Anmelden (DTAQ) DWDS     dlexDB     CLARIN-D

Die Grenzboten. Jg. 37, 1878, I. Semester. I. Band.

Bild:
<< vorherige Seite

Verpflichtung zum Reiterdienst ebenso wie in Sparta gewissermaßen als Liturgie,
was sich auch darin ausspricht, daß die Ritter nicht nur im Kriege, soudern
auch zu Friedenszeiien von Staats wegen verwendet wurden, namentlich
zu den festlichen Prozessionen der Panatheäen, bei denen sie feierlich aufzuziehen
hatten- Der berühmte Fries von Parthenon enthält eine Darstellung dieser
paradirenden Reiterei.

Besondere Sorgfalt wendete Athen der Flotte zu. Jährlich ward auf
Anordnung des Raths eine gewisse Zahl von Schiffen neu gebaut; die
vorhandenen und alles zu ihrer Ausrüstung erforderliche Material bewahrte
man unter Aufsicht einer besonderen Behörde in den Docks auf. Von dieser
erhielten die Trierarchen, die Schiffsführer, ihre Fahrzeuge; ihr hatten sie die¬
selben wieder abzuliefern.

Den Befehl über die Flotte führten die Strategen. Der nautische Befehls¬
haber jedes Schiffes war der Trierarch, welcher die Ausrüstung des Schiffes
als Liturgie zu besorgen gehabt hatte. Ihm unterstanden die Matrosen und
Ruderer. Die Seesoldaten wurden von besonderen Führern befehligt.

Was die Bewaffnung der attischen Heere betraf, so herrschte bei ihren
Hopliten die, ja schon von den achäisch-homerischen Helden getragene Platten¬
rüstung viel früher vor, als bei den dorischen Spartanern. Die Vasenbilder
wie das Denkmal des bei Marathon gefallenen Aristion bezeugen das. Die
Tracht scheint sehr farbenreich gewesen zu sein. *)

Ueberblicke man die Gesammtheit der attischen Verhältnisse und vergleicht
sie mit denen Lakoniens, so ergibt sich, daß von Kastengegensätzen auf dem
Boden Attikas uicht gesprocheu werdeu kann; denn trotz der lang währenden
aristokratischen Abgeschlossenheit der Eupatriden sind sie doch kein stammver¬
schiedenes Herrschervolk wie die Spartiaten.

Aber die Jonier waren ein handeltreibender, seefahrender Stamm, und man
sollte daher meinen, ihre Entwickelung müsse ähnlich gewesen sein wie die der
Karthager. In der That nimmt denn auch die Marine bei ihnen wie bei den
Puniern die hervorragende Stellung ein; aber nicht mit gewordenen Mieth¬
lingen bemannen die Athener ihre Schiffe; ihre Schlachten schlagen die freien
Bürger des Staats. Das ist der ideale Zug hellenischer Natur! Und doch,
scheint es nicht wieder ganz dem Geldsinne eines handeltreibenden Volkes zu
entsprechen, wenn die solonische, nach dem Vermögen durchgeführte bürger¬
liche Klasseneintheilung zugleich auch als Grundlage galt für die Kriegsver-



*) Die Darstellung gründet sich vorzugsweise auf die Werke von Schoemann, Ernst
Curtius, Max Dunker, Hera. Göll.

Verpflichtung zum Reiterdienst ebenso wie in Sparta gewissermaßen als Liturgie,
was sich auch darin ausspricht, daß die Ritter nicht nur im Kriege, soudern
auch zu Friedenszeiien von Staats wegen verwendet wurden, namentlich
zu den festlichen Prozessionen der Panatheäen, bei denen sie feierlich aufzuziehen
hatten- Der berühmte Fries von Parthenon enthält eine Darstellung dieser
paradirenden Reiterei.

