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Die Grenzboten. Jg. 37, 1878, I. Semester. I. Band.

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kein Ansehen der Person. Dies letztere mag ein Grund mit gewesen sein, daß
sich bei den jüngeren Brüdern, namentlich bei Heinrich, schon frühzeitig eine
gewisse Verstimmung gegen den König einstellte. Diese Verstimmung nahm
von der Stunde ab einen ernsten Charakter an, wo im Bautzener Lager
Friedrichs ganzer Zorn sich über den Prinzen von Preußen ergoß. August
Wilhelm, Prinz von Preußen, eine durch Gaben des Herzens und Verstandes
ungewöhnlich bevorzugte Natur, war von Hanse aus entschieden der Lieblings-
brnder Friedrich des Großen. Wir erinnern nur an die ihm geweihte poetische
Epistel vom Jahre 1738. Auch als Truppeuführer hatte Friedrich eine sehr
günstige Meinung von ihm. Diesem Prinzen übertrug der König, nach der
unglücklichen Schlacht bei Kollin am 18. Juni 1757, denjenigen Heerestheil,
der sich aus Böhmen langsam nach der Lausitz zurückziehen sollte. Der
Auftrag gehört zu den schwierigsten, denn überall drängten die Feinde nach,
dabei herrschte unter den Generalen keine Einigkeit; gegen Winterfeld, der dem
Prinzen als Rathgeber beigegeben war, hatte dieser ein entschiedenes Mi߬
trauen. Dazu kam noch, daß der Prinz gegen den ganzen Krieg überhaupt
eingenommen war und nach der Niederlage von Kollin in eine unheilvolle
Zukunft sah, so daß er gleich von Hanse aus mit wenig Zuversicht den Auftrag
übernahm. Dies Alles war von unheilvollen Einfluß auf die Führung, und
am 29. Juli kam die Armee in der traurigsten Verfassung bei Bautzen an.
Friedrich überhäufte seinen Bruder und die Generale, Winterfeld ausgenommen,
mit schonungslosem Tadel. Der Prinz von Preußen verließ tief erschüttert
die Armee, zog sich in den Kreis seiner Familie nach Oranienburg zurück
und starb schon den 12. Juni 1758. Wie man vielfach behauptete, hatte der
Gram ihm das Herz gebrochen. Der König wurde durch den Tod seines
Bruders in tiefe Trauer versetzt und wandte seine ganze Liebe und Sorgfalt
dessen Hinterbliebenen Kindern zu.

Es ist nicht zu leugnen, Friedrich der Große war wenig glimpflich, viel¬
leicht hart gegen seinen Bruder verfahren; man denke sich jedoch in seine ver¬
zweifelte Lage und in die dadurch erzeugte Stimmung hinein. Beides kommt
mit aller Schürfe zum Ausdruck in einem Antwortschreiben des Königs an
seinen Bruder bald uach der Bautzener Katastrophe; darin heißt es unter
anderem: "Ihr ungeschicktes Benehmen hat meine Umstände fehr zerrüttet. Nicht
der Feind, sondern Ihre übelgewählten Maßregeln sind es, die mir all dies
Unglück zuziehen. In dieser traurigen Lage bleibt mir nichts anderes übrig,
als das Aeußerste zu wagen. Ich werde angreifen und wenn wir nicht siegen
können, so wollen wir uns Alle todtschießen lassen." Friedrich muthete in den
Zeiten der Gefahr seinen Brüdern überhaupt mehr als irgend einem anderen der
Diener des Staates zu, sich selber aber sicher am meisten. Recht bezeichnend


kein Ansehen der Person. Dies letztere mag ein Grund mit gewesen sein, daß
sich bei den jüngeren Brüdern, namentlich bei Heinrich, schon frühzeitig eine
gewisse Verstimmung gegen den König einstellte. Diese Verstimmung nahm
von der Stunde ab einen ernsten Charakter an, wo im Bautzener Lager
Friedrichs ganzer Zorn sich über den Prinzen von Preußen ergoß. August
Wilhelm, Prinz von Preußen, eine durch Gaben des Herzens und Verstandes
ungewöhnlich bevorzugte Natur, war von Hanse aus entschieden der Lieblings-
brnder Friedrich des Großen. Wir erinnern nur an die ihm geweihte poetische
Epistel vom Jahre 1738. Auch als Truppeuführer hatte Friedrich eine sehr
günstige Meinung von ihm. Diesem Prinzen übertrug der König, nach der
unglücklichen Schlacht bei Kollin am 18. Juni 1757, denjenigen Heerestheil,
der sich aus Böhmen langsam nach der Lausitz zurückziehen sollte. Der
Auftrag gehört zu den schwierigsten, denn überall drängten die Feinde nach,
dabei herrschte unter den Generalen keine Einigkeit; gegen Winterfeld, der dem
Prinzen als Rathgeber beigegeben war, hatte dieser ein entschiedenes Mi߬
trauen. Dazu kam noch, daß der Prinz gegen den ganzen Krieg überhaupt
eingenommen war und nach der Niederlage von Kollin in eine unheilvolle
Zukunft sah, so daß er gleich von Hanse aus mit wenig Zuversicht den Auftrag
übernahm. Dies Alles war von unheilvollen Einfluß auf die Führung, und
am 29. Juli kam die Armee in der traurigsten Verfassung bei Bautzen an.
Friedrich überhäufte seinen Bruder und die Generale, Winterfeld ausgenommen,
mit schonungslosem Tadel. Der Prinz von Preußen verließ tief erschüttert
die Armee, zog sich in den Kreis seiner Familie nach Oranienburg zurück
und starb schon den 12. Juni 1758. Wie man vielfach behauptete, hatte der
Gram ihm das Herz gebrochen. Der König wurde durch den Tod seines
Bruders in tiefe Trauer versetzt und wandte seine ganze Liebe und Sorgfalt
dessen Hinterbliebenen Kindern zu.

Es ist nicht zu leugnen, Friedrich der Große war wenig glimpflich, viel¬
leicht hart gegen seinen Bruder verfahren; man denke sich jedoch in seine ver¬
zweifelte Lage und in die dadurch erzeugte Stimmung hinein. Beides kommt
mit aller Schürfe zum Ausdruck in einem Antwortschreiben des Königs an
seinen Bruder bald uach der Bautzener Katastrophe; darin heißt es unter
anderem: „Ihr ungeschicktes Benehmen hat meine Umstände fehr zerrüttet. Nicht
der Feind, sondern Ihre übelgewählten Maßregeln sind es, die mir all dies
Unglück zuziehen. In dieser traurigen Lage bleibt mir nichts anderes übrig,
als das Aeußerste zu wagen. Ich werde angreifen und wenn wir nicht siegen
können, so wollen wir uns Alle todtschießen lassen." Friedrich muthete in den
Zeiten der Gefahr seinen Brüdern überhaupt mehr als irgend einem anderen der
Diener des Staates zu, sich selber aber sicher am meisten. Recht bezeichnend


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Zitationshilfe: Die Grenzboten. Jg. 37, 1878, I. Semester. I. Band, S. . In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/grenzboten_341827_157649/175>, abgerufen am 20.10.2024.