Die Grenzboten. Jg. 37, 1878, I. Semester. I. Band.Das von vornherein nicht mit unbedingtem Vertrauen betrachtete Ministerium Das von vornherein nicht mit unbedingtem Vertrauen betrachtete Ministerium <TEI> <text> <body> <div> <div n="1"> <pb facs="#f0158" corresp="http://brema.suub.uni-bremen.de/grenzboten/periodical/pageview/139451"/> <p xml:id="ID_458" prev="#ID_457" next="#ID_459"> Das von vornherein nicht mit unbedingtem Vertrauen betrachtete Ministerium<lb/> Turban-Stösser fühlte, wie es scheint, das Bedürfniß, bis zum Zusammen¬<lb/> tritt des Landtags die öffentliche Meinung wenigstens einigermaßen für sich<lb/> zu gewinnen. Die Affaire Glattfelder-Balg, welche der Präsident des Mini¬<lb/> steriums des Innern in einer der Wahrung der Staatsautorität wenig ent¬<lb/> sprechenden Weise „erledigt" hatte (vgl. Grenzboten 1877 Ur. 10), war der<lb/> Förderung des Vertrauens zu dem Ministerium nicht sehr dienlich gewesen<lb/> Ein journalistischer Handel sodann über diesen Fall zwischen der „Bad. Kor-<lb/> resp.", dem offiziellen Organ des national-liberalen Landesansschusses, und<lb/> einem Karlsruher Korrespondenten des ministeriellen „Manus. Journal", der<lb/> die Parteien schließlich vor die Schranken des Gerichtshofs führte und mit<lb/> der Verurtheilung des Karlsruher Korrespondenten endigte, welcher der durch<lb/> die Presse begangenen Beleidigung des Vorstandes des national-liberalen<lb/> Landesansschusses, des Abgeordneten Kiefer, für schuldig erklärt worden war,<lb/> rief eine gewisse Spannung zwischen der Regierung und der national-liberalen<lb/> Partei hervor. Es war die Annahme verbreitet, daß die moralische Verant¬<lb/> wortlichkeit für den persönlichen Angriff auf den hochgeachteten Vorstand des<lb/> national-liberalen Landesausschusses uicht ausschließlich von dem betreffenden<lb/> Korrespondenten des „Manus. Journal", einem vordem in weiteren Kreisen<lb/> nicht gekannten Beamten des Generallandesarchivs, zu tragen sei. Endlich<lb/> konnten sich einige in absoluter Ergebenheit ersterbende ministerielle Pre߬<lb/> organe nicht versagen, die „neue Methode", die „mehr wirthschaftliche Aera",<lb/> welche das Ministerium Turban-Stösser anwenden und heraufführen werde,<lb/> in einer Weise Parade zu reiten, die sowohl für das zurückgetretene Ministerium<lb/> Jolly, als auch für die den Gang der bisherigen „Methode" und „Aera",<lb/> verantwortliche nationale und liberale Partei verletzend sein mußte. Ist doch<lb/> z. B. das famose Wort vou der „Gesetzesfabrikatiou", wie man die eine un¬<lb/> abweisbare Fülle von sich drängenden Aufgaben bewältigende legislatorische<lb/> Thätigkeit der vorhergegangen Jahre zu nennen beliebte, nicht etwa auf dem<lb/> Redaktionsbüreau des ultramontanen „Bad, Beob." gewachsen» Solches<lb/> Alles war weder erquicklich, noch konnte es für geeignet erachtet werden, ein<lb/> gutes Vernehmen zwischen der Regierung und der nationalliberalen Partei<lb/> herzustellen. Die Regierung wäre gewiß gerne vor einem und dem anderen<lb/> ihrer schreibseligen Freunde bewahrt geblieben. Aber bis zur Stunde hangen<lb/> sie ihr wie die Kletten an. Daß sie ihre Sache immer geschickt machen, könnten<lb/> wir nicht sagen. Recht ungeschickt z. B. mußten wir es finden, daß ein solcher<lb/> „Freund" zur Zeit der Landtagswahlen gegen den „Fraktionszwang" zu Felde<lb/> zog. Man erinnerte sich da, daß der jetzige Präsident des Ministeriums, der des<lb/> Junern auf dem vorigen Landtag aus der national-liberalen Fraktion aus-</p><lb/> </div> </div> </body> </text> </TEI> [0158]
