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Die Grenzboten. Jg. 37, 1878, I. Semester. I. Band.

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dramatische. Seine Nibelungenbilder, in denen er zugleich sein ungewöhn¬
liches Kompositionstalent in der glänzendsten Weise entfaltete, sind der Beleg
dafür. Nur der antike Klassieismus blieb seinem durch und durch romantischen
und innerlichen Wesen fremd.

Schmorrs Vater, dessen Familie den Adclsuamen von Carolsfeld nach
dem gleichnamigen Orte bei Schneeberg im sächsischen Erzgebirge führte, war
Lehrer an der Leipziger Kunstakademie, als ihm am 26. März 1794 ein Sohn,
unser Maler, geboren wurde. Hans Veit Schmorr, der 180"> zum Direktor
der Akademie ernannt wurde, war selbst kein hervorragender Künstler, aber
von entscheidenden und förderlichem Einfluß auf seine Kinder, die sich sämmt¬
lich der Kunst widmeten. Julius Schuorr ging im Jahre 1811 nach Wien,
um an der dortigen Akademie, die sich damals eines großen Ansehens erfreute,
seine Ausbildung zu vollenden. Ein Jahr vorher war Overbeck, der in seiner
Opposition gegen die Leitung der Akademie und den in ihr herrschenden Geist
relegirt worden war, nach Rom gegangen; aber er hatte einen Kreis von Ge¬
sinnungsgenossen zurückgelassen, der sich um die Brüder Friedrich und Fer¬
dinand von Olivier schaarte und in den der junge Schmorr eintrat. Auch er
sah bald ein, daß die auf der Akademie maßgebende Richtung nicht die seinige
werden konnte. David und Mengs waren die Ideale, denen man dort nach¬
eiferte. Das hohle, theatralische Pathos des einen und die verschwommene
Farbensinnlichkeit des anderen waren dein jungen Künstler in gleicher Weise
antipathisch. Wie früher Overbeck wandte auch er sich bald in bewußter Oppo¬
sition gegen die Kunst des 18. Jahrhunderts zuerst der deutschen und nieder¬
ländischen, dann der italienischen Malerei des Quattrocento zu, deren fromme
Innigkeit, deren naives Verhältniß der Natur gegenüber seinem eigenen Naturel
entsprachen. Bei Gelegenheit eines Künstlerfestes in München im Jahre 1844
hat Schmorr im Kreise seiner Schüler und Freunde eine später von Riegel
veröffentlichte Rede gehalten, in welcher er gewissermaßen für künstlerisches
Glaubensbekenntnis; ablegt und zugleich ein interessantes Streiflicht auf die Kunst-
verhältnisse seiner Jugend fallen läßt. "Unsere Führer, sagt er, erkannten die
Wahrheit in des Wortes tiefster Bedeutung, sie kannte" auch das Element der
Farbe, des der Malerei allein eigeuthünllichen und nnr ihr zugewiesenen
Trägers des allgemeinen Kunstgeistes, wenn sie dieses Darstellungsmittel auch
nicht beherrschten. Sie kannten die alten Meisterwerke und verstanden nament¬
lich die noch immer unerreichten Leistungen der venezianischen Schule, die
neben der Farbe uoch durch eine das gestimmte Kunstgebiet durchdringende und
belebende schöpferische Kraft getragen werden.

Wo aber hätten sie die Werkstätte finden können, in welcher ihnen das
gelehrt worden wäre, was man allerdings lernen mich, wenn man ein Maler


dramatische. Seine Nibelungenbilder, in denen er zugleich sein ungewöhn¬
liches Kompositionstalent in der glänzendsten Weise entfaltete, sind der Beleg
dafür. Nur der antike Klassieismus blieb seinem durch und durch romantischen
und innerlichen Wesen fremd.

