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Die Grenzboten. Jg. 37, 1878, I. Semester. I. Band.

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Haliartos wurde ein spartanisches Heer unter Lysandros von den vereinigten
Schaaren der Thebäer und Athener unter Führung des Jphikrates völlig ge¬
schlagen. Dieser Sieg verbreitete die größte Bestürzung in Sparta, Zwar
ersuchten die Lakonier bei Korinth einen Vortheil über die Verbündeten; aber
der Erfolg war gering; und auch als Agesilaos, eilig aus Asien zurückberufen,
durch Thrakien, Makedonien und Thessalien herankam und bei Koroneia wirk¬
lich die Verbündeten schlug und sein Heer glücklich über den korinthischen Bu¬
sen nach dem Peloponnes herüberrettete -- da erwiesen sich diese Waffenthaten
doch nicht als groß genug, um den Seesieg wett zu machen, den der Athener
Koror bei Knidos mit einer persisch-phönikischen Flotte über die Pelvponnesier
errang. -- Ans allen Inseln sank die spartanische Herrschaft, Athen lebte auf;
die Flotte wurde hergestellt; die Mauern des Peiraieus erhoben sich aufs neue
und der bviotische Krieg währte nnter dem Namen des korinthischen fort.

Die Lakedaimonier wählten als Zentralpunkt für die Weiterführung des
Kampfes Sykiou, die bvotisch-ätherische Parthei Korinth. Von diesen Stütz¬
punkten aus, die nur 2^ Meilen von einander entfernt liegen, suchte man sich
durch wechselseitige Raubzüge zu schaden. So wenig hervorleuchtend aber auch
die Ereignisse dieses Kriegs sein mögen, so wichtig ist er doch in kriegsknnst-
lerischer Beziehung, und dies Interesse knüpft sich wesentlich an den Namen
des attischen Feldherrn Jphikrates.

Jphikrates ist die rechte Verkörperung des neu emporgekommenen Söld-
nerthums. Der Zug der Zehntausend, dessen glorreiche Durchführung den
Nationalstolz der Hellenen höher als je geschwellt, hatte den Kriegsdienst als
solchen mit ganz besonderem Glanz umgeben, und so steigerte sich seltsamer¬
weise mit dem Nationalgefühl zugleich die Neigung zum Söldnerdieust. Der
isthmische Krieg führt ihn als festbegründete Institution in das heimische Leben
der Griechen ein. Der ätherische Heerführer Jphikrates leitet den Krieg nicht
mehr als ein bürgerlicher Beamter, als einer der zehn Strategen, sondern als
Söldnergeneral, dem die gewordenen Truppen mit unbedingtem Vertrauen von
Korinth bis an den Hellespont folgen, der die Mannszucht mit einer Strenge
handhabt, welche attische Heere bis dahin niemals gekannt, in dem aber auch
die eigenthümliche Kriegsanffassung ächter Söldner bereits so scharf hervortritt,
daß er unverhohlen erklärt: die nach Geld und Lust begierigsten Krieger seien
ihn: durchaus die liebste".

Bei dem Durchbrüche des Söldnerthums waren, wie schon angedentet,
ebensowohl wirtschaftliche als militärische Gründe wirksam. Die Beschaffung
einer vollen Rüstnngs.') te Wohlstand voraus; die Zahl der wohlhabenden
Bürger war jedoch in den langen Kriegen sehr zusammengeschmolzen und die¬
jenigen , welche die Ausrüstungskosten noch am besten hätten erschwingen können,


Haliartos wurde ein spartanisches Heer unter Lysandros von den vereinigten
Schaaren der Thebäer und Athener unter Führung des Jphikrates völlig ge¬
schlagen. Dieser Sieg verbreitete die größte Bestürzung in Sparta, Zwar
ersuchten die Lakonier bei Korinth einen Vortheil über die Verbündeten; aber
der Erfolg war gering; und auch als Agesilaos, eilig aus Asien zurückberufen,
durch Thrakien, Makedonien und Thessalien herankam und bei Koroneia wirk¬
lich die Verbündeten schlug und sein Heer glücklich über den korinthischen Bu¬
sen nach dem Peloponnes herüberrettete — da erwiesen sich diese Waffenthaten
doch nicht als groß genug, um den Seesieg wett zu machen, den der Athener
Koror bei Knidos mit einer persisch-phönikischen Flotte über die Pelvponnesier
errang. — Ans allen Inseln sank die spartanische Herrschaft, Athen lebte auf;
die Flotte wurde hergestellt; die Mauern des Peiraieus erhoben sich aufs neue
und der bviotische Krieg währte nnter dem Namen des korinthischen fort.

Die Lakedaimonier wählten als Zentralpunkt für die Weiterführung des
Kampfes Sykiou, die bvotisch-ätherische Parthei Korinth. Von diesen Stütz¬
punkten aus, die nur 2^ Meilen von einander entfernt liegen, suchte man sich
durch wechselseitige Raubzüge zu schaden. So wenig hervorleuchtend aber auch
die Ereignisse dieses Kriegs sein mögen, so wichtig ist er doch in kriegsknnst-
lerischer Beziehung, und dies Interesse knüpft sich wesentlich an den Namen
des attischen Feldherrn Jphikrates.

