Anmelden (DTAQ) DWDS     dlexDB     CLARIN-D

Die Grenzboten. Jg. 36, 1877, II. Semester. I. Band.

Bild:
<< vorherige Seite
Me Jedeutung der historischen Studien für technische
Koch Schulen.

Zwei Wissenschaften haben vor andern in unserer Zeit weite Kreise des
Volkes in ihr Interesse gezogen, die Naturwissenschaft und die Geschichte. In
raschem Fluge hat jene vor allen eine herrschende Stellung sich erobert; sie
hat in allen Schulen Eingang gefunden und bestimmt zum Theil deren Charakter;
in populären Büchern und Zeitschriften wird sie jedem, auch uicht fachmäßig
oder wissenschaftlich Gebildeten nahe gebracht, sie darf großartige Anforderungen
stellen auch an die Staatskassen, und wetteifernd senden die großen Kultur¬
völker der Erde ihre Schiffe und ihre Gelehrten hinaus, um eiuen Venusdnrch-
gcmg zu beobachten oder um durch die eisigen Schranken des Nordmeeres nach
dem Pole vorzudringen. Und dieser äußerlichen Anerkennung, die sie gefunden,
entspricht das, was die Naturwissenschaft leistet oder zu leisten unternimmt.
Sie hat eine neue, auf umfassender und durchdringender Beobachtung beruhende
Art der Forschung begründet, welche auch auf andere Wissenszweige ihren
Einfluß geübt hat und übt; eine stark vertretene Richtung in ihr hat den Ver¬
such gemacht, eine ganz neue Weltanschauung von sich aus aufzubauen, und
möchte auch in der menschlichen und sittlichen Welt jedes x aus der Rechnung
eliminiren. Sie hat, in das praktische Leben mächtig eingreifend, den Grund
gelegt zur wundervolle" Entwickelung der Technik, in welcher kein anderes Zeit¬
alter dem unseren gleich kommt.

Bescheidener allerdings ist die Stellung, welche die Geschichte einnimmt,
doch ebenso groß ihre Wirksamkeit. Sie bedarf keiner großen äußeren Mittel;
zu ihrer Pflege ist noch kein Kriegsschiff in ferne Meere entsendet worden.
Aber eine schwer übersehbare Zahl von Forschern arbeitet aus diesem Gebiete,
wenngleich ihr Zusammenhang und der Zusammenhang ihrer Studien ungleich
geringer ist als auf dem Felde der Naturwissenschaften; andere tragen die Er¬
gebnisse in das Volk und in die Schulen, eine Menge historischer Vereine zieht


Grenzboten III. 1877. 11
Me Jedeutung der historischen Studien für technische
Koch Schulen.

Zwei Wissenschaften haben vor andern in unserer Zeit weite Kreise des
Volkes in ihr Interesse gezogen, die Naturwissenschaft und die Geschichte. In
raschem Fluge hat jene vor allen eine herrschende Stellung sich erobert; sie
hat in allen Schulen Eingang gefunden und bestimmt zum Theil deren Charakter;
in populären Büchern und Zeitschriften wird sie jedem, auch uicht fachmäßig
oder wissenschaftlich Gebildeten nahe gebracht, sie darf großartige Anforderungen
stellen auch an die Staatskassen, und wetteifernd senden die großen Kultur¬
völker der Erde ihre Schiffe und ihre Gelehrten hinaus, um eiuen Venusdnrch-
gcmg zu beobachten oder um durch die eisigen Schranken des Nordmeeres nach
dem Pole vorzudringen. Und dieser äußerlichen Anerkennung, die sie gefunden,
entspricht das, was die Naturwissenschaft leistet oder zu leisten unternimmt.
Sie hat eine neue, auf umfassender und durchdringender Beobachtung beruhende
Art der Forschung begründet, welche auch auf andere Wissenszweige ihren
Einfluß geübt hat und übt; eine stark vertretene Richtung in ihr hat den Ver¬
such gemacht, eine ganz neue Weltanschauung von sich aus aufzubauen, und
möchte auch in der menschlichen und sittlichen Welt jedes x aus der Rechnung
eliminiren. Sie hat, in das praktische Leben mächtig eingreifend, den Grund
gelegt zur wundervolle» Entwickelung der Technik, in welcher kein anderes Zeit¬
alter dem unseren gleich kommt.

