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Die Grenzboten. Jg. 37, 1878, I. Semester. I. Band.

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und die Ziele zu bestimmen, die erreicht werden sollten. Er war das aus¬
führende Organ seines großen Bruders; die Art und Weise jedoch, wie. er die
ihm ertheilten Aufträge ausführte, wie er alle Umstände zu benutzen und
Schwierigkeiten zu überwinden wußte, um, je nachdem, die Rolle des Fabius
oder des Cäsar zu spielen, dies Alles verschafft ihm unzweifelhaft die erste
Stelle unter den Schwertpaladinen Friedrichs des Großen, immerhin bleibt
er aber nur ein dienendes Glied des großen Meisters.

Noch einmal war Prinz Heinrich berufen an die Spitze eines Heeres zu
treten. Im Bairischen Erbfolgekrieg, den Laudon "uno enievus 6e sugrrs
Politikus" nannte, gab es keine Lorbeeren zu pflücke", aber in Allem, was
von ihm abhing hat er sich auch hier als ein ebenso einsichtsvoller, wie nament¬
lich auch menschlicher Feldherr bewährt.

Wenn sich auch im Herzen des Prinzen Heinrich eine Verstimmung gegen
seinen großen Bruder festsetzte, eine Verstimmung die zur Abneigung wuchs,
und auf die wir später wieder zurückkommen werden, so sehen wir ihn nichts¬
destoweniger, so bald der Ruf an ihn ergeht, sich mit patriotischem Eiser dem
Dienste des Staates widmen.

Friedrich der Große verwandte seinen Bruder wiederholt zu diplomatischen
Sendungen. Die wichtigste ist die nach Petersburg, an den Hof der Kaiserin
Katharina im Jahre 1770, nicht, wie ausdrücklich bemerkt wird, mit einem
Projekt zur Theilung Polens in der Tasche, sondern als Friedensvermittler.
Friedrich der Große hatte ein ganz wesentliches Interesse daran, den zwischen
Rußland und der Pforte ausgebrochenen Krieg beendet zu sehen. Zunächst
hatte er die Befürchtung, es mochte ein größerer Brand daraus entstehen,
außerdem lasteten aber auch die vertragsmäßig während des Krieges jährlich
zu zahlenden 400,000 Rubel auf der Staatskasse. Friede ist die Losung
Friedrichs und in seinen Briefen an den Prinzen Heinrich ist er unerschöpflich
in den Gründen für denselben. Wenn es auch selbstverständlich im Interesse
des Königs lag, die trostlosen Zustände in Polen beendet zu sehen, so war
doch von einem Auftrage des Prinzen Heinrich, Unterhandlungen wegen einer
Theilung dieses Landes einzuleiten, auch nicht im entferntesten die Rede.*)
Erst nachdem Oesterreich einzelne Distrikte Polens in Besitz genommen und
sich namentlich der wichtigen Salzwerke von Wiliezka und Bochina bemächtigt
hatte, kam während der Anwesenheit Heinrichs in Petersburg ein Theilungs¬
projekt in Anregung. Am 17. Februar 1771 kehrte Prinz Heinrich wieder
nach Berlin zurück und kurze Zeit darauf erhielt der preußische Gesandte in
Petersburg den ersten Auftrag, wegen einer Theilung Polens die erforderlichen



*) "Die erste Theilung Polens" von Adolf Beer. Wien 1873.

und die Ziele zu bestimmen, die erreicht werden sollten. Er war das aus¬
führende Organ seines großen Bruders; die Art und Weise jedoch, wie. er die
ihm ertheilten Aufträge ausführte, wie er alle Umstände zu benutzen und
Schwierigkeiten zu überwinden wußte, um, je nachdem, die Rolle des Fabius
oder des Cäsar zu spielen, dies Alles verschafft ihm unzweifelhaft die erste
Stelle unter den Schwertpaladinen Friedrichs des Großen, immerhin bleibt
er aber nur ein dienendes Glied des großen Meisters.

Noch einmal war Prinz Heinrich berufen an die Spitze eines Heeres zu
treten. Im Bairischen Erbfolgekrieg, den Laudon „uno enievus 6e sugrrs
Politikus" nannte, gab es keine Lorbeeren zu pflücke», aber in Allem, was
von ihm abhing hat er sich auch hier als ein ebenso einsichtsvoller, wie nament¬
lich auch menschlicher Feldherr bewährt.

Wenn sich auch im Herzen des Prinzen Heinrich eine Verstimmung gegen
seinen großen Bruder festsetzte, eine Verstimmung die zur Abneigung wuchs,
und auf die wir später wieder zurückkommen werden, so sehen wir ihn nichts¬
destoweniger, so bald der Ruf an ihn ergeht, sich mit patriotischem Eiser dem
Dienste des Staates widmen.

