Anmelden (DTAQ) DWDS     dlexDB     CLARIN-D

Die Grenzboten. Jg. 37, 1878, I. Semester. I. Band.

Bild:
<< vorherige Seite

durchzogen, erreichte ich nördlich von Larissa die ersten Vorberge des Olymp,
wo eine waldige Schlucht erwünschten Ruheplatz und Weide für die Pferde
darbot. Letztere waren schön und stark, und wurden von saccharo, meinem
Führer, mit besonderer Sorgfalt gepflegt, wie denn die alte Thessalische Vor¬
liebe für das Pferd hier immer noch heimisch ist. Darauf weist auch der
Ausdruck hin, mit dem man es in der Volkssprache belegt, indem man es "die
Sache" (ro -^"7^") nennt, womit man es als die vorzugsweise nothwendige
und nützliche Sache bezeichnen will: woher denn Redensarten entstehn, die für
uns sehr sonderbar klingen, z. B. "die Sache trinkt, ist durstig, hungrig" (rü
7r^>"/^" ?r/vet, <?t?/^, ?r"to<x).

Von dieser Schlucht gelangte ich nach einigem Steigen in einen ausge¬
dehnten Wald von hochstämmigen Buchsbaum, und da ich einige Stöcke davon
zum Andenken mitzunehmen wünschte, das Abschneiden mit dem Messer aber
viel zu langsam ging, bediente ich mich mit sehr raschem Erfolge des Gewehres,
um sie abzuschießen. Hierauf trat ich in eine kleine, rings von Bergen um¬
schlossene Hochebene ein, das erste Plateau des Stnfenlandes, mit dem die
südliche Seite des Olympgebirges aus der Thessalischen Ebene emporsteigt.
Vortrefflich angebaut, ernährt diese Ebene vier große Dörfer (zwei von Türken
zwei gemischt von Griechen und Machen bewohnt), und die Stadt Alassüna.
Diese ließ ich uun links liegen, und wandte mich gegen Osten dem Dorfe
Tsaritsani zu, das 6 Stunden von Larissa entfernt ist. Nicht weit vor diesem
Orte rastete ich gegen Sonnenuntergang in einem Weinberge an einem sehr
anmuthigen Platze; reine Bergluft umwehte unter dem heitersten Abendhimmel
die Gefilde dieser olympischen Hochebene, die maigrünen Manlbeer- und Nu߬
bäume durchrauschend; und da ich so lange als möglich an dieser schönen
Stelle zu verweilen wünschte, beschloß ich die Nacht hier im Freien zuzubringen.
Saecharvs hatte große Bedenken dagegen, indem er meinte, wir würden da¬
durch bei den Eingebornen Anstoß erregen, wie er denn überhaupt ziemlich
furchtsam war. Auch als ich am Morgen in seiner Nähe schießen wollte, rief
er entsetzt aus: Panagia! (d. h. ganz Heilige, nämlich Maria) und sagte mir,
er liebe dergleichen durchaus nicht, und ich möchte ihm doch den Gefallen thun,
es zu unterlassen. Seine Besorgniß wegen des Übeln Eindrucks den unser
Quartiernehmen in dem Weinberg machen könnte, erwies sich übrigens als
gänzlich unbegründet. Wie ich vorausgesehen, begegneten uns Alle, die vor¬
übergingen, mit der größten Freundlichkeit, sie schafften auch Wasser herbei,
an dem es uns fehlte, und verweilten gerne, um sich mit uns zu unterhalten.
Ich benutzte die Gelegenheit zu Erkundigungen über meine fernere Straße: aus
den ertheilten Antworten schöpfte aber saccharo den Verdacht, daß der Weg
nach Katrin" (einer Landungsstelle am Golf von Thessalonich), wohin er mich


durchzogen, erreichte ich nördlich von Larissa die ersten Vorberge des Olymp,
wo eine waldige Schlucht erwünschten Ruheplatz und Weide für die Pferde
darbot. Letztere waren schön und stark, und wurden von saccharo, meinem
Führer, mit besonderer Sorgfalt gepflegt, wie denn die alte Thessalische Vor¬
liebe für das Pferd hier immer noch heimisch ist. Darauf weist auch der
Ausdruck hin, mit dem man es in der Volkssprache belegt, indem man es „die
Sache" (ro -^«7^«) nennt, womit man es als die vorzugsweise nothwendige
und nützliche Sache bezeichnen will: woher denn Redensarten entstehn, die für
uns sehr sonderbar klingen, z. B. „die Sache trinkt, ist durstig, hungrig" (rü
7r^>«/^« ?r/vet, <?t?/^, ?r«to<x).