Besondere Sorgfalt wendete Athen der Flotte zu. Jährlich ward auf
Anordnung des Raths eine gewisse Zahl von Schiffen neu gebaut; die
vorhandenen und alles zu ihrer Ausrüstung erforderliche Material bewahrte
man unter Aufsicht einer besonderen Behörde in den Docks auf. Von dieser
erhielten die Trierarchen, die Schiffsführer, ihre Fahrzeuge; ihr hatten sie die¬
selben wieder abzuliefern.

Den Befehl über die Flotte führten die Strategen. Der nautische Befehls¬
haber jedes Schiffes war der Trierarch, welcher die Ausrüstung des Schiffes
als Liturgie zu besorgen gehabt hatte. Ihm unterstanden die Matrosen und
Ruderer. Die Seesoldaten wurden von besonderen Führern befehligt.

Was die Bewaffnung der attischen Heere betraf, so herrschte bei ihren
Hopliten die, ja schon von den achäisch-homerischen Helden getragene Platten¬
rüstung viel früher vor, als bei den dorischen Spartanern. Die Vasenbilder
wie das Denkmal des bei Marathon gefallenen Aristion bezeugen das. Die
Tracht scheint sehr farbenreich gewesen zu sein. *)

Ueberblicke man die Gesammtheit der attischen Verhältnisse und vergleicht
sie mit denen Lakoniens, so ergibt sich, daß von Kastengegensätzen auf dem
Boden Attikas uicht gesprocheu werdeu kann; denn trotz der lang währenden
aristokratischen Abgeschlossenheit der Eupatriden sind sie doch kein stammver¬
schiedenes Herrschervolk wie die Spartiaten.

Aber die Jonier waren ein handeltreibender, seefahrender Stamm, und man
sollte daher meinen, ihre Entwickelung müsse ähnlich gewesen sein wie die der
Karthager. In der That nimmt denn auch die Marine bei ihnen wie bei den
Puniern die hervorragende Stellung ein; aber nicht mit gewordenen Mieth¬
lingen bemannen die Athener ihre Schiffe; ihre Schlachten schlagen die freien
Bürger des Staats. Das ist der ideale Zug hellenischer Natur! Und doch,
scheint es nicht wieder ganz dem Geldsinne eines handeltreibenden Volkes zu
entsprechen, wenn die solonische, nach dem Vermögen durchgeführte bürger¬
liche Klasseneintheilung zugleich auch als Grundlage galt für die Kriegsver-



