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Die Grenzboten. Jg. 37, 1878, I. Semester. I. Band.

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und der Luxus, der mit ihnen getrieben wurde, vertheuerte sie noch. Ein ganz
gemeines Landpserd kostete 3 Minen, ein tüchtiges Reitpferd vier mal so viel.
Der Söldnerreiter, der 2 Drachmen Tagesold erhielt, mußte, wenn er täglich
4 Obolen als Kapital zum Pferdelaus hätte anlegen wollen, 1800 Tage die¬
nen, um ein Pferd für 12 Minen aus seinem Solde herauszuschlagen. Das
war nicht zu verlangen.^)

Dies sind die Einrichtungen des Jphikrates.

Was die ökonomischen Verhältnisse betrifft, so zerfielen die Kompetenzen
der Söldner in eigentliche Lohn u n g und Verpflegungsgeld. Sehr sel¬
ten bestritt man die Verpflegung auf dem Wege der Requisition oder der Ein¬
quartierung. Namentlich die letztere erschien wegen der großen Ungebundenheit
der Sitten, der schlechten Mannszucht und der wilden Leidenschaften der
Kriegsbanden höchst bedenklich. Meist hatte sie Schändung, Mord und Em¬
pörung im Gefolge. -- Gewöhnlich ließ man den Soldaten für das Verpsle-
gungsgeld sich selbst Unterkunft und Mundportion besorgen. Gab man dagegen
die letztere ausnahmsweise in in>.wi'g, so geschah es in der Weise, daß die Un¬
sichrer für das Verpflegungsgeld Gerstengraupe, Käse und Zwiebeln oder
Knoblauch -- die Hauptnahrungsmittel des gemeinen Mannes, im Großen
einkauften, sie in Netzen mit sich führten und täglich an die Soldaten aus¬
gaben.

Der Aufstellung solcher Söldnerheere verdankte Athen bedeutende Erfolge
gegen Sparta; aber auch die Kehrseite des Miethlingsthums trat mit erschrecken¬
der Schnelligkeit zu Tage. Zerstört war der feste Zusammenhang zwischen
Heer und Gemeinwesen; statt der Bürger, welche für Hans und Heerd tapfer
gekämpft, entschieden um heimathlose Abentenrerschaaren das Geschick der Staa¬
ten, kriegslustige Landsknechte, deren Verhalten nicht mehr vom Gesetze, son¬
dern höchstens von der Persönlichkeit des Feldherrn abhing und deren Treue
mit dem Inhalte der Kriegskasse abnahm. -- Trauernd klagt Lysias: "Die
Leiber der Hellenen gehören denen, die da zahlen können!"

Solche Klagen sind gerecht; aber der Gang der Dinge ist eben doch na¬
türlich. Das Schicksal wollte es, daß die 10,000 lorbeergekrönten Söldner
zu einer Zeit nach Griechenland zurückkehrten, als man dort matt von immer
neuen Bürgeraufgelwten, doch weder willens noch auch im Stande war, den
Krieg mit Einem Schlage zu beenden. Die kriegsgewohnten Söldner suchten
Dienst; die Staaten boten freudig Geld. Bei den unaufhörlichen Kriegen ver¬
mochten die Bürgerschaften den Waffendienst ans die Dauer uicht mehr zu




Rnstow und Köchly: Griech, Kriegswesen.
"*) B. l>. Baumnnu, Studien über die Verpflegung im Felde-
("renzvoten I. 1878. 32

und der Luxus, der mit ihnen getrieben wurde, vertheuerte sie noch. Ein ganz
gemeines Landpserd kostete 3 Minen, ein tüchtiges Reitpferd vier mal so viel.
Der Söldnerreiter, der 2 Drachmen Tagesold erhielt, mußte, wenn er täglich
4 Obolen als Kapital zum Pferdelaus hätte anlegen wollen, 1800 Tage die¬
nen, um ein Pferd für 12 Minen aus seinem Solde herauszuschlagen. Das
war nicht zu verlangen.^)

Dies sind die Einrichtungen des Jphikrates.

Was die ökonomischen Verhältnisse betrifft, so zerfielen die Kompetenzen
der Söldner in eigentliche Lohn u n g und Verpflegungsgeld. Sehr sel¬
ten bestritt man die Verpflegung auf dem Wege der Requisition oder der Ein¬
quartierung. Namentlich die letztere erschien wegen der großen Ungebundenheit
der Sitten, der schlechten Mannszucht und der wilden Leidenschaften der
Kriegsbanden höchst bedenklich. Meist hatte sie Schändung, Mord und Em¬
pörung im Gefolge. — Gewöhnlich ließ man den Soldaten für das Verpsle-
gungsgeld sich selbst Unterkunft und Mundportion besorgen. Gab man dagegen
die letztere ausnahmsweise in in>.wi'g, so geschah es in der Weise, daß die Un¬
sichrer für das Verpflegungsgeld Gerstengraupe, Käse und Zwiebeln oder
Knoblauch — die Hauptnahrungsmittel des gemeinen Mannes, im Großen
einkauften, sie in Netzen mit sich führten und täglich an die Soldaten aus¬
gaben.