Von dieser Schlucht gelangte ich nach einigem Steigen in einen ausge¬
dehnten Wald von hochstämmigen Buchsbaum, und da ich einige Stöcke davon
zum Andenken mitzunehmen wünschte, das Abschneiden mit dem Messer aber
viel zu langsam ging, bediente ich mich mit sehr raschem Erfolge des Gewehres,
um sie abzuschießen. Hierauf trat ich in eine kleine, rings von Bergen um¬
schlossene Hochebene ein, das erste Plateau des Stnfenlandes, mit dem die
südliche Seite des Olympgebirges aus der Thessalischen Ebene emporsteigt.
Vortrefflich angebaut, ernährt diese Ebene vier große Dörfer (zwei von Türken
zwei gemischt von Griechen und Machen bewohnt), und die Stadt Alassüna.
Diese ließ ich uun links liegen, und wandte mich gegen Osten dem Dorfe
Tsaritsani zu, das 6 Stunden von Larissa entfernt ist. Nicht weit vor diesem
Orte rastete ich gegen Sonnenuntergang in einem Weinberge an einem sehr
anmuthigen Platze; reine Bergluft umwehte unter dem heitersten Abendhimmel
die Gefilde dieser olympischen Hochebene, die maigrünen Manlbeer- und Nu߬
bäume durchrauschend; und da ich so lange als möglich an dieser schönen
Stelle zu verweilen wünschte, beschloß ich die Nacht hier im Freien zuzubringen.
Saecharvs hatte große Bedenken dagegen, indem er meinte, wir würden da¬
durch bei den Eingebornen Anstoß erregen, wie er denn überhaupt ziemlich
furchtsam war. Auch als ich am Morgen in seiner Nähe schießen wollte, rief
er entsetzt aus: Panagia! (d. h. ganz Heilige, nämlich Maria) und sagte mir,
er liebe dergleichen durchaus nicht, und ich möchte ihm doch den Gefallen thun,
es zu unterlassen. Seine Besorgniß wegen des Übeln Eindrucks den unser
Quartiernehmen in dem Weinberg machen könnte, erwies sich übrigens als
gänzlich unbegründet. Wie ich vorausgesehen, begegneten uns Alle, die vor¬
übergingen, mit der größten Freundlichkeit, sie schafften auch Wasser herbei,
an dem es uns fehlte, und verweilten gerne, um sich mit uns zu unterhalten.
Ich benutzte die Gelegenheit zu Erkundigungen über meine fernere Straße: aus
den ertheilten Antworten schöpfte aber saccharo den Verdacht, daß der Weg
nach Katrin« (einer Landungsstelle am Golf von Thessalonich), wohin er mich