*) Die Darstellung gründet sich vorzugsweise auf die Werke von Schoemann, Ernst
Curtius, Max Dunker, Hera. Göll.
<TEI>
  <text>
    <body>
      <div>
        <div n="1">
          <div n="2">
            <pb facs="#f0106" corresp="http://brema.suub.uni-bremen.de/grenzboten/periodical/pageview/139399"/>
            <p xml:id="ID_292" prev="#ID_291"> Verpflichtung zum Reiterdienst ebenso wie in Sparta gewissermaßen als Liturgie,<lb/>
was sich auch darin ausspricht, daß die Ritter nicht nur im Kriege, soudern<lb/>
auch zu Friedenszeiien von Staats wegen verwendet wurden, namentlich<lb/>
zu den festlichen Prozessionen der Panatheäen, bei denen sie feierlich aufzuziehen<lb/>
hatten- Der berühmte Fries von Parthenon enthält eine Darstellung dieser<lb/>
paradirenden Reiterei.</p><lb/>
            <p xml:id="ID_293"> Besondere Sorgfalt wendete Athen der Flotte zu. Jährlich ward auf<lb/>
Anordnung des Raths eine gewisse Zahl von Schiffen neu gebaut; die<lb/>
vorhandenen und alles zu ihrer Ausrüstung erforderliche Material bewahrte<lb/>
man unter Aufsicht einer besonderen Behörde in den Docks auf. Von dieser<lb/>
erhielten die Trierarchen, die Schiffsführer, ihre Fahrzeuge; ihr hatten sie die¬<lb/>
selben wieder abzuliefern.</p><lb/>
            <p xml:id="ID_294"> Den Befehl über die Flotte führten die Strategen. Der nautische Befehls¬<lb/>
haber jedes Schiffes war der Trierarch, welcher die Ausrüstung des Schiffes<lb/>
als Liturgie zu besorgen gehabt hatte. Ihm unterstanden die Matrosen und<lb/>
Ruderer. Die Seesoldaten wurden von besonderen Führern befehligt.</p><lb/>
            <p xml:id="ID_295"> Was die Bewaffnung der attischen Heere betraf, so herrschte bei ihren<lb/>
Hopliten die, ja schon von den achäisch-homerischen Helden getragene Platten¬<lb/>
rüstung viel früher vor, als bei den dorischen Spartanern. Die Vasenbilder<lb/>
wie das Denkmal des bei Marathon gefallenen Aristion bezeugen das. Die<lb/>
Tracht scheint sehr farbenreich gewesen zu sein. *)</p><lb/>
            <p xml:id="ID_296"> Ueberblicke man die Gesammtheit der attischen Verhältnisse und vergleicht<lb/>
sie mit denen Lakoniens, so ergibt sich, daß von Kastengegensätzen auf dem<lb/>
Boden Attikas uicht gesprocheu werdeu kann; denn trotz der lang währenden<lb/>
aristokratischen Abgeschlossenheit der Eupatriden sind sie doch kein stammver¬<lb/>
schiedenes Herrschervolk wie die Spartiaten.</p><lb/>
            <p xml:id="ID_297" next="#ID_298"> Aber die Jonier waren ein handeltreibender, seefahrender Stamm, und man<lb/>
sollte daher meinen, ihre Entwickelung müsse ähnlich gewesen sein wie die der<lb/>
Karthager. In der That nimmt denn auch die Marine bei ihnen wie bei den<lb/>
Puniern die hervorragende Stellung ein; aber nicht mit gewordenen Mieth¬<lb/>
lingen bemannen die Athener ihre Schiffe; ihre Schlachten schlagen die freien<lb/>
Bürger des Staats. Das ist der ideale Zug hellenischer Natur! Und doch,<lb/>
scheint es nicht wieder ganz dem Geldsinne eines handeltreibenden Volkes zu<lb/>
entsprechen, wenn die solonische, nach dem Vermögen durchgeführte bürger¬<lb/>
liche Klasseneintheilung zugleich auch als Grundlage galt für die Kriegsver-</p><lb/>
            <note xml:id="FID_46" place="foot"> *) Die Darstellung gründet sich vorzugsweise auf die Werke von Schoemann, Ernst<lb/>
Curtius, Max Dunker, Hera. Göll.</note><lb/>
          </div>
        </div>
      </div>
    </body>
  </text>
</TEI>
[0106] Verpflichtung zum Reiterdienst ebenso wie in Sparta gewissermaßen als Liturgie, was sich auch darin ausspricht, daß die Ritter nicht nur im Kriege, soudern auch zu Friedenszeiien von Staats wegen verwendet wurden, namentlich zu den festlichen Prozessionen der Panatheäen, bei denen sie feierlich aufzuziehen hatten- Der berühmte Fries von Parthenon enthält eine Darstellung dieser paradirenden Reiterei. Besondere Sorgfalt wendete Athen der Flotte zu. Jährlich ward auf Anordnung des Raths eine gewisse Zahl von Schiffen neu gebaut; die vorhandenen und alles zu ihrer Ausrüstung erforderliche Material bewahrte man unter Aufsicht einer besonderen Behörde in den Docks auf. Von dieser erhielten die Trierarchen, die Schiffsführer, ihre Fahrzeuge; ihr hatten sie die¬ selben wieder abzuliefern. Den Befehl über die Flotte führten die Strategen. Der nautische Befehls¬ haber jedes Schiffes war der Trierarch, welcher die Ausrüstung des Schiffes als Liturgie zu besorgen gehabt hatte. Ihm unterstanden die Matrosen und Ruderer. Die Seesoldaten wurden von besonderen Führern befehligt. Was die Bewaffnung der attischen Heere betraf, so herrschte bei ihren Hopliten die, ja schon von den achäisch-homerischen Helden getragene Platten¬ rüstung viel früher vor, als bei den dorischen Spartanern. Die Vasenbilder wie das Denkmal des bei Marathon gefallenen Aristion bezeugen das. Die Tracht scheint sehr farbenreich gewesen zu sein. *) Ueberblicke man die Gesammtheit der attischen Verhältnisse und vergleicht sie mit denen Lakoniens, so ergibt sich, daß von Kastengegensätzen auf dem Boden Attikas uicht gesprocheu werdeu kann; denn trotz der lang währenden aristokratischen Abgeschlossenheit der Eupatriden sind sie doch kein stammver¬ schiedenes Herrschervolk wie die Spartiaten. Aber die Jonier waren ein handeltreibender, seefahrender Stamm, und man sollte daher meinen, ihre Entwickelung müsse ähnlich gewesen sein wie die der Karthager. In der That nimmt denn auch die Marine bei ihnen wie bei den Puniern die hervorragende Stellung ein; aber nicht mit gewordenen Mieth¬ lingen bemannen die Athener ihre Schiffe; ihre Schlachten schlagen die freien Bürger des Staats. Das ist der ideale Zug hellenischer Natur! Und doch, scheint es nicht wieder ganz dem Geldsinne eines handeltreibenden Volkes zu entsprechen, wenn die solonische, nach dem Vermögen durchgeführte bürger¬ liche Klasseneintheilung zugleich auch als Grundlage galt für die Kriegsver- *) Die Darstellung gründet sich vorzugsweise auf die Werke von Schoemann, Ernst Curtius, Max Dunker, Hera. Göll.