Bescheidener allerdings ist die Stellung, welche die Geschichte einnimmt,
doch ebenso groß ihre Wirksamkeit. Sie bedarf keiner großen äußeren Mittel;
zu ihrer Pflege ist noch kein Kriegsschiff in ferne Meere entsendet worden.
Aber eine schwer übersehbare Zahl von Forschern arbeitet aus diesem Gebiete,
wenngleich ihr Zusammenhang und der Zusammenhang ihrer Studien ungleich
geringer ist als auf dem Felde der Naturwissenschaften; andere tragen die Er¬
gebnisse in das Volk und in die Schulen, eine Menge historischer Vereine zieht


Grenzboten III. 1877. 11
<TEI>
  <text>
    <body>
      <div>
        <div n="1">
          <div n="2">
            <pb facs="#f0089" corresp="http://brema.suub.uni-bremen.de/grenzboten/periodical/pageview/138320"/>
          </div>
        </div>
        <div n="1">
          <head> Me Jedeutung der historischen Studien für technische<lb/>
Koch Schulen.</head><lb/>
          <p xml:id="ID_239"> Zwei Wissenschaften haben vor andern in unserer Zeit weite Kreise des<lb/>
Volkes in ihr Interesse gezogen, die Naturwissenschaft und die Geschichte. In<lb/>
raschem Fluge hat jene vor allen eine herrschende Stellung sich erobert; sie<lb/>
hat in allen Schulen Eingang gefunden und bestimmt zum Theil deren Charakter;<lb/>
in populären Büchern und Zeitschriften wird sie jedem, auch uicht fachmäßig<lb/>
oder wissenschaftlich Gebildeten nahe gebracht, sie darf großartige Anforderungen<lb/>
stellen auch an die Staatskassen, und wetteifernd senden die großen Kultur¬<lb/>
völker der Erde ihre Schiffe und ihre Gelehrten hinaus, um eiuen Venusdnrch-<lb/>
gcmg zu beobachten oder um durch die eisigen Schranken des Nordmeeres nach<lb/>
dem Pole vorzudringen. Und dieser äußerlichen Anerkennung, die sie gefunden,<lb/>
entspricht das, was die Naturwissenschaft leistet oder zu leisten unternimmt.<lb/>
Sie hat eine neue, auf umfassender und durchdringender Beobachtung beruhende<lb/>
Art der Forschung begründet, welche auch auf andere Wissenszweige ihren<lb/>
Einfluß geübt hat und übt; eine stark vertretene Richtung in ihr hat den Ver¬<lb/>
such gemacht, eine ganz neue Weltanschauung von sich aus aufzubauen, und<lb/>
möchte auch in der menschlichen und sittlichen Welt jedes x aus der Rechnung<lb/>
eliminiren. Sie hat, in das praktische Leben mächtig eingreifend, den Grund<lb/>
gelegt zur wundervolle» Entwickelung der Technik, in welcher kein anderes Zeit¬<lb/>
alter dem unseren gleich kommt.</p><lb/>
          <p xml:id="ID_240" next="#ID_241"> Bescheidener allerdings ist die Stellung, welche die Geschichte einnimmt,<lb/>
doch ebenso groß ihre Wirksamkeit. Sie bedarf keiner großen äußeren Mittel;<lb/>
zu ihrer Pflege ist noch kein Kriegsschiff in ferne Meere entsendet worden.<lb/>
Aber eine schwer übersehbare Zahl von Forschern arbeitet aus diesem Gebiete,<lb/>
wenngleich ihr Zusammenhang und der Zusammenhang ihrer Studien ungleich<lb/>
geringer ist als auf dem Felde der Naturwissenschaften; andere tragen die Er¬<lb/>
gebnisse in das Volk und in die Schulen, eine Menge historischer Vereine zieht</p><lb/>
          <fw type="sig" place="bottom"> Grenzboten III. 1877. 11</fw><lb/>
        </div>
      </div>
    </body>
  </text>
</TEI>
[0089] Me Jedeutung der historischen Studien für technische Koch Schulen. Zwei Wissenschaften haben vor andern in unserer Zeit weite Kreise des Volkes in ihr Interesse gezogen, die Naturwissenschaft und die Geschichte. In raschem Fluge hat jene vor allen eine herrschende Stellung sich erobert; sie hat in allen Schulen Eingang gefunden und bestimmt zum Theil deren Charakter; in populären Büchern und Zeitschriften wird sie jedem, auch uicht fachmäßig oder wissenschaftlich Gebildeten nahe gebracht, sie darf großartige Anforderungen stellen auch an die Staatskassen, und wetteifernd senden die großen Kultur¬ völker der Erde ihre Schiffe und ihre Gelehrten hinaus, um eiuen Venusdnrch- gcmg zu beobachten oder um durch die eisigen Schranken des Nordmeeres nach dem Pole vorzudringen. Und dieser äußerlichen Anerkennung, die sie gefunden, entspricht das, was die Naturwissenschaft leistet oder zu leisten unternimmt. Sie hat eine neue, auf umfassender und durchdringender Beobachtung beruhende Art der Forschung begründet, welche auch auf andere Wissenszweige ihren Einfluß geübt hat und übt; eine stark vertretene Richtung in ihr hat den Ver¬ such gemacht, eine ganz neue Weltanschauung von sich aus aufzubauen, und möchte auch in der menschlichen und sittlichen Welt jedes x aus der Rechnung eliminiren. Sie hat, in das praktische Leben mächtig eingreifend, den Grund gelegt zur wundervolle» Entwickelung der Technik, in welcher kein anderes Zeit¬ alter dem unseren gleich kommt. Bescheidener allerdings ist die Stellung, welche die Geschichte einnimmt, doch ebenso groß ihre Wirksamkeit. Sie bedarf keiner großen äußeren Mittel; zu ihrer Pflege ist noch kein Kriegsschiff in ferne Meere entsendet worden. Aber eine schwer übersehbare Zahl von Forschern arbeitet aus diesem Gebiete, wenngleich ihr Zusammenhang und der Zusammenhang ihrer Studien ungleich geringer ist als auf dem Felde der Naturwissenschaften; andere tragen die Er¬ gebnisse in das Volk und in die Schulen, eine Menge historischer Vereine zieht Grenzboten III. 1877. 11

