Die Grenzboten. Jg. 37, 1878, I. Semester. I. Band.Versuche ein Ministerium Gaffer zu bilden, ist kein Gedanke mehr an einen Was die Kirche in Baiern betrifft, so hat dieselbe während des abge¬ In den Schichten des niederen Klerus scheint jene akute Opposition, wie Versuche ein Ministerium Gaffer zu bilden, ist kein Gedanke mehr an einen Was die Kirche in Baiern betrifft, so hat dieselbe während des abge¬ In den Schichten des niederen Klerus scheint jene akute Opposition, wie <TEI> <text> <body> <div> <div n="1"> <pb facs="#f0203" corresp="http://brema.suub.uni-bremen.de/grenzboten/periodical/pageview/139496"/> <p xml:id="ID_570" prev="#ID_569"> Versuche ein Ministerium Gaffer zu bilden, ist kein Gedanke mehr an einen<lb/> Wechsel des Systems und wenn auch bei dem Portefeuille der Finanzen ein<lb/> Personenwechsel nöthig ward, indem Hr. von Berr ans Gesundheitsrück¬<lb/> sichten demissioniren mußte, so lag doch schon in der Raschheit der, Wieder-<lb/> besctzung ein fast demonstrativer Beweis, daß man selbst jeden Schein vermeiden<lb/> wollte, als sei das Gesammtkabiuet damit in's Schwanken gerathen. Die<lb/> Persönlichkeit des neuen Finanzministers (des Herrn von Riedel) ist auch<lb/> außerhalb Baierns wohl bekannt und fast darf man hinzufügen, populär, denn<lb/> seit Jahren gehörte derselbe dem deutschen Bundesrathe als hervorragendes<lb/> Mitglied an. Seine Kenntnisse auf alleu Gebieten der Rechtspflege wie der<lb/> Verwaltung sind geradezu phänomenal und haben ihm nicht nur in München,<lb/> sondern ebenso sehr in Berlin einen wesentlichen Einfluß auf die gesammte<lb/> neuere Gesetzgebung gewährt. Derselbe wird durch seine glänzenden Charakter¬<lb/> eigenschaften noch gesteigert, und sein Eintritt in das gegenwärtige Kabinet<lb/> ist demnach in jeder Hinsicht als eine Stärkung des letzteren zu betrachten.</p><lb/> <p xml:id="ID_571"> Was die Kirche in Baiern betrifft, so hat dieselbe während des abge¬<lb/> laufenen Jahres schwere Lücken zu verzeichnen. Drei von den acht kvnkordat-<lb/> mäßigeu Bischvfsstühlen sind verwaist; denn außer Würzburg und Speyer<lb/> ward auch die Erzdiözese München-Freising valant; aber noch immer liegt<lb/> die Wahl der Nachfolger im weiten Felde, nachdem die beiden von der Re¬<lb/> gierung nominirten Kandidaten bei der römische» Kurie so wenig Gnade fan¬<lb/> den. Die letztere ist in Baiern (und der Münchener Sitz gilt für das gesammte<lb/> deutsche Reich) jetzt durch den Nuntius Aloisi Masella vertreten, nachdem<lb/> Msgr. Bianchi abberufen und nach Brüssel versetzt worden war. Schon vor<lb/> Jahren war Aloisi bei der Münchener Nuntiatur als Häiwre angestellt und<lb/> während des Kvuzils von 1870 hörte man wiederholt versichern, daß er<lb/> früher oder später selbst nach dem wichtigen diplomatischen Posten strebe, den<lb/> er heute einnimmt. Bis jetzt läßt sich von seiner Thätigkeit (im römischen<lb/> Sinne) noch wenig verspüren, gewiß weniger, als es uuter Gonella, dein spä¬<lb/> teren Cardinal, und Meglia, dem jetzigen Nuntius in Paris, der Fall war.<lb/> Im übrigen scheint es uns nicht am Platze, uns über die immense Tragweite<lb/> dieser römischen Position hier des näheren auszusprechen, da es sich hierbei<lb/> um eine Frage von allgemeiner und prinzipieller Bedeutung handelt, nicht um<lb/> die aktuellen Ergebnisse eines einzelnen Jahres.</p><lb/> <p xml:id="ID_572" next="#ID_573"> In den Schichten des niederen Klerus scheint jene akute Opposition, wie<lb/> sie noch vor einigen Jahren gegen die neue Ordnung der Dinge fühlbar war,<lb/> entschieden etwas nachgelassen zu haben; man hört (oder vielleicht man spricht)<lb/> weniger von politischen Delikten, und der Schluß wird wohl richtig sein, daß<lb/> ihrer auch weniger begangen werden. Jeder Kampf ermüdet, wenn er allzu-</p><lb/> </div> </div> </body> </text> </TEI> [0203]