Friedrich der Große verwandte seinen Bruder wiederholt zu diplomatischen
Sendungen. Die wichtigste ist die nach Petersburg, an den Hof der Kaiserin
Katharina im Jahre 1770, nicht, wie ausdrücklich bemerkt wird, mit einem
Projekt zur Theilung Polens in der Tasche, sondern als Friedensvermittler.
Friedrich der Große hatte ein ganz wesentliches Interesse daran, den zwischen
Rußland und der Pforte ausgebrochenen Krieg beendet zu sehen. Zunächst
hatte er die Befürchtung, es mochte ein größerer Brand daraus entstehen,
außerdem lasteten aber auch die vertragsmäßig während des Krieges jährlich
zu zahlenden 400,000 Rubel auf der Staatskasse. Friede ist die Losung
Friedrichs und in seinen Briefen an den Prinzen Heinrich ist er unerschöpflich
in den Gründen für denselben. Wenn es auch selbstverständlich im Interesse
des Königs lag, die trostlosen Zustände in Polen beendet zu sehen, so war
doch von einem Auftrage des Prinzen Heinrich, Unterhandlungen wegen einer
Theilung dieses Landes einzuleiten, auch nicht im entferntesten die Rede.*)
Erst nachdem Oesterreich einzelne Distrikte Polens in Besitz genommen und
sich namentlich der wichtigen Salzwerke von Wiliezka und Bochina bemächtigt
hatte, kam während der Anwesenheit Heinrichs in Petersburg ein Theilungs¬
projekt in Anregung. Am 17. Februar 1771 kehrte Prinz Heinrich wieder
nach Berlin zurück und kurze Zeit darauf erhielt der preußische Gesandte in
Petersburg den ersten Auftrag, wegen einer Theilung Polens die erforderlichen



*) „Die erste Theilung Polens" von Adolf Beer. Wien 1873.
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[0173] und die Ziele zu bestimmen, die erreicht werden sollten. Er war das aus¬ führende Organ seines großen Bruders; die Art und Weise jedoch, wie. er die ihm ertheilten Aufträge ausführte, wie er alle Umstände zu benutzen und Schwierigkeiten zu überwinden wußte, um, je nachdem, die Rolle des Fabius oder des Cäsar zu spielen, dies Alles verschafft ihm unzweifelhaft die erste Stelle unter den Schwertpaladinen Friedrichs des Großen, immerhin bleibt er aber nur ein dienendes Glied des großen Meisters. Noch einmal war Prinz Heinrich berufen an die Spitze eines Heeres zu treten. Im Bairischen Erbfolgekrieg, den Laudon „uno enievus 6e sugrrs Politikus" nannte, gab es keine Lorbeeren zu pflücke», aber in Allem, was von ihm abhing hat er sich auch hier als ein ebenso einsichtsvoller, wie nament¬ lich auch menschlicher Feldherr bewährt. Wenn sich auch im Herzen des Prinzen Heinrich eine Verstimmung gegen seinen großen Bruder festsetzte, eine Verstimmung die zur Abneigung wuchs, und auf die wir später wieder zurückkommen werden, so sehen wir ihn nichts¬ destoweniger, so bald der Ruf an ihn ergeht, sich mit patriotischem Eiser dem Dienste des Staates widmen. Friedrich der Große verwandte seinen Bruder wiederholt zu diplomatischen Sendungen. Die wichtigste ist die nach Petersburg, an den Hof der Kaiserin Katharina im Jahre 1770, nicht, wie ausdrücklich bemerkt wird, mit einem Projekt zur Theilung Polens in der Tasche, sondern als Friedensvermittler. Friedrich der Große hatte ein ganz wesentliches Interesse daran, den zwischen Rußland und der Pforte ausgebrochenen Krieg beendet zu sehen. Zunächst hatte er die Befürchtung, es mochte ein größerer Brand daraus entstehen, außerdem lasteten aber auch die vertragsmäßig während des Krieges jährlich zu zahlenden 400,000 Rubel auf der Staatskasse. Friede ist die Losung Friedrichs und in seinen Briefen an den Prinzen Heinrich ist er unerschöpflich in den Gründen für denselben. Wenn es auch selbstverständlich im Interesse des Königs lag, die trostlosen Zustände in Polen beendet zu sehen, so war doch von einem Auftrage des Prinzen Heinrich, Unterhandlungen wegen einer Theilung dieses Landes einzuleiten, auch nicht im entferntesten die Rede.*) Erst nachdem Oesterreich einzelne Distrikte Polens in Besitz genommen und sich namentlich der wichtigen Salzwerke von Wiliezka und Bochina bemächtigt hatte, kam während der Anwesenheit Heinrichs in Petersburg ein Theilungs¬ projekt in Anregung. Am 17. Februar 1771 kehrte Prinz Heinrich wieder nach Berlin zurück und kurze Zeit darauf erhielt der preußische Gesandte in Petersburg den ersten Auftrag, wegen einer Theilung Polens die erforderlichen *) „Die erste Theilung Polens" von Adolf Beer. Wien 1873.

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Zitationshilfe: Die Grenzboten. Jg. 37, 1878, I. Semester. I. Band, S. . In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/grenzboten_341827_157649/173>, abgerufen am 20.10.2024.