Schmorrs Vater, dessen Familie den Adclsuamen von Carolsfeld nach
dem gleichnamigen Orte bei Schneeberg im sächsischen Erzgebirge führte, war
Lehrer an der Leipziger Kunstakademie, als ihm am 26. März 1794 ein Sohn,
unser Maler, geboren wurde. Hans Veit Schmorr, der 180"> zum Direktor
der Akademie ernannt wurde, war selbst kein hervorragender Künstler, aber
von entscheidenden und förderlichem Einfluß auf seine Kinder, die sich sämmt¬
lich der Kunst widmeten. Julius Schuorr ging im Jahre 1811 nach Wien,
um an der dortigen Akademie, die sich damals eines großen Ansehens erfreute,
seine Ausbildung zu vollenden. Ein Jahr vorher war Overbeck, der in seiner
Opposition gegen die Leitung der Akademie und den in ihr herrschenden Geist
relegirt worden war, nach Rom gegangen; aber er hatte einen Kreis von Ge¬
sinnungsgenossen zurückgelassen, der sich um die Brüder Friedrich und Fer¬
dinand von Olivier schaarte und in den der junge Schmorr eintrat. Auch er
sah bald ein, daß die auf der Akademie maßgebende Richtung nicht die seinige
werden konnte. David und Mengs waren die Ideale, denen man dort nach¬
eiferte. Das hohle, theatralische Pathos des einen und die verschwommene
Farbensinnlichkeit des anderen waren dein jungen Künstler in gleicher Weise
antipathisch. Wie früher Overbeck wandte auch er sich bald in bewußter Oppo¬
sition gegen die Kunst des 18. Jahrhunderts zuerst der deutschen und nieder¬
ländischen, dann der italienischen Malerei des Quattrocento zu, deren fromme
Innigkeit, deren naives Verhältniß der Natur gegenüber seinem eigenen Naturel
entsprachen. Bei Gelegenheit eines Künstlerfestes in München im Jahre 1844
hat Schmorr im Kreise seiner Schüler und Freunde eine später von Riegel
veröffentlichte Rede gehalten, in welcher er gewissermaßen für künstlerisches
Glaubensbekenntnis; ablegt und zugleich ein interessantes Streiflicht auf die Kunst-
verhältnisse seiner Jugend fallen läßt. „Unsere Führer, sagt er, erkannten die
Wahrheit in des Wortes tiefster Bedeutung, sie kannte» auch das Element der
Farbe, des der Malerei allein eigeuthünllichen und nnr ihr zugewiesenen
Trägers des allgemeinen Kunstgeistes, wenn sie dieses Darstellungsmittel auch
nicht beherrschten. Sie kannten die alten Meisterwerke und verstanden nament¬
lich die noch immer unerreichten Leistungen der venezianischen Schule, die
neben der Farbe uoch durch eine das gestimmte Kunstgebiet durchdringende und
belebende schöpferische Kraft getragen werden.

Wo aber hätten sie die Werkstätte finden können, in welcher ihnen das
gelehrt worden wäre, was man allerdings lernen mich, wenn man ein Maler


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[0149] dramatische. Seine Nibelungenbilder, in denen er zugleich sein ungewöhn¬ liches Kompositionstalent in der glänzendsten Weise entfaltete, sind der Beleg dafür. Nur der antike Klassieismus blieb seinem durch und durch romantischen und innerlichen Wesen fremd. Schmorrs Vater, dessen Familie den Adclsuamen von Carolsfeld nach dem gleichnamigen Orte bei Schneeberg im sächsischen Erzgebirge führte, war Lehrer an der Leipziger Kunstakademie, als ihm am 26. März 1794 ein Sohn, unser Maler, geboren wurde. Hans Veit Schmorr, der 180"> zum Direktor der Akademie ernannt wurde, war selbst kein hervorragender Künstler, aber von entscheidenden und förderlichem Einfluß auf seine Kinder, die sich sämmt¬ lich der Kunst widmeten. Julius Schuorr ging im Jahre 1811 nach Wien, um an der dortigen Akademie, die sich damals eines großen Ansehens erfreute, seine Ausbildung zu vollenden. Ein Jahr vorher war Overbeck, der in seiner Opposition gegen die Leitung der Akademie und den in ihr herrschenden Geist relegirt worden war, nach Rom gegangen; aber er hatte einen Kreis von Ge¬ sinnungsgenossen zurückgelassen, der sich um die Brüder Friedrich und Fer¬ dinand von Olivier schaarte und in den der junge Schmorr eintrat. Auch er sah bald ein, daß die auf der Akademie maßgebende Richtung nicht die seinige werden konnte. David und Mengs waren die Ideale, denen man dort nach¬ eiferte. Das hohle, theatralische Pathos des einen und die verschwommene Farbensinnlichkeit des anderen waren dein jungen Künstler in gleicher Weise antipathisch. Wie früher Overbeck wandte auch er sich bald in bewußter Oppo¬ sition gegen die Kunst des 18. Jahrhunderts zuerst der deutschen und nieder¬ ländischen, dann der italienischen Malerei des Quattrocento zu, deren fromme Innigkeit, deren naives Verhältniß der Natur gegenüber seinem eigenen Naturel entsprachen. Bei Gelegenheit eines Künstlerfestes in München im Jahre 1844 hat Schmorr im Kreise seiner Schüler und Freunde eine später von Riegel veröffentlichte Rede gehalten, in welcher er gewissermaßen für künstlerisches Glaubensbekenntnis; ablegt und zugleich ein interessantes Streiflicht auf die Kunst- verhältnisse seiner Jugend fallen läßt. „Unsere Führer, sagt er, erkannten die Wahrheit in des Wortes tiefster Bedeutung, sie kannte» auch das Element der Farbe, des der Malerei allein eigeuthünllichen und nnr ihr zugewiesenen Trägers des allgemeinen Kunstgeistes, wenn sie dieses Darstellungsmittel auch nicht beherrschten. Sie kannten die alten Meisterwerke und verstanden nament¬ lich die noch immer unerreichten Leistungen der venezianischen Schule, die neben der Farbe uoch durch eine das gestimmte Kunstgebiet durchdringende und belebende schöpferische Kraft getragen werden. Wo aber hätten sie die Werkstätte finden können, in welcher ihnen das gelehrt worden wäre, was man allerdings lernen mich, wenn man ein Maler

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Zitationshilfe: Die Grenzboten. Jg. 37, 1878, I. Semester. I. Band, S. . In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/grenzboten_341827_157649/149>, abgerufen am 19.10.2024.