Versuche ein Ministerium Gaffer zu bilden, ist kein Gedanke mehr an einen
Wechsel des Systems und wenn auch bei dem Portefeuille der Finanzen ein
Personenwechsel nöthig ward, indem Hr. von Berr ans Gesundheitsrück¬
sichten demissioniren mußte, so lag doch schon in der Raschheit der, Wieder-
besctzung ein fast demonstrativer Beweis, daß man selbst jeden Schein vermeiden
wollte, als sei das Gesammtkabiuet damit in's Schwanken gerathen. Die
Persönlichkeit des neuen Finanzministers (des Herrn von Riedel) ist auch
außerhalb Baierns wohl bekannt und fast darf man hinzufügen, populär, denn
seit Jahren gehörte derselbe dem deutschen Bundesrathe als hervorragendes
Mitglied an. Seine Kenntnisse auf alleu Gebieten der Rechtspflege wie der
Verwaltung sind geradezu phänomenal und haben ihm nicht nur in München,
sondern ebenso sehr in Berlin einen wesentlichen Einfluß auf die gesammte
neuere Gesetzgebung gewährt. Derselbe wird durch seine glänzenden Charakter¬
eigenschaften noch gesteigert, und sein Eintritt in das gegenwärtige Kabinet
ist demnach in jeder Hinsicht als eine Stärkung des letzteren zu betrachten.
Was die Kirche in Baiern betrifft, so hat dieselbe während des abge¬
laufenen Jahres schwere Lücken zu verzeichnen. Drei von den acht kvnkordat-
mäßigeu Bischvfsstühlen sind verwaist; denn außer Würzburg und Speyer
ward auch die Erzdiözese München-Freising valant; aber noch immer liegt
die Wahl der Nachfolger im weiten Felde, nachdem die beiden von der Re¬
gierung nominirten Kandidaten bei der römische» Kurie so wenig Gnade fan¬
den. Die letztere ist in Baiern (und der Münchener Sitz gilt für das gesammte
deutsche Reich) jetzt durch den Nuntius Aloisi Masella vertreten, nachdem
Msgr. Bianchi abberufen und nach Brüssel versetzt worden war. Schon vor
Jahren war Aloisi bei der Münchener Nuntiatur als Häiwre angestellt und
während des Kvuzils von 1870 hörte man wiederholt versichern, daß er
früher oder später selbst nach dem wichtigen diplomatischen Posten strebe, den
er heute einnimmt. Bis jetzt läßt sich von seiner Thätigkeit (im römischen
Sinne) noch wenig verspüren, gewiß weniger, als es uuter Gonella, dein spä¬
teren Cardinal, und Meglia, dem jetzigen Nuntius in Paris, der Fall war.
Im übrigen scheint es uns nicht am Platze, uns über die immense Tragweite
dieser römischen Position hier des näheren auszusprechen, da es sich hierbei
um eine Frage von allgemeiner und prinzipieller Bedeutung handelt, nicht um
die aktuellen Ergebnisse eines einzelnen Jahres.
In den Schichten des niederen Klerus scheint jene akute Opposition, wie
sie noch vor einigen Jahren gegen die neue Ordnung der Dinge fühlbar war,
entschieden etwas nachgelassen zu haben; man hört (oder vielleicht man spricht)
weniger von politischen Delikten, und der Schluß wird wohl richtig sein, daß
ihrer auch weniger begangen werden. Jeder Kampf ermüdet, wenn er allzu-
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