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Die Grenzboten. Jg. 37, 1878, I. Semester. I. Band.

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winde, nimmt unter Zcenophon eine würdige Stellung ein. Begreiflich ist es,
daß auf einem so laugen und schwierigen Marsche auch die eigentliche Marsch¬
taktik namhafte Fortschritte machte. Der Marsch im hohlen Viereck, und der
im Oblongum bildete sich zu großer Sicherheit und Vollkommenheit heraus,
weil die Uebermacht des Feindes an Kavallerie darauf hinwies, möglichst
kompakte Formen anzunehmen, welche doch derart gegliedert waren, daß das
Einfädeln in schmale Fronten, wie es beim Durchschreiten von Engpässen
nöthig, also die Formationsveränderung leicht vou Statten gehen konnte. *)

Nach dem Siege bei Kunaxa griff Artaxerxes die kleinasiatischen Grieche"
an. Die Spartiaten, um Hilfe angegangen, sandten ihnen ein Heer. Dies
focht seit 396 unter des Acgesilaos Befehl glücklich gegen die Perser, nud die
Reste der Zehntausend schlösse" sich ihm an. Das hellenische Heer zählte etwa
20,000 Fußgänger, bei nur 500 Reitern und Agesilaos verkündete, er werde
damit nach Karien ziehn, wo, der Berge halber, Reiterei unbrauchbar sei.
Sein Geguer Thissaphernes wartete seiner hierauf am Mäander, bis er erstaunt
vernahm: jeuer habe sich schnell und siegreich nach Phrygien gewandt. Der
Winter unterbrach zwar die Fortschritte im Felde, aber nicht die Thätigkeit
des in Ephesos weilenden Agesilaos. Er befreite die kriegspflichtige" Jonier
gegen Einstellung eines Reiters von persönlicher Theilnahme; er hielt ununter¬
brochen große kriegerische Uebungen, bereitete rastlos Alles, was zum Kriege
erforderlich war, vor und begeisterte das Heer dnrch seine außerordentliche
Persönlichkeit. "Wie", sprach er, "sollten Männer nicht voll der besten Hoff¬
nungen sein, welche die Götter ehren, den Krieg üben nud Zucht und Gehor¬
sam kennen!" -- Mit dem Frühjahr ließ Agesilaos verlauten, er werde ans
dem kürzesten Wege in die fruchtbarste Landschaft einfallen. Thissaphernes, die
frühere List fürchtend, deckte dessen ungeachtet das unfruchtbare Karien, ward
aber wiederum getäuscht; denn diesmal hielt der Spartaner Wort und uneben
Sardes. -- Von hohem militärischem Werthe war die Theilnahme der Reste
der Zehntausend an diesem Kriege. Durch sie vor Allem verpflanzte sich die
während der Anabasis entwickelte Fechtart auf die audern Griechen, und diese
Taktik wie der soldatische Geist, der sich bei den Zehntausend herausgebildet,
traten als ganz neue Elemente in den Kreis des griechischen Kriegswesens ein.
Zugleich gaben die hier erfochtenen Siege den ersten Ausblick auf die Möglich¬
keit einer Eroberung Asiens, die in der Folge mehrfach ins Auge gefaßt und
endlich von Alexander durchgeführt wurde.

Doch während die Griechen auf dem Boden Kleinasiens siegreich gegen
die Barbaren fochten, war in der Heimath der alte Streit entbrannt. Bei



*) Rüstvw u. Köchly: Geschichte des griechischen Kriegswesens. .

winde, nimmt unter Zcenophon eine würdige Stellung ein. Begreiflich ist es,
daß auf einem so laugen und schwierigen Marsche auch die eigentliche Marsch¬
taktik namhafte Fortschritte machte. Der Marsch im hohlen Viereck, und der
im Oblongum bildete sich zu großer Sicherheit und Vollkommenheit heraus,
weil die Uebermacht des Feindes an Kavallerie darauf hinwies, möglichst
kompakte Formen anzunehmen, welche doch derart gegliedert waren, daß das
Einfädeln in schmale Fronten, wie es beim Durchschreiten von Engpässen
nöthig, also die Formationsveränderung leicht vou Statten gehen konnte. *)