Das von vornherein nicht mit unbedingtem Vertrauen betrachtete Ministerium
Turban-Stösser fühlte, wie es scheint, das Bedürfniß, bis zum Zusammen¬
tritt des Landtags die öffentliche Meinung wenigstens einigermaßen für sich
zu gewinnen. Die Affaire Glattfelder-Balg, welche der Präsident des Mini¬
steriums des Innern in einer der Wahrung der Staatsautorität wenig ent¬
sprechenden Weise „erledigt" hatte (vgl. Grenzboten 1877 Ur. 10), war der
Förderung des Vertrauens zu dem Ministerium nicht sehr dienlich gewesen
Ein journalistischer Handel sodann über diesen Fall zwischen der „Bad. Kor-
resp.", dem offiziellen Organ des national-liberalen Landesansschusses, und
einem Karlsruher Korrespondenten des ministeriellen „Manus. Journal", der
die Parteien schließlich vor die Schranken des Gerichtshofs führte und mit
der Verurtheilung des Karlsruher Korrespondenten endigte, welcher der durch
die Presse begangenen Beleidigung des Vorstandes des national-liberalen
Landesansschusses, des Abgeordneten Kiefer, für schuldig erklärt worden war,
rief eine gewisse Spannung zwischen der Regierung und der national-liberalen
Partei hervor. Es war die Annahme verbreitet, daß die moralische Verant¬
wortlichkeit für den persönlichen Angriff auf den hochgeachteten Vorstand des
national-liberalen Landesausschusses uicht ausschließlich von dem betreffenden
Korrespondenten des „Manus. Journal", einem vordem in weiteren Kreisen
nicht gekannten Beamten des Generallandesarchivs, zu tragen sei. Endlich
konnten sich einige in absoluter Ergebenheit ersterbende ministerielle Pre߬
organe nicht versagen, die „neue Methode", die „mehr wirthschaftliche Aera",
welche das Ministerium Turban-Stösser anwenden und heraufführen werde,
in einer Weise Parade zu reiten, die sowohl für das zurückgetretene Ministerium
Jolly, als auch für die den Gang der bisherigen „Methode" und „Aera",
verantwortliche nationale und liberale Partei verletzend sein mußte. Ist doch
z. B. das famose Wort vou der „Gesetzesfabrikatiou", wie man die eine un¬
abweisbare Fülle von sich drängenden Aufgaben bewältigende legislatorische
Thätigkeit der vorhergegangen Jahre zu nennen beliebte, nicht etwa auf dem
Redaktionsbüreau des ultramontanen „Bad, Beob." gewachsen» Solches
Alles war weder erquicklich, noch konnte es für geeignet erachtet werden, ein
gutes Vernehmen zwischen der Regierung und der nationalliberalen Partei
herzustellen. Die Regierung wäre gewiß gerne vor einem und dem anderen
ihrer schreibseligen Freunde bewahrt geblieben. Aber bis zur Stunde hangen
sie ihr wie die Kletten an. Daß sie ihre Sache immer geschickt machen, könnten
wir nicht sagen. Recht ungeschickt z. B. mußten wir es finden, daß ein solcher
„Freund" zur Zeit der Landtagswahlen gegen den „Fraktionszwang" zu Felde
zog. Man erinnerte sich da, daß der jetzige Präsident des Ministeriums, der des
Junern auf dem vorigen Landtag aus der national-liberalen Fraktion aus-
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