Die Grenzboten. Jg. 37, 1878, I. Semester. I. Band.wesentlichen Defekt erblicken, von der Theilnahme am Religionsunterricht Von den in Vorstehendem entwickelten Gesichtspunkte gingen sowohl die wesentlichen Defekt erblicken, von der Theilnahme am Religionsunterricht Von den in Vorstehendem entwickelten Gesichtspunkte gingen sowohl die <TEI> <text> <body> <div> <div n="1"> <pb facs="#f0245" corresp="http://brema.suub.uni-bremen.de/grenzboten/periodical/pageview/139538"/> <p xml:id="ID_686" prev="#ID_685"> wesentlichen Defekt erblicken, von der Theilnahme am Religionsunterricht<lb/> dispensirte. Aber man stelle sich doch die Konsequenzen vor! Dauert der<lb/> kirchenpolitische Konflikt noch längere Zeit fort — und bis jetzt ist ein Ende<lb/> nicht abzusehen —, so wird in nicht serner Zeit die Mehrzahl der katholischen<lb/> Volksschulen von Lehrern verwaltet sein, denen wegen Mangel eines Bischofs<lb/> die „kirchliche Sendung" nicht ertheilt werden konnte. Somit wäre denn —<lb/> den sehr wahrscheinlichen Fall vorausgesetzt, daß von der fraglichen Disvensation<lb/> allgemein Gebrauch gemacht werdeu würde —. die beste Aussicht vorhanden,<lb/> daß in eben dieser Zeit der katholische Religionsunterricht in der Mehrzahl<lb/> der Volksschulen thatsächlich in Wegfall gekommen sein würde. Mit andern<lb/> Worten: Der Staat ist mit jenem Dispensativnsverlcmgen vor die Frage ge¬<lb/> stellt, ob der Religionsunterricht in der Volksschule beibehalten werden soll<lb/> oder nicht. Nun betrachtet aber die Regierung, und mit ihr die große Majo¬<lb/> rität der Volksvertretung sowohl, wie sicherlich auch des Volkes selbst, den<lb/> Religionsunterricht als ein unentbehrliches Mittel zur Erhaltung und Förde¬<lb/> rung der Sittlichkeit. Sie kann daher weder eine Ausschließung desselben aus<lb/> dem Lehrplcme der Volksschule prinzipiell veranlassen, noch eine Entwickelung<lb/> billigen, welche thatsächlich zu dieser Ausschließung führen müßte. Wenn sie<lb/> demnach sich gegen die Forderung eines fakultativen Religionsunterrichts ent¬<lb/> schieden ablehnend verhält, fo wird sie darin noch bestärkt durch die Pläne,<lb/> welche die ultramontane Agitation mit der Betreibung der Schulfrage ausge-<lb/> sprochenermaßen erfolgt. Haben doch die Führer der Zentrumspartei laut<lb/> genug als das zunächst zu erreichende Ziel bezeichnet, die Schule für die Kirche<lb/> zurückzuerobern! Wenn Herr Windthorst am letzten Mittwoch die radikale<lb/> Parole „Trennung von Kirche und Schule" ausgab, so ist das nur ein schein¬<lb/> barer Widerspruch. Man will den Religionsunterricht aus der Schule ent¬<lb/> fernen, um dieselbe in den Augen des glcinbigen Volkes zu diskreditier?. Man<lb/> will den Religionsunterricht ausschließlich der Kirche überweisen, um damit<lb/> einen Krystallisatiouspunkt zu gewinnen, um welchen sich mit der Zeit auch<lb/> andere Unterrichtsfächer gruppiren würden. Mit einem Worte: es gilt, der<lb/> Staatsschule die Kirchenschule entgegenzustellen. Diesem Operationsplane<lb/> gegenüber ist aber jeder preußischen Regierung ihr Verhalten von vornherein<lb/> vorgezeichnet; es kann nur sein: die entschlossenste Bekämpfung.</p><lb/> <p xml:id="ID_687" next="#ID_688"> Von den in Vorstehendem entwickelten Gesichtspunkte gingen sowohl die<lb/> Vetreter der Regierung wie die Redner der parlamentarischen Majorität ans,<lb/> indem sie den Uebergang zur Tagesordnung über die aus dem ultramontanen<lb/> Lager hervorgegangenen Petitionen empfahlen. Herr Falk erklärte dabei aus¬<lb/> drücklich, daß er in jedem einzelnen Falle, wo ihm eine, mit der Lehre der<lb/> katholischen Kirche in Wirklichkeit nicht übereinstimmende Ertheilung des Reu-</p><lb/> </div> </div> </body> </text> </TEI> [0245]