<TEI>
  <text>
    <body>
      <div>
        <div n="1">
          <pb facs="#f0239" corresp="http://brema.suub.uni-bremen.de/grenzboten/periodical/pageview/139532"/>
          <p xml:id="ID_668" prev="#ID_667"> durchzogen, erreichte ich nördlich von Larissa die ersten Vorberge des Olymp,<lb/>
wo eine waldige Schlucht erwünschten Ruheplatz und Weide für die Pferde<lb/>
darbot. Letztere waren schön und stark, und wurden von saccharo, meinem<lb/>
Führer, mit besonderer Sorgfalt gepflegt, wie denn die alte Thessalische Vor¬<lb/>
liebe für das Pferd hier immer noch heimisch ist. Darauf weist auch der<lb/>
Ausdruck hin, mit dem man es in der Volkssprache belegt, indem man es &#x201E;die<lb/>
Sache" (ro -^«7^«) nennt, womit man es als die vorzugsweise nothwendige<lb/>
und nützliche Sache bezeichnen will: woher denn Redensarten entstehn, die für<lb/>
uns sehr sonderbar klingen, z. B. &#x201E;die Sache trinkt, ist durstig, hungrig" (rü<lb/>
7r^&gt;«/^« ?r/vet, &lt;?t?/^, ?r«to&lt;x).</p><lb/>
          <p xml:id="ID_669" next="#ID_670"> Von dieser Schlucht gelangte ich nach einigem Steigen in einen ausge¬<lb/>
dehnten Wald von hochstämmigen Buchsbaum, und da ich einige Stöcke davon<lb/>
zum Andenken mitzunehmen wünschte, das Abschneiden mit dem Messer aber<lb/>
viel zu langsam ging, bediente ich mich mit sehr raschem Erfolge des Gewehres,<lb/>
um sie abzuschießen. Hierauf trat ich in eine kleine, rings von Bergen um¬<lb/>
schlossene Hochebene ein, das erste Plateau des Stnfenlandes, mit dem die<lb/>
südliche Seite des Olympgebirges aus der Thessalischen Ebene emporsteigt.<lb/>
Vortrefflich angebaut, ernährt diese Ebene vier große Dörfer (zwei von Türken<lb/>
zwei gemischt von Griechen und Machen bewohnt), und die Stadt Alassüna.<lb/>
Diese ließ ich uun links liegen, und wandte mich gegen Osten dem Dorfe<lb/>
Tsaritsani zu, das 6 Stunden von Larissa entfernt ist. Nicht weit vor diesem<lb/>
Orte rastete ich gegen Sonnenuntergang in einem Weinberge an einem sehr<lb/>
anmuthigen Platze; reine Bergluft umwehte unter dem heitersten Abendhimmel<lb/>
die Gefilde dieser olympischen Hochebene, die maigrünen Manlbeer- und Nu߬<lb/>
bäume durchrauschend; und da ich so lange als möglich an dieser schönen<lb/>
Stelle zu verweilen wünschte, beschloß ich die Nacht hier im Freien zuzubringen.<lb/>
Saecharvs hatte große Bedenken dagegen, indem er meinte, wir würden da¬<lb/>
durch bei den Eingebornen Anstoß erregen, wie er denn überhaupt ziemlich<lb/>
furchtsam war. Auch als ich am Morgen in seiner Nähe schießen wollte, rief<lb/>
er entsetzt aus: Panagia! (d. h. ganz Heilige, nämlich Maria) und sagte mir,<lb/>
er liebe dergleichen durchaus nicht, und ich möchte ihm doch den Gefallen thun,<lb/>
es zu unterlassen. Seine Besorgniß wegen des Übeln Eindrucks den unser<lb/>
Quartiernehmen in dem Weinberg machen könnte, erwies sich übrigens als<lb/>
gänzlich unbegründet. Wie ich vorausgesehen, begegneten uns Alle, die vor¬<lb/>
übergingen, mit der größten Freundlichkeit, sie schafften auch Wasser herbei,<lb/>
an dem es uns fehlte, und verweilten gerne, um sich mit uns zu unterhalten.<lb/>
Ich benutzte die Gelegenheit zu Erkundigungen über meine fernere Straße: aus<lb/>
den ertheilten Antworten schöpfte aber saccharo den Verdacht, daß der Weg<lb/>
nach Katrin« (einer Landungsstelle am Golf von Thessalonich), wohin er mich</p><lb/>
        </div>
      </div>
    </body>
  </text>
</TEI>
[0239] durchzogen, erreichte ich nördlich von Larissa die ersten Vorberge des Olymp, wo eine waldige Schlucht erwünschten Ruheplatz und Weide für die Pferde darbot. Letztere waren schön und stark, und wurden von saccharo, meinem Führer, mit besonderer Sorgfalt gepflegt, wie denn die alte Thessalische Vor¬ liebe für das Pferd hier immer noch heimisch ist. Darauf weist auch der Ausdruck hin, mit dem man es in der Volkssprache belegt, indem man es „die Sache" (ro -^«7^«) nennt, womit man es als die vorzugsweise nothwendige und nützliche Sache bezeichnen will: woher denn Redensarten entstehn, die für uns sehr sonderbar klingen, z. B. „die Sache trinkt, ist durstig, hungrig" (rü 7r^>«/^« ?r/vet, <?t?/^, ?r«to<x). Von dieser Schlucht gelangte ich nach einigem Steigen in einen ausge¬ dehnten Wald von hochstämmigen Buchsbaum, und da ich einige Stöcke davon zum Andenken mitzunehmen wünschte, das Abschneiden mit dem Messer aber viel zu langsam ging, bediente ich mich mit sehr raschem Erfolge des Gewehres, um sie abzuschießen. Hierauf trat ich in eine kleine, rings von Bergen um¬ schlossene Hochebene ein, das erste Plateau des Stnfenlandes, mit dem die südliche Seite des Olympgebirges aus der Thessalischen Ebene emporsteigt. Vortrefflich angebaut, ernährt diese Ebene vier große Dörfer (zwei von Türken zwei gemischt von Griechen und Machen bewohnt), und die Stadt Alassüna. Diese ließ ich uun links liegen, und wandte mich gegen Osten dem Dorfe Tsaritsani zu, das 6 Stunden von Larissa entfernt ist. Nicht weit vor diesem Orte rastete ich gegen Sonnenuntergang in einem Weinberge an einem sehr anmuthigen Platze; reine Bergluft umwehte unter dem heitersten Abendhimmel die Gefilde dieser olympischen Hochebene, die maigrünen Manlbeer- und Nu߬ bäume durchrauschend; und da ich so lange als möglich an dieser schönen Stelle zu verweilen wünschte, beschloß ich die Nacht hier im Freien zuzubringen. Saecharvs hatte große Bedenken dagegen, indem er meinte, wir würden da¬ durch bei den Eingebornen Anstoß erregen, wie er denn überhaupt ziemlich furchtsam war. Auch als ich am Morgen in seiner Nähe schießen wollte, rief er entsetzt aus: Panagia! (d. h. ganz Heilige, nämlich Maria) und sagte mir, er liebe dergleichen durchaus nicht, und ich möchte ihm doch den Gefallen thun, es zu unterlassen. Seine Besorgniß wegen des Übeln Eindrucks den unser Quartiernehmen in dem Weinberg machen könnte, erwies sich übrigens als gänzlich unbegründet. Wie ich vorausgesehen, begegneten uns Alle, die vor¬ übergingen, mit der größten Freundlichkeit, sie schafften auch Wasser herbei, an dem es uns fehlte, und verweilten gerne, um sich mit uns zu unterhalten. Ich benutzte die Gelegenheit zu Erkundigungen über meine fernere Straße: aus den ertheilten Antworten schöpfte aber saccharo den Verdacht, daß der Weg nach Katrin« (einer Landungsstelle am Golf von Thessalonich), wohin er mich

