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Die Grenzboten. Jg. 37, 1878, I. Semester. I. Band.

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Unseren Weg fortsetzend, kamen wir an eine Stelle des Peneus, wo türkische
Betriebsamkeit eine fliegende Brücke hergestellt hatte, indem an einem quer über
den Strom gespannten Tau ein Schiffchen durch Steuer und die Gewalt des
Stromes hin und her getrieben wurde. Drüben angelangt fanden wir --
kaum eine halbe Stunde von der Stadt, -- eine reizende Waldwildniß von
alten Eichen und Rüstern, die nur insofern Spuren von Kultur zeigte, als
man dort Kaffee bekommen konnte. Aber es war hier weder Kaffeehaus noch
Hütte, sondern nur eine Art von Schrank, den man nach dem Winde drehte,
um das zum Kochen nöthige Feuer zu schützen. Der Wirth, ein Türke, war
sehr zuvorkommend und liebenswürdig, fragte sogleich, wo wir die Matte aus¬
gebreitet zu haben wünschten, und versorgte uns mit Kaffee und NarglM.
Wir lagerten uns im Schatten einer alten Eiche, deren Anblick mich sehr er¬
freute, da sie ganz von der Spezies der unsrigen war, die in Asien nicht
wächst und die ich nun schon lange nicht mehr gesehen hatte. Uebrigens erfreute
mich auch hier wieder die Schönheit und Originalität der einzelnen Bäume.
Diese Originalität ist eben so auffallend wie die reine Schönheit der Konturen
der griechischen Berge, und diese Eigenart der Form gibt der Vegetation von
Thessalien ein fiir unser Auge fremdartiges Ansetzn, obgleich es größteutheils
unsere Eichen und Rüstern sind, welche hier wachsen. Der Oelbaum gedeiht
hier nicht mehr, ebensowenig Citrone und Orange, 'wenn auch Cypresse, Feige
und Granatapfel noch fortkommen. Bewundernswürdig ist noch immer die
schon seit Jahrtausenden ausgebeutete Fruchtbarkeit des thessalischen Bodens.
Wenn ein Stück Acker mehrere Jahre nicht bebaut wird, so schießt von selbst
ein üppiger junger Wald von Rüstern darauf empor, der lebhaft an Homers:
"Es pflanzten dort Ulmen die Nymphen der Berge", erinnert. Nachdem wir
uns am Schatten der Wälder gelabt, der bei der allmälig ziemlich hoch ge¬
stiegenen Wärme des Tages etwas sehr Erquickendes hatte, kehrten wir nach
dem anderen Ufer des Flusses zurück. Ein soeben von dessen Wassern im
lehmigen Boden losgespülter antiker Sarg erinnerte lebhaft daran, daß wir
auf klassischem Boden uns befanden. An diesem Ufer war ein wunderhüsches
Blumengcirtchen angelegt, das ein freundlicher, Kaffee schenkender Türke mit
besonderer Sorgfalt pflegte; es machte einen überaus freundlichen Eindruck,
besonders auch durch seinen Kontrast gegen die nahe Wildniß. In ihm blühten
in üppiger Fülle weiße Lilien, Nelken, spanische Wicken, blaue Tagesblumen
und herrlich duftende Rosen, Die Rosen dieser Gegenden sind kleiner als
unsre Centifolien (welche in Griechenland nur wenige Jahre, ohne auszuarten,
fortkommen) weshalb man die Rose hier auch Dreißigblatt (rpt"pr" ^v^o?)
anstatt Centifolie nennt.

Von hier gingen wir nach den Ruinen des alten Theaters von Larissa,


Unseren Weg fortsetzend, kamen wir an eine Stelle des Peneus, wo türkische
Betriebsamkeit eine fliegende Brücke hergestellt hatte, indem an einem quer über
den Strom gespannten Tau ein Schiffchen durch Steuer und die Gewalt des
Stromes hin und her getrieben wurde. Drüben angelangt fanden wir —
kaum eine halbe Stunde von der Stadt, — eine reizende Waldwildniß von
alten Eichen und Rüstern, die nur insofern Spuren von Kultur zeigte, als
man dort Kaffee bekommen konnte. Aber es war hier weder Kaffeehaus noch
Hütte, sondern nur eine Art von Schrank, den man nach dem Winde drehte,
um das zum Kochen nöthige Feuer zu schützen. Der Wirth, ein Türke, war
sehr zuvorkommend und liebenswürdig, fragte sogleich, wo wir die Matte aus¬
gebreitet zu haben wünschten, und versorgte uns mit Kaffee und NarglM.
Wir lagerten uns im Schatten einer alten Eiche, deren Anblick mich sehr er¬
freute, da sie ganz von der Spezies der unsrigen war, die in Asien nicht
wächst und die ich nun schon lange nicht mehr gesehen hatte. Uebrigens erfreute
mich auch hier wieder die Schönheit und Originalität der einzelnen Bäume.
Diese Originalität ist eben so auffallend wie die reine Schönheit der Konturen
der griechischen Berge, und diese Eigenart der Form gibt der Vegetation von
Thessalien ein fiir unser Auge fremdartiges Ansetzn, obgleich es größteutheils
unsere Eichen und Rüstern sind, welche hier wachsen. Der Oelbaum gedeiht
hier nicht mehr, ebensowenig Citrone und Orange, 'wenn auch Cypresse, Feige
und Granatapfel noch fortkommen. Bewundernswürdig ist noch immer die
schon seit Jahrtausenden ausgebeutete Fruchtbarkeit des thessalischen Bodens.
Wenn ein Stück Acker mehrere Jahre nicht bebaut wird, so schießt von selbst
ein üppiger junger Wald von Rüstern darauf empor, der lebhaft an Homers:
„Es pflanzten dort Ulmen die Nymphen der Berge", erinnert. Nachdem wir
uns am Schatten der Wälder gelabt, der bei der allmälig ziemlich hoch ge¬
stiegenen Wärme des Tages etwas sehr Erquickendes hatte, kehrten wir nach
dem anderen Ufer des Flusses zurück. Ein soeben von dessen Wassern im
lehmigen Boden losgespülter antiker Sarg erinnerte lebhaft daran, daß wir
auf klassischem Boden uns befanden. An diesem Ufer war ein wunderhüsches
Blumengcirtchen angelegt, das ein freundlicher, Kaffee schenkender Türke mit
besonderer Sorgfalt pflegte; es machte einen überaus freundlichen Eindruck,
besonders auch durch seinen Kontrast gegen die nahe Wildniß. In ihm blühten
in üppiger Fülle weiße Lilien, Nelken, spanische Wicken, blaue Tagesblumen
und herrlich duftende Rosen, Die Rosen dieser Gegenden sind kleiner als
unsre Centifolien (welche in Griechenland nur wenige Jahre, ohne auszuarten,
fortkommen) weshalb man die Rose hier auch Dreißigblatt (rpt«pr« ^v^o?)
anstatt Centifolie nennt.