Der Aufstellung solcher Söldnerheere verdankte Athen bedeutende Erfolge
gegen Sparta; aber auch die Kehrseite des Miethlingsthums trat mit erschrecken¬
der Schnelligkeit zu Tage. Zerstört war der feste Zusammenhang zwischen
Heer und Gemeinwesen; statt der Bürger, welche für Hans und Heerd tapfer
gekämpft, entschieden um heimathlose Abentenrerschaaren das Geschick der Staa¬
ten, kriegslustige Landsknechte, deren Verhalten nicht mehr vom Gesetze, son¬
dern höchstens von der Persönlichkeit des Feldherrn abhing und deren Treue
mit dem Inhalte der Kriegskasse abnahm. — Trauernd klagt Lysias: „Die
Leiber der Hellenen gehören denen, die da zahlen können!"

Solche Klagen sind gerecht; aber der Gang der Dinge ist eben doch na¬
türlich. Das Schicksal wollte es, daß die 10,000 lorbeergekrönten Söldner
zu einer Zeit nach Griechenland zurückkehrten, als man dort matt von immer
neuen Bürgeraufgelwten, doch weder willens noch auch im Stande war, den
Krieg mit Einem Schlage zu beenden. Die kriegsgewohnten Söldner suchten
Dienst; die Staaten boten freudig Geld. Bei den unaufhörlichen Kriegen ver¬
mochten die Bürgerschaften den Waffendienst ans die Dauer uicht mehr zu




Rnstow und Köchly: Griech, Kriegswesen.
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[0257] und der Luxus, der mit ihnen getrieben wurde, vertheuerte sie noch. Ein ganz gemeines Landpserd kostete 3 Minen, ein tüchtiges Reitpferd vier mal so viel. Der Söldnerreiter, der 2 Drachmen Tagesold erhielt, mußte, wenn er täglich 4 Obolen als Kapital zum Pferdelaus hätte anlegen wollen, 1800 Tage die¬ nen, um ein Pferd für 12 Minen aus seinem Solde herauszuschlagen. Das war nicht zu verlangen.^) Dies sind die Einrichtungen des Jphikrates. Was die ökonomischen Verhältnisse betrifft, so zerfielen die Kompetenzen der Söldner in eigentliche Lohn u n g und Verpflegungsgeld. Sehr sel¬ ten bestritt man die Verpflegung auf dem Wege der Requisition oder der Ein¬ quartierung. Namentlich die letztere erschien wegen der großen Ungebundenheit der Sitten, der schlechten Mannszucht und der wilden Leidenschaften der Kriegsbanden höchst bedenklich. Meist hatte sie Schändung, Mord und Em¬ pörung im Gefolge. — Gewöhnlich ließ man den Soldaten für das Verpsle- gungsgeld sich selbst Unterkunft und Mundportion besorgen. Gab man dagegen die letztere ausnahmsweise in in>.wi'g, so geschah es in der Weise, daß die Un¬ sichrer für das Verpflegungsgeld Gerstengraupe, Käse und Zwiebeln oder Knoblauch — die Hauptnahrungsmittel des gemeinen Mannes, im Großen einkauften, sie in Netzen mit sich führten und täglich an die Soldaten aus¬ gaben. Der Aufstellung solcher Söldnerheere verdankte Athen bedeutende Erfolge gegen Sparta; aber auch die Kehrseite des Miethlingsthums trat mit erschrecken¬ der Schnelligkeit zu Tage. Zerstört war der feste Zusammenhang zwischen Heer und Gemeinwesen; statt der Bürger, welche für Hans und Heerd tapfer gekämpft, entschieden um heimathlose Abentenrerschaaren das Geschick der Staa¬ ten, kriegslustige Landsknechte, deren Verhalten nicht mehr vom Gesetze, son¬ dern höchstens von der Persönlichkeit des Feldherrn abhing und deren Treue mit dem Inhalte der Kriegskasse abnahm. — Trauernd klagt Lysias: „Die Leiber der Hellenen gehören denen, die da zahlen können!" Solche Klagen sind gerecht; aber der Gang der Dinge ist eben doch na¬ türlich. Das Schicksal wollte es, daß die 10,000 lorbeergekrönten Söldner zu einer Zeit nach Griechenland zurückkehrten, als man dort matt von immer neuen Bürgeraufgelwten, doch weder willens noch auch im Stande war, den Krieg mit Einem Schlage zu beenden. Die kriegsgewohnten Söldner suchten Dienst; die Staaten boten freudig Geld. Bei den unaufhörlichen Kriegen ver¬ mochten die Bürgerschaften den Waffendienst ans die Dauer uicht mehr zu Rnstow und Köchly: Griech, Kriegswesen. "*) B. l>. Baumnnu, Studien über die Verpflegung im Felde- («renzvoten I. 1878. 32

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Zitationshilfe: Die Grenzboten. Jg. 37, 1878, I. Semester. I. Band, S. . In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/grenzboten_341827_157649/257>, abgerufen am 27.09.2024.