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Die Grenzboten. Jg. 37, 1878, I. Semester. I. Band.

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Söhnen,, welche übrigens ebenso wie er selbst das Wesentliche der solonischen
Verfassung, nämlich die politisch-soziale Gruppirung des Volkes und die An¬
ordnung des Kriegswesens, bestehen ließen. Ernsthafter schienen diese Ein¬
richtungen dagegen bedroht, als nach dem Sturze der Tyrannen der Adel
unter Führung des Jsagvras eine Zeit lang die Oberhand gewann. Da
gelang es jedoch einem mächtigen Eupatriden, jene Adelspartei zu besiegen und
der Verfassung Solons eine breitere Basis zu verleihen. Es war Kleisthenes,
der die demokratische Entwickelung Mitas einleitete, indem er einer großen
Zahl ansässiger Nichtbürger, Meester und Freigelassenen, das Bürgerrecht ver¬
lieh und eine neue Eintheilung des Volkes in 10 Phylen zu 5 Naukrarien
von je 2 Deinen einführte, die den bisherigen Lokaleinfluß der Aristokratie
wesentlich abschwächte. Dem entspricht es, daß seit Kleisthenes die Besetzung
der Archontenstelle nicht mehr durch Wahl, sondern durch das Loos stattfand.

Auch in der Heeresverfassung kommt die demokratische Entwickelung zur
Geltung. Wohl war noch jetzt, wie früher, der Polemarch der höchst stehende
Offizier, doch nur als xrimus inrer Mrss, nur insofern als er das vornehmste
Mitglied des Kollegiums der Strategen war, welches nun an die Spitze des
gesammten attischen Kriegswesens trat. Die 10 Strategen wurden jährlich
durch Haudaufhebung gewählt, wahrscheinlich aus jeder Phyle einer. Sie
führten im Kriege, täglich wechselnd, den Oberbefehl und bildeten zusammen
den Kriegsrath, in welchem der Polemarch als elfter den Stichentscheid hatte.
Ihm gebührte auch die Anführung des rechten Flügels in der Schlacht. --
Im Frieden fielen den Strategen verschiedene, theils rein militärische, theils
administrative und richterliche Funktionen zu: Besetzung der Plätze zum Schutz
gegen feindlichen Angriff, Besorgung der Kriegssteuern, Aushebung der Mann¬
schaft und Gerichtsbarkeit über alle auf das Kriegswesen bezügliche Rechts¬
händel sowie über sämmtliche Militärvergehen. In Angelegenheiten ihres Ge¬
schäftskreises hatten die Strategen auch das Recht, Volksversammlungen zu
berufen, und ihr Amt galt, wegen des großen Einflusses, den es gewährte,
immer für das vornehmste von allen, um welches sich deshalb auch die ange¬
sehensten Männer bewarben. Erlangen konnte es nur ein angesessener ver¬
heirateter Mann; die Theden waren also unbedingt von ihm ausgeschlossen.

Zur Unterstützung der Strategen dienten die 10 Taxiarchen, deren aus
jeder Phyle einer, ebenfalls durch Haudaufhebung gewählt wurde und die sich
durch dreifache" Helmbusch und Purpurkleid auszeichneten. Sie führten in:
Kriege die 10 Heerhaufen, Taxeis, in welche das Landheer, den Phylen ent¬
sprechend, getheilt war und welche zuweilen auch geradezu Phylai genannt
werden. Den Taxiarchen fiel vorzugsweise das Aushebungsgeschäft zu. Sie
fertigten im Verein mit einigen Kommissarien des Rathes die Musterrolle, den


Söhnen,, welche übrigens ebenso wie er selbst das Wesentliche der solonischen
Verfassung, nämlich die politisch-soziale Gruppirung des Volkes und die An¬
ordnung des Kriegswesens, bestehen ließen. Ernsthafter schienen diese Ein¬
richtungen dagegen bedroht, als nach dem Sturze der Tyrannen der Adel
unter Führung des Jsagvras eine Zeit lang die Oberhand gewann. Da
gelang es jedoch einem mächtigen Eupatriden, jene Adelspartei zu besiegen und
der Verfassung Solons eine breitere Basis zu verleihen. Es war Kleisthenes,
der die demokratische Entwickelung Mitas einleitete, indem er einer großen
Zahl ansässiger Nichtbürger, Meester und Freigelassenen, das Bürgerrecht ver¬
lieh und eine neue Eintheilung des Volkes in 10 Phylen zu 5 Naukrarien
von je 2 Deinen einführte, die den bisherigen Lokaleinfluß der Aristokratie
wesentlich abschwächte. Dem entspricht es, daß seit Kleisthenes die Besetzung
der Archontenstelle nicht mehr durch Wahl, sondern durch das Loos stattfand.