Von hier gingen wir nach den Ruinen des alten Theaters von Larissa,


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[0237] Unseren Weg fortsetzend, kamen wir an eine Stelle des Peneus, wo türkische Betriebsamkeit eine fliegende Brücke hergestellt hatte, indem an einem quer über den Strom gespannten Tau ein Schiffchen durch Steuer und die Gewalt des Stromes hin und her getrieben wurde. Drüben angelangt fanden wir — kaum eine halbe Stunde von der Stadt, — eine reizende Waldwildniß von alten Eichen und Rüstern, die nur insofern Spuren von Kultur zeigte, als man dort Kaffee bekommen konnte. Aber es war hier weder Kaffeehaus noch Hütte, sondern nur eine Art von Schrank, den man nach dem Winde drehte, um das zum Kochen nöthige Feuer zu schützen. Der Wirth, ein Türke, war sehr zuvorkommend und liebenswürdig, fragte sogleich, wo wir die Matte aus¬ gebreitet zu haben wünschten, und versorgte uns mit Kaffee und NarglM. Wir lagerten uns im Schatten einer alten Eiche, deren Anblick mich sehr er¬ freute, da sie ganz von der Spezies der unsrigen war, die in Asien nicht wächst und die ich nun schon lange nicht mehr gesehen hatte. Uebrigens erfreute mich auch hier wieder die Schönheit und Originalität der einzelnen Bäume. Diese Originalität ist eben so auffallend wie die reine Schönheit der Konturen der griechischen Berge, und diese Eigenart der Form gibt der Vegetation von Thessalien ein fiir unser Auge fremdartiges Ansetzn, obgleich es größteutheils unsere Eichen und Rüstern sind, welche hier wachsen. Der Oelbaum gedeiht hier nicht mehr, ebensowenig Citrone und Orange, 'wenn auch Cypresse, Feige und Granatapfel noch fortkommen. Bewundernswürdig ist noch immer die schon seit Jahrtausenden ausgebeutete Fruchtbarkeit des thessalischen Bodens. Wenn ein Stück Acker mehrere Jahre nicht bebaut wird, so schießt von selbst ein üppiger junger Wald von Rüstern darauf empor, der lebhaft an Homers: „Es pflanzten dort Ulmen die Nymphen der Berge", erinnert. Nachdem wir uns am Schatten der Wälder gelabt, der bei der allmälig ziemlich hoch ge¬ stiegenen Wärme des Tages etwas sehr Erquickendes hatte, kehrten wir nach dem anderen Ufer des Flusses zurück. Ein soeben von dessen Wassern im lehmigen Boden losgespülter antiker Sarg erinnerte lebhaft daran, daß wir auf klassischem Boden uns befanden. An diesem Ufer war ein wunderhüsches Blumengcirtchen angelegt, das ein freundlicher, Kaffee schenkender Türke mit besonderer Sorgfalt pflegte; es machte einen überaus freundlichen Eindruck, besonders auch durch seinen Kontrast gegen die nahe Wildniß. In ihm blühten in üppiger Fülle weiße Lilien, Nelken, spanische Wicken, blaue Tagesblumen und herrlich duftende Rosen, Die Rosen dieser Gegenden sind kleiner als unsre Centifolien (welche in Griechenland nur wenige Jahre, ohne auszuarten, fortkommen) weshalb man die Rose hier auch Dreißigblatt (rpt«pr« ^v^o?) anstatt Centifolie nennt. Von hier gingen wir nach den Ruinen des alten Theaters von Larissa,

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Zitationshilfe: Die Grenzboten. Jg. 37, 1878, I. Semester. I. Band, S. . In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/grenzboten_341827_157649/237>, abgerufen am 20.10.2024.