Nach dem Siege bei Kunaxa griff Artaxerxes die kleinasiatischen Grieche»
an. Die Spartiaten, um Hilfe angegangen, sandten ihnen ein Heer. Dies
focht seit 396 unter des Acgesilaos Befehl glücklich gegen die Perser, nud die
Reste der Zehntausend schlösse» sich ihm an. Das hellenische Heer zählte etwa
20,000 Fußgänger, bei nur 500 Reitern und Agesilaos verkündete, er werde
damit nach Karien ziehn, wo, der Berge halber, Reiterei unbrauchbar sei.
Sein Geguer Thissaphernes wartete seiner hierauf am Mäander, bis er erstaunt
vernahm: jeuer habe sich schnell und siegreich nach Phrygien gewandt. Der
Winter unterbrach zwar die Fortschritte im Felde, aber nicht die Thätigkeit
des in Ephesos weilenden Agesilaos. Er befreite die kriegspflichtige» Jonier
gegen Einstellung eines Reiters von persönlicher Theilnahme; er hielt ununter¬
brochen große kriegerische Uebungen, bereitete rastlos Alles, was zum Kriege
erforderlich war, vor und begeisterte das Heer dnrch seine außerordentliche
Persönlichkeit. „Wie", sprach er, „sollten Männer nicht voll der besten Hoff¬
nungen sein, welche die Götter ehren, den Krieg üben nud Zucht und Gehor¬
sam kennen!" — Mit dem Frühjahr ließ Agesilaos verlauten, er werde ans
dem kürzesten Wege in die fruchtbarste Landschaft einfallen. Thissaphernes, die
frühere List fürchtend, deckte dessen ungeachtet das unfruchtbare Karien, ward
aber wiederum getäuscht; denn diesmal hielt der Spartaner Wort und uneben
Sardes. — Von hohem militärischem Werthe war die Theilnahme der Reste
der Zehntausend an diesem Kriege. Durch sie vor Allem verpflanzte sich die
während der Anabasis entwickelte Fechtart auf die audern Griechen, und diese
Taktik wie der soldatische Geist, der sich bei den Zehntausend herausgebildet,
traten als ganz neue Elemente in den Kreis des griechischen Kriegswesens ein.
Zugleich gaben die hier erfochtenen Siege den ersten Ausblick auf die Möglich¬
keit einer Eroberung Asiens, die in der Folge mehrfach ins Auge gefaßt und
endlich von Alexander durchgeführt wurde.

Doch während die Griechen auf dem Boden Kleinasiens siegreich gegen
die Barbaren fochten, war in der Heimath der alte Streit entbrannt. Bei



*) Rüstvw u. Köchly: Geschichte des griechischen Kriegswesens. .
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[0253] winde, nimmt unter Zcenophon eine würdige Stellung ein. Begreiflich ist es, daß auf einem so laugen und schwierigen Marsche auch die eigentliche Marsch¬ taktik namhafte Fortschritte machte. Der Marsch im hohlen Viereck, und der im Oblongum bildete sich zu großer Sicherheit und Vollkommenheit heraus, weil die Uebermacht des Feindes an Kavallerie darauf hinwies, möglichst kompakte Formen anzunehmen, welche doch derart gegliedert waren, daß das Einfädeln in schmale Fronten, wie es beim Durchschreiten von Engpässen nöthig, also die Formationsveränderung leicht vou Statten gehen konnte. *) Nach dem Siege bei Kunaxa griff Artaxerxes die kleinasiatischen Grieche» an. Die Spartiaten, um Hilfe angegangen, sandten ihnen ein Heer. Dies focht seit 396 unter des Acgesilaos Befehl glücklich gegen die Perser, nud die Reste der Zehntausend schlösse» sich ihm an. Das hellenische Heer zählte etwa 20,000 Fußgänger, bei nur 500 Reitern und Agesilaos verkündete, er werde damit nach Karien ziehn, wo, der Berge halber, Reiterei unbrauchbar sei. Sein Geguer Thissaphernes wartete seiner hierauf am Mäander, bis er erstaunt vernahm: jeuer habe sich schnell und siegreich nach Phrygien gewandt. Der Winter unterbrach zwar die Fortschritte im Felde, aber nicht die Thätigkeit des in Ephesos weilenden Agesilaos. Er befreite die kriegspflichtige» Jonier gegen Einstellung eines Reiters von persönlicher Theilnahme; er hielt ununter¬ brochen große kriegerische Uebungen, bereitete rastlos Alles, was zum Kriege erforderlich war, vor und begeisterte das Heer dnrch seine außerordentliche Persönlichkeit. „Wie", sprach er, „sollten Männer nicht voll der besten Hoff¬ nungen sein, welche die Götter ehren, den Krieg üben nud Zucht und Gehor¬ sam kennen!" — Mit dem Frühjahr ließ Agesilaos verlauten, er werde ans dem kürzesten Wege in die fruchtbarste Landschaft einfallen. Thissaphernes, die frühere List fürchtend, deckte dessen ungeachtet das unfruchtbare Karien, ward aber wiederum getäuscht; denn diesmal hielt der Spartaner Wort und uneben Sardes. — Von hohem militärischem Werthe war die Theilnahme der Reste der Zehntausend an diesem Kriege. Durch sie vor Allem verpflanzte sich die während der Anabasis entwickelte Fechtart auf die audern Griechen, und diese Taktik wie der soldatische Geist, der sich bei den Zehntausend herausgebildet, traten als ganz neue Elemente in den Kreis des griechischen Kriegswesens ein. Zugleich gaben die hier erfochtenen Siege den ersten Ausblick auf die Möglich¬ keit einer Eroberung Asiens, die in der Folge mehrfach ins Auge gefaßt und endlich von Alexander durchgeführt wurde. Doch während die Griechen auf dem Boden Kleinasiens siegreich gegen die Barbaren fochten, war in der Heimath der alte Streit entbrannt. Bei *) Rüstvw u. Köchly: Geschichte des griechischen Kriegswesens. .

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Zitationshilfe: Die Grenzboten. Jg. 37, 1878, I. Semester. I. Band, S. . In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/grenzboten_341827_157649/253>, abgerufen am 27.09.2024.