Mitschüler sich "den Ellendt"
aufbietet! Es ist gewiß recht überflüssig, seine Ansängerschcist in dieser Weise
verhüllen zu wollen, denn lernen müssen wir ja alle, und dazu gehört, daß


respektabler Philolog sein und doch durch Zitate, wie „(Äo. ^.rs-t," oder „Her.
?r. ^. ^i.^" — die Fälle sind nicht erfunden in einige Verlegenheit gerathen.
Der Bibliothekar wird vielleicht nach einiger Zeit dahinterkommen, daß das
erstere sich auf die erhaltenen Fragmente von Cicero's Uebersetzung der Stern¬
erscheinungen (?de>.filou6Qch des Aratos, das letztere sich auf die Schrift
des alexandrinischen Grammatikers Herodian, ?rs^ ^ol^o,/? ^?-<»s, beziehen
soll. Aefft einen noch dazu ein Druckfehler, so kann die Auflösung eines
Zitates geradezu auf Räthselrathen hinauslaufen; aber auch hierin erlangt der
Bibliothekar durch die Uebung mit der Zeit vielleicht eine größere Virtuosität,
als andere Menschenkinder. Ein beseligendes Gefühl mag wohl jener Biblio¬
thekar gehabt haben, der, als ihm ein hochberühmter Philolog in gelinder
Verzweiflung das Zitat brachte: „vbristvxb. ^iwLm. v. 473" und das ihm
gänzlich unbekannte Buch zur Stelle zu schaffen bat, nach kurzem Besinnen
antworten konnte: „Ein toller Druckfehler! Die „Thesmovhoriazusen" des
Aristophanes sind gemeint!"

Zwischen denjenigen Bibliotheksknnden, die einen einzelnen, bestimmt ge¬
faßten Wunsch haben, und denen, die bescheidentlich um Rath und Hilfe
bitten, liegen aber nun eine ganze Reihe von Spielarten in der Mitte, die
zu den minder willkommenen gehören. Eine mehr komische als unangenehme
Spezies bilden die, welche zwar genau so hilfsbedürftig sind, wie die oben
geschilderten, aber sich etwas zu vergeben glauben würden, wenn sie diese Hilfs-
bediirftigkeit eingestehen sollten. In der Regel verrathen sie aber augenblicklich
durch die Fassung ihres Wunsches das, was sie verbergen möchten. Diese
Spezies findet sich z. B. häufig auf Universitäten unter Leutchen, die sich im
ersten Stadium des Gelehrtendünkels befinden, kommt aber nicht selten auch
noch in höheren Stadien vor. Da kommt z. B. der jugendliche Geschichtsforscher,
der Tags zuvor in das „Historische Seminar" eingetreten ist, und verlangt
stolz: „Geben Sie mir den Bebel." Er glaubt, dem Bibliothekar natürlich
gewaltig imponirt zu haben, hat vielleicht gar den kleinen, boshaften Hinter¬
gedanken, ob wohl der arme Bibliothekar außer dem Drechslermeister Angust
Bebel auch noch den berühmten Humanisten des 16. Jahrhunderts Heinrich
Bebel kennen werde, von dem ihm gestern der Herr Professor einiges erzählt
hat. Aber das Blättchen wendet sich schrecklich. Dein stolzen Forderer wird
stillschweigend im alphabetischen Katalog der Name Bebelius vorgelegt, und
nun sieht er zu seinem Schrecken, wie unsterblich er sich blamirt hat. Die
SchriftenBebel's füllen im Kataloge eine Folioseite, und er hatte „den Bebel"
verlangt, etwa so wie der Sextaner von seinem Mitschüler sich „den Ellendt"
aufbietet! Es ist gewiß recht überflüssig, seine Ansängerschcist in dieser Weise
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Zitationshilfe: Die Grenzboten. Jg. 37, 1878, I. Semester. I. Band, S. . In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/grenzboten_341827_157649/267>, abgerufen am 27.09.2024.