Informationen zum Werk

Download dieses Werks

XML (TEI P5) · HTML · Text
TCF (text annotation layer)

Metadaten zum Werk

TEI-Header · CMDI · Dublin Core

Ansichten dieser Seite

Feedback

Sie haben einen Fehler gefunden? Dann können Sie diesen über unsere Qualitätssicherungsplattform DTAQ melden.

Kommentar zur DTA-Ausgabe

Dieses Werk wurde im Rahmen des Moduls DTA-Erweiterungen (DTAE) digitalisiert. Weitere Informationen …

Staats- und Universitätsbibliothek (SuUB) Bremen: Bereitstellung der Texttranskription.
Kay-Michael Würzner: Bearbeitung der digitalen Edition.

Weitere Informationen:

Verfahren der Texterfassung: OCR mit Nachkorrektur.

Bogensignaturen: gekennzeichnet;Druckfehler: ignoriert;fremdsprachliches Material: nicht gekennzeichnet;Geminations-/Abkürzungsstriche: wie Vorlage;Hervorhebungen (Antiqua, Sperrschrift, Kursive etc.): nicht ausgezeichnet;i/j in Fraktur: wie Vorlage;I/J in Fraktur: wie Vorlage;Kolumnentitel: gekennzeichnet;Kustoden: gekennzeichnet;langes s (ſ): als s transkribiert;Normalisierungen: stillschweigend;rundes r (&#xa75b;): als r/et transkribiert;Seitenumbrüche markiert: ja;Silbentrennung: wie Vorlage;u/v bzw. U/V: wie Vorlage;Vokale mit übergest. e: als ä/ö/ü transkribiert;Vollständigkeit: vollständig erfasst;Zeichensetzung: wie Vorlage;Zeilenumbrüche markiert: ja;

Nachkorrektur erfolgte automatisch.




Ansicht auf Standard zurückstellen

URL zu diesem Werk: https://www.deutschestextarchiv.de/grenzboten_341827_157649
URL zu dieser Seite: https://www.deutschestextarchiv.de/grenzboten_341827_157649/239
Zitationshilfe: Die Grenzboten. Jg. 37, 1878, I. Semester. I. Band, S. . In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/grenzboten_341827_157649/239>, abgerufen am 20.10.2024.