Informationen zum Werk

Download dieses Werks

XML (TEI P5) · HTML · Text
TCF (text annotation layer)

Metadaten zum Werk

TEI-Header · CMDI · Dublin Core

Ansichten dieser Seite

Feedback

Sie haben einen Fehler gefunden? Dann können Sie diesen über unsere Qualitätssicherungsplattform DTAQ melden.

Kommentar zur DTA-Ausgabe

Dieses Werk wurde im Rahmen des Moduls DTA-Erweiterungen (DTAE) digitalisiert. Weitere Informationen …

Staats- und Universitätsbibliothek (SuUB) Bremen: Bereitstellung der Texttranskription.
Kay-Michael Würzner: Bearbeitung der digitalen Edition.

Weitere Informationen:

Verfahren der Texterfassung: OCR mit Nachkorrektur.

Bogensignaturen: gekennzeichnet;Druckfehler: ignoriert;fremdsprachliches Material: nicht gekennzeichnet;Geminations-/Abkürzungsstriche: wie Vorlage;Hervorhebungen (Antiqua, Sperrschrift, Kursive etc.): nicht ausgezeichnet;i/j in Fraktur: wie Vorlage;I/J in Fraktur: wie Vorlage;Kolumnentitel: gekennzeichnet;Kustoden: gekennzeichnet;langes s (ſ): als s transkribiert;Normalisierungen: stillschweigend;rundes r (&#xa75b;): als r/et transkribiert;Seitenumbrüche markiert: ja;Silbentrennung: wie Vorlage;u/v bzw. U/V: wie Vorlage;Vokale mit übergest. e: als ä/ö/ü transkribiert;Vollständigkeit: vollständig erfasst;Zeichensetzung: wie Vorlage;Zeilenumbrüche markiert: ja;

Nachkorrektur erfolgte automatisch.




Ansicht auf Standard zurückstellen

URL zu diesem Werk: https://www.deutschestextarchiv.de/grenzboten_341825_157647
URL zu dieser Seite: https://www.deutschestextarchiv.de/grenzboten_341825_157647/89
Zitationshilfe: Die Grenzboten. Jg. 36, 1877, II. Semester. I. Band, S. . In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/grenzboten_341825_157647/89>, abgerufen am 28.09.2024.