Informationen zum Werk

Download dieses Werks

XML (TEI P5) · HTML · Text
TCF (text annotation layer)

Metadaten zum Werk

TEI-Header · CMDI · Dublin Core

Ansichten dieser Seite

Feedback

Sie haben einen Fehler gefunden? Dann können Sie diesen über unsere Qualitätssicherungsplattform DTAQ melden.

Kommentar zur DTA-Ausgabe

Dieses Werk wurde im Rahmen des Moduls DTA-Erweiterungen (DTAE) digitalisiert. Weitere Informationen …

Staats- und Universitätsbibliothek (SuUB) Bremen: Bereitstellung der Texttranskription.
Kay-Michael Würzner: Bearbeitung der digitalen Edition.

Weitere Informationen:

Verfahren der Texterfassung: OCR mit Nachkorrektur.

Bogensignaturen: gekennzeichnet;Druckfehler: ignoriert;fremdsprachliches Material: nicht gekennzeichnet;Geminations-/Abkürzungsstriche: wie Vorlage;Hervorhebungen (Antiqua, Sperrschrift, Kursive etc.): nicht ausgezeichnet;i/j in Fraktur: wie Vorlage;I/J in Fraktur: wie Vorlage;Kolumnentitel: gekennzeichnet;Kustoden: gekennzeichnet;langes s (ſ): als s transkribiert;Normalisierungen: stillschweigend;rundes r (&#xa75b;): als r/et transkribiert;Seitenumbrüche markiert: ja;Silbentrennung: wie Vorlage;u/v bzw. U/V: wie Vorlage;Vokale mit übergest. e: als ä/ö/ü transkribiert;Vollständigkeit: vollständig erfasst;Zeichensetzung: wie Vorlage;Zeilenumbrüche markiert: ja;

Nachkorrektur erfolgte automatisch.




Ansicht auf Standard zurückstellen

URL zu diesem Werk: https://www.deutschestextarchiv.de/grenzboten_341827_157649
URL zu dieser Seite: https://www.deutschestextarchiv.de/grenzboten_341827_157649/106
Zitationshilfe: Die Grenzboten. Jg. 37, 1878, I. Semester. I. Band, S. . In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/grenzboten_341827_157649/106>, abgerufen am 27.09.2024.