wesentlichen Defekt erblicken, von der Theilnahme am Religionsunterricht
dispensirte. Aber man stelle sich doch die Konsequenzen vor! Dauert der
kirchenpolitische Konflikt noch längere Zeit fort — und bis jetzt ist ein Ende
nicht abzusehen —, so wird in nicht serner Zeit die Mehrzahl der katholischen
Volksschulen von Lehrern verwaltet sein, denen wegen Mangel eines Bischofs
die „kirchliche Sendung" nicht ertheilt werden konnte. Somit wäre denn —
den sehr wahrscheinlichen Fall vorausgesetzt, daß von der fraglichen Disvensation
allgemein Gebrauch gemacht werdeu würde —. die beste Aussicht vorhanden,
daß in eben dieser Zeit der katholische Religionsunterricht in der Mehrzahl
der Volksschulen thatsächlich in Wegfall gekommen sein würde. Mit andern
Worten: Der Staat ist mit jenem Dispensativnsverlcmgen vor die Frage ge¬
stellt, ob der Religionsunterricht in der Volksschule beibehalten werden soll
oder nicht. Nun betrachtet aber die Regierung, und mit ihr die große Majo¬
rität der Volksvertretung sowohl, wie sicherlich auch des Volkes selbst, den
Religionsunterricht als ein unentbehrliches Mittel zur Erhaltung und Förde¬
rung der Sittlichkeit. Sie kann daher weder eine Ausschließung desselben aus
dem Lehrplcme der Volksschule prinzipiell veranlassen, noch eine Entwickelung
billigen, welche thatsächlich zu dieser Ausschließung führen müßte. Wenn sie
demnach sich gegen die Forderung eines fakultativen Religionsunterrichts ent¬
schieden ablehnend verhält, fo wird sie darin noch bestärkt durch die Pläne,
welche die ultramontane Agitation mit der Betreibung der Schulfrage ausge-
sprochenermaßen erfolgt. Haben doch die Führer der Zentrumspartei laut
genug als das zunächst zu erreichende Ziel bezeichnet, die Schule für die Kirche
zurückzuerobern! Wenn Herr Windthorst am letzten Mittwoch die radikale
Parole „Trennung von Kirche und Schule" ausgab, so ist das nur ein schein¬
barer Widerspruch. Man will den Religionsunterricht aus der Schule ent¬
fernen, um dieselbe in den Augen des glcinbigen Volkes zu diskreditier?. Man
will den Religionsunterricht ausschließlich der Kirche überweisen, um damit
einen Krystallisatiouspunkt zu gewinnen, um welchen sich mit der Zeit auch
andere Unterrichtsfächer gruppiren würden. Mit einem Worte: es gilt, der
Staatsschule die Kirchenschule entgegenzustellen. Diesem Operationsplane
gegenüber ist aber jeder preußischen Regierung ihr Verhalten von vornherein
vorgezeichnet; es kann nur sein: die entschlossenste Bekämpfung.
Von den in Vorstehendem entwickelten Gesichtspunkte gingen sowohl die
Vetreter der Regierung wie die Redner der parlamentarischen Majorität ans,
indem sie den Uebergang zur Tagesordnung über die aus dem ultramontanen
Lager hervorgegangenen Petitionen empfahlen. Herr Falk erklärte dabei aus¬
drücklich, daß er in jedem einzelnen Falle, wo ihm eine, mit der Lehre der
katholischen Kirche in Wirklichkeit nicht übereinstimmende Ertheilung des Reu-
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