Auch in der Heeresverfassung kommt die demokratische Entwickelung zur
Geltung. Wohl war noch jetzt, wie früher, der Polemarch der höchst stehende
Offizier, doch nur als xrimus inrer Mrss, nur insofern als er das vornehmste
Mitglied des Kollegiums der Strategen war, welches nun an die Spitze des
gesammten attischen Kriegswesens trat. Die 10 Strategen wurden jährlich
durch Haudaufhebung gewählt, wahrscheinlich aus jeder Phyle einer. Sie
führten im Kriege, täglich wechselnd, den Oberbefehl und bildeten zusammen
den Kriegsrath, in welchem der Polemarch als elfter den Stichentscheid hatte.
Ihm gebührte auch die Anführung des rechten Flügels in der Schlacht. —
Im Frieden fielen den Strategen verschiedene, theils rein militärische, theils
administrative und richterliche Funktionen zu: Besetzung der Plätze zum Schutz
gegen feindlichen Angriff, Besorgung der Kriegssteuern, Aushebung der Mann¬
schaft und Gerichtsbarkeit über alle auf das Kriegswesen bezügliche Rechts¬
händel sowie über sämmtliche Militärvergehen. In Angelegenheiten ihres Ge¬
schäftskreises hatten die Strategen auch das Recht, Volksversammlungen zu
berufen, und ihr Amt galt, wegen des großen Einflusses, den es gewährte,
immer für das vornehmste von allen, um welches sich deshalb auch die ange¬
sehensten Männer bewarben. Erlangen konnte es nur ein angesessener ver¬
heirateter Mann; die Theden waren also unbedingt von ihm ausgeschlossen.

Zur Unterstützung der Strategen dienten die 10 Taxiarchen, deren aus
jeder Phyle einer, ebenfalls durch Haudaufhebung gewählt wurde und die sich
durch dreifache» Helmbusch und Purpurkleid auszeichneten. Sie führten in:
Kriege die 10 Heerhaufen, Taxeis, in welche das Landheer, den Phylen ent¬
sprechend, getheilt war und welche zuweilen auch geradezu Phylai genannt
werden. Den Taxiarchen fiel vorzugsweise das Aushebungsgeschäft zu. Sie
fertigten im Verein mit einigen Kommissarien des Rathes die Musterrolle, den


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[0104] Söhnen,, welche übrigens ebenso wie er selbst das Wesentliche der solonischen Verfassung, nämlich die politisch-soziale Gruppirung des Volkes und die An¬ ordnung des Kriegswesens, bestehen ließen. Ernsthafter schienen diese Ein¬ richtungen dagegen bedroht, als nach dem Sturze der Tyrannen der Adel unter Führung des Jsagvras eine Zeit lang die Oberhand gewann. Da gelang es jedoch einem mächtigen Eupatriden, jene Adelspartei zu besiegen und der Verfassung Solons eine breitere Basis zu verleihen. Es war Kleisthenes, der die demokratische Entwickelung Mitas einleitete, indem er einer großen Zahl ansässiger Nichtbürger, Meester und Freigelassenen, das Bürgerrecht ver¬ lieh und eine neue Eintheilung des Volkes in 10 Phylen zu 5 Naukrarien von je 2 Deinen einführte, die den bisherigen Lokaleinfluß der Aristokratie wesentlich abschwächte. Dem entspricht es, daß seit Kleisthenes die Besetzung der Archontenstelle nicht mehr durch Wahl, sondern durch das Loos stattfand. Auch in der Heeresverfassung kommt die demokratische Entwickelung zur Geltung. Wohl war noch jetzt, wie früher, der Polemarch der höchst stehende Offizier, doch nur als xrimus inrer Mrss, nur insofern als er das vornehmste Mitglied des Kollegiums der Strategen war, welches nun an die Spitze des gesammten attischen Kriegswesens trat. Die 10 Strategen wurden jährlich durch Haudaufhebung gewählt, wahrscheinlich aus jeder Phyle einer. Sie führten im Kriege, täglich wechselnd, den Oberbefehl und bildeten zusammen den Kriegsrath, in welchem der Polemarch als elfter den Stichentscheid hatte. Ihm gebührte auch die Anführung des rechten Flügels in der Schlacht. — Im Frieden fielen den Strategen verschiedene, theils rein militärische, theils administrative und richterliche Funktionen zu: Besetzung der Plätze zum Schutz gegen feindlichen Angriff, Besorgung der Kriegssteuern, Aushebung der Mann¬ schaft und Gerichtsbarkeit über alle auf das Kriegswesen bezügliche Rechts¬ händel sowie über sämmtliche Militärvergehen. In Angelegenheiten ihres Ge¬ schäftskreises hatten die Strategen auch das Recht, Volksversammlungen zu berufen, und ihr Amt galt, wegen des großen Einflusses, den es gewährte, immer für das vornehmste von allen, um welches sich deshalb auch die ange¬ sehensten Männer bewarben. Erlangen konnte es nur ein angesessener ver¬ heirateter Mann; die Theden waren also unbedingt von ihm ausgeschlossen. Zur Unterstützung der Strategen dienten die 10 Taxiarchen, deren aus jeder Phyle einer, ebenfalls durch Haudaufhebung gewählt wurde und die sich durch dreifache» Helmbusch und Purpurkleid auszeichneten. Sie führten in: Kriege die 10 Heerhaufen, Taxeis, in welche das Landheer, den Phylen ent¬ sprechend, getheilt war und welche zuweilen auch geradezu Phylai genannt werden. Den Taxiarchen fiel vorzugsweise das Aushebungsgeschäft zu. Sie fertigten im Verein mit einigen Kommissarien des Rathes die Musterrolle, den

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Zitationshilfe: Die Grenzboten. Jg. 37, 1878, I. Semester. I. Band, S. . In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/grenzboten_341827_157649/104>, abgerufen am 27.09.2024.