Die Grenzboten. Jg. 36, 1877, II. Semester. I. Band.gethan hat, so würde sie nicht viel behalten. Weil man ihnen aber Raum Petersen ging noch viel weiter; er behauptete, alleu hergebrachten Ansichten Da der ganze Vorfall anfing, auch außerhalb Lübecks bekannt zu werden Es ist dies leider nicht das einzige Beispiel der Art, welches die Geschichte gethan hat, so würde sie nicht viel behalten. Weil man ihnen aber Raum Petersen ging noch viel weiter; er behauptete, alleu hergebrachten Ansichten Da der ganze Vorfall anfing, auch außerhalb Lübecks bekannt zu werden Es ist dies leider nicht das einzige Beispiel der Art, welches die Geschichte <TEI> <text> <body> <div> <div n="1"> <pb facs="#f0085" corresp="http://brema.suub.uni-bremen.de/grenzboten/periodical/pageview/138316"/> <p xml:id="ID_227" prev="#ID_226"> gethan hat, so würde sie nicht viel behalten. Weil man ihnen aber Raum<lb/> zur Buße gibt, warum denn nicht einem solchen armen Menschen?"</p><lb/> <p xml:id="ID_228"> Petersen ging noch viel weiter; er behauptete, alleu hergebrachten Ansichten<lb/> geradezu entgegen, daß keine weltliche Macht, also auch keine priesterliche, das<lb/> Recht habe, über Gewissens- und Glaubenssachen ein Urtheil zu fällen, daß<lb/> sich nicht durch ein Dekret einem Menschen befehlen lasse, was er glauben und<lb/> nicht glauben solle, und daß die Staatsgewalt nnr da befugt sei, einzugreifen<lb/> und zu bestrafen, wo der Staat und dessen Ordnung verletzt sei. „Wer sind<lb/> wir denn, daß wir uns wollen annehmen, oder anmaßen, das allein Gottes<lb/> Werk ist. Könnten wir dem armen Pater den Glanben geben, und er wollte<lb/> alsdann widerstehen oder gar lästern: so mochte man ihn einen verstockten<lb/> Menschen nennen; aber nun haben wir ja solche Macht nicht, sondern man<lb/> thut vielmehr mit der von uns abgefaßten Sentenz ebenso' viel, als daß wir<lb/> Gott Zeit und Stunde vorschreiben, wann er den Gefangenen belehren solle,<lb/> und wann sich Peter solle bekehren lassen. Wo es denn nicht in der<lb/> ihm eingeschränkten Zeit geschehe, so wolle man mit der Exekution<lb/> dazwischen fahren."------„Ich habe dieses", so schließt der Brief,<lb/> „meinem hochgeneigten Herrn Syndiko, wie es mir in der Eile zugeflossen ist,<lb/> kommuniziren wollen, in der Hoffnung, er möge dem armen Gefangenen, für<lb/> den ich kein ander Interesse habe, als die Wohlfahrt seiner Seele, durch dessen<lb/> vielgültige Dazwischenkunft zu Hülfe kommen; und bitte, man wolle mir nicht<lb/> übel nehmen, daß ich so offenherzig geschrieben etc."</p><lb/> <p xml:id="ID_229"> Da der ganze Vorfall anfing, auch außerhalb Lübecks bekannt zu werden<lb/> und Aufsehen zu erregen, so erklärten sich manche andere Männer unumwunden<lb/> über dies ungerechte Verfahren gegen Günther. Indessen solche einzelne, wenngleich<lb/> noch so wahre und kräftige Stimmen wurden überhört; auch mochte wohl die<lb/> Form es nicht gestatten, ein einmal gefälltes Urtheil zurück zu nehmen.<lb/> Günther's letzte Worte auf dem Richtplatze waren: „Dn ewiges, wahrhaftes<lb/> Licht, erbarme dich mein."</p><lb/> <p xml:id="ID_230"> Es ist dies leider nicht das einzige Beispiel der Art, welches die Geschichte<lb/> der protestantischen Kirche des 17. Jahrhunderts aufstellt, ja selbst aus dem<lb/> Anfange des vorigen Jahrhunderts datiren einzelne Fälle, welche dem hier<lb/> erzählten im Wesentlichen vollkommen ähnlich find.</p><lb/> <milestone rendition="#hr" unit="section"/><lb/> </div> </div> </body> </text> </TEI> [0085]
gethan hat, so würde sie nicht viel behalten. Weil man ihnen aber Raum
zur Buße gibt, warum denn nicht einem solchen armen Menschen?"
Petersen ging noch viel weiter; er behauptete, alleu hergebrachten Ansichten
geradezu entgegen, daß keine weltliche Macht, also auch keine priesterliche, das
Recht habe, über Gewissens- und Glaubenssachen ein Urtheil zu fällen, daß
sich nicht durch ein Dekret einem Menschen befehlen lasse, was er glauben und
nicht glauben solle, und daß die Staatsgewalt nnr da befugt sei, einzugreifen
und zu bestrafen, wo der Staat und dessen Ordnung verletzt sei. „Wer sind
wir denn, daß wir uns wollen annehmen, oder anmaßen, das allein Gottes
Werk ist. Könnten wir dem armen Pater den Glanben geben, und er wollte
alsdann widerstehen oder gar lästern: so mochte man ihn einen verstockten
Menschen nennen; aber nun haben wir ja solche Macht nicht, sondern man
thut vielmehr mit der von uns abgefaßten Sentenz ebenso' viel, als daß wir
Gott Zeit und Stunde vorschreiben, wann er den Gefangenen belehren solle,
und wann sich Peter solle bekehren lassen. Wo es denn nicht in der
ihm eingeschränkten Zeit geschehe, so wolle man mit der Exekution
dazwischen fahren."------„Ich habe dieses", so schließt der Brief,
„meinem hochgeneigten Herrn Syndiko, wie es mir in der Eile zugeflossen ist,
kommuniziren wollen, in der Hoffnung, er möge dem armen Gefangenen, für
den ich kein ander Interesse habe, als die Wohlfahrt seiner Seele, durch dessen
vielgültige Dazwischenkunft zu Hülfe kommen; und bitte, man wolle mir nicht
übel nehmen, daß ich so offenherzig geschrieben etc."
Da der ganze Vorfall anfing, auch außerhalb Lübecks bekannt zu werden
und Aufsehen zu erregen, so erklärten sich manche andere Männer unumwunden
über dies ungerechte Verfahren gegen Günther. Indessen solche einzelne, wenngleich
noch so wahre und kräftige Stimmen wurden überhört; auch mochte wohl die
Form es nicht gestatten, ein einmal gefälltes Urtheil zurück zu nehmen.
Günther's letzte Worte auf dem Richtplatze waren: „Dn ewiges, wahrhaftes
Licht, erbarme dich mein."
Es ist dies leider nicht das einzige Beispiel der Art, welches die Geschichte
der protestantischen Kirche des 17. Jahrhunderts aufstellt, ja selbst aus dem
Anfange des vorigen Jahrhunderts datiren einzelne Fälle, welche dem hier
erzählten im Wesentlichen vollkommen ähnlich find.
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