Jphikrates ist die rechte Verkörperung des neu emporgekommenen Söld-
nerthums. Der Zug der Zehntausend, dessen glorreiche Durchführung den
Nationalstolz der Hellenen höher als je geschwellt, hatte den Kriegsdienst als
solchen mit ganz besonderem Glanz umgeben, und so steigerte sich seltsamer¬
weise mit dem Nationalgefühl zugleich die Neigung zum Söldnerdieust. Der
isthmische Krieg führt ihn als festbegründete Institution in das heimische Leben
der Griechen ein. Der ätherische Heerführer Jphikrates leitet den Krieg nicht
mehr als ein bürgerlicher Beamter, als einer der zehn Strategen, sondern als
Söldnergeneral, dem die gewordenen Truppen mit unbedingtem Vertrauen von
Korinth bis an den Hellespont folgen, der die Mannszucht mit einer Strenge
handhabt, welche attische Heere bis dahin niemals gekannt, in dem aber auch
die eigenthümliche Kriegsanffassung ächter Söldner bereits so scharf hervortritt,
daß er unverhohlen erklärt: die nach Geld und Lust begierigsten Krieger seien
ihn: durchaus die liebste».

Bei dem Durchbrüche des Söldnerthums waren, wie schon angedentet,
ebensowohl wirtschaftliche als militärische Gründe wirksam. Die Beschaffung
einer vollen Rüstnngs.') te Wohlstand voraus; die Zahl der wohlhabenden
Bürger war jedoch in den langen Kriegen sehr zusammengeschmolzen und die¬
jenigen , welche die Ausrüstungskosten noch am besten hätten erschwingen können,


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[0254] Haliartos wurde ein spartanisches Heer unter Lysandros von den vereinigten Schaaren der Thebäer und Athener unter Führung des Jphikrates völlig ge¬ schlagen. Dieser Sieg verbreitete die größte Bestürzung in Sparta, Zwar ersuchten die Lakonier bei Korinth einen Vortheil über die Verbündeten; aber der Erfolg war gering; und auch als Agesilaos, eilig aus Asien zurückberufen, durch Thrakien, Makedonien und Thessalien herankam und bei Koroneia wirk¬ lich die Verbündeten schlug und sein Heer glücklich über den korinthischen Bu¬ sen nach dem Peloponnes herüberrettete — da erwiesen sich diese Waffenthaten doch nicht als groß genug, um den Seesieg wett zu machen, den der Athener Koror bei Knidos mit einer persisch-phönikischen Flotte über die Pelvponnesier errang. — Ans allen Inseln sank die spartanische Herrschaft, Athen lebte auf; die Flotte wurde hergestellt; die Mauern des Peiraieus erhoben sich aufs neue und der bviotische Krieg währte nnter dem Namen des korinthischen fort. Die Lakedaimonier wählten als Zentralpunkt für die Weiterführung des Kampfes Sykiou, die bvotisch-ätherische Parthei Korinth. Von diesen Stütz¬ punkten aus, die nur 2^ Meilen von einander entfernt liegen, suchte man sich durch wechselseitige Raubzüge zu schaden. So wenig hervorleuchtend aber auch die Ereignisse dieses Kriegs sein mögen, so wichtig ist er doch in kriegsknnst- lerischer Beziehung, und dies Interesse knüpft sich wesentlich an den Namen des attischen Feldherrn Jphikrates. Jphikrates ist die rechte Verkörperung des neu emporgekommenen Söld- nerthums. Der Zug der Zehntausend, dessen glorreiche Durchführung den Nationalstolz der Hellenen höher als je geschwellt, hatte den Kriegsdienst als solchen mit ganz besonderem Glanz umgeben, und so steigerte sich seltsamer¬ weise mit dem Nationalgefühl zugleich die Neigung zum Söldnerdieust. Der isthmische Krieg führt ihn als festbegründete Institution in das heimische Leben der Griechen ein. Der ätherische Heerführer Jphikrates leitet den Krieg nicht mehr als ein bürgerlicher Beamter, als einer der zehn Strategen, sondern als Söldnergeneral, dem die gewordenen Truppen mit unbedingtem Vertrauen von Korinth bis an den Hellespont folgen, der die Mannszucht mit einer Strenge handhabt, welche attische Heere bis dahin niemals gekannt, in dem aber auch die eigenthümliche Kriegsanffassung ächter Söldner bereits so scharf hervortritt, daß er unverhohlen erklärt: die nach Geld und Lust begierigsten Krieger seien ihn: durchaus die liebste». Bei dem Durchbrüche des Söldnerthums waren, wie schon angedentet, ebensowohl wirtschaftliche als militärische Gründe wirksam. Die Beschaffung einer vollen Rüstnngs.') te Wohlstand voraus; die Zahl der wohlhabenden Bürger war jedoch in den langen Kriegen sehr zusammengeschmolzen und die¬ jenigen , welche die Ausrüstungskosten noch am besten hätten erschwingen können,

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Zitationshilfe: Die Grenzboten. Jg. 37, 1878, I. Semester. I. Band, S. . In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/grenzboten_341827_157649/254>, abgerufen am 27.09.2024.