Die Grenzboten. Jg. 36, 1877, II. Semester. I. Band.matische Einförmigkeit hervorzubringen, während sie eine praktische hätten suchen Unter diesen Menschen hatte Günther eine Zeit lang gelebt, und sie Von Danzig ging Günther erst nach Wismar, dann nach Lübeck. Da matische Einförmigkeit hervorzubringen, während sie eine praktische hätten suchen Unter diesen Menschen hatte Günther eine Zeit lang gelebt, und sie Von Danzig ging Günther erst nach Wismar, dann nach Lübeck. Da <TEI> <text> <body> <div> <div n="1"> <pb facs="#f0079" corresp="http://brema.suub.uni-bremen.de/grenzboten/periodical/pageview/138310"/> <p xml:id="ID_208" prev="#ID_207"> matische Einförmigkeit hervorzubringen, während sie eine praktische hätten suchen<lb/> sollen, nur zu oft die nothwendigen Grenzen menschlicher Verstandeserkenntniß<lb/> und menschlicher Sprache in Rücksicht auf unbegreifliche Dinge verkannt und<lb/> mehr bestimmen wollen, als sich bestimmen ließ. Nicht zufrieden mit der der<lb/> Sache allein angemessenen Darstellung der Trinitätslehre im neuen Testamente,<lb/> hatten sie eine Menge willkürlicher Formen aufgestellt und Unterschiede ge¬<lb/> macht, die mindestens mißverstanden und verschieden aufgefaßt werden konnten.<lb/> Svein glaubte in der Darstellung dieser Lehre in den kirchlichen Symbolen<lb/> etwas dem Monotheismus Widersprechendes zu finden, und da überhaupt in<lb/> seiner juridischen Theologie dieses Dogma keinen rechten Platz finden wollte,<lb/> wie denn in seiner Lehre von den göttlichen Eigenschaften Heiligkeit und Liebe<lb/> völlig fehlten; da er nicht den nothwendigen Zusammenhang der Bibel mit<lb/> der ganzen christlichen Lehre erkannte, da ihm das praktische Interesse derselben<lb/> fremd blieb: so ward er bewogen, dasselbe völlig zu verwerfen, obgleich erst<lb/> sein Neffe Faustus sich an die unitarischen Gemeinden in Polen anschloß.<lb/> Seine Nachfolger waren theils nnr Nachbeter oder doch solche, die, Svein's<lb/> Principien ungeprüft als unverbrüchlich wahr voraussetzend, auf denselben<lb/> fortbauten. Uebrigens läßt sich in Betreff des Lebens gegen die älteren Soci-<lb/> nicmer-Gemeinden im Allgemeinen gewiß kein gegründeter Tadel vorbringen.<lb/> Und eben deswegen hätten sich, wenn man noch dazu die unbegrenzte Ehr¬<lb/> furcht der Soeinianer vor der heiligen Schrift berücksichtigt, bei minder leiden¬<lb/> schaftlicher Heftigkeit der protestantischen Theologen, durch ruhige biblische<lb/> Entwickelung der streitigen Punkte unfehlbar die Differenzen heben lassen.</p><lb/> <p xml:id="ID_209"> Unter diesen Menschen hatte Günther eine Zeit lang gelebt, und sie<lb/> wirkten praktisch so segensreich auf ihn, daß er selbst später sagte: „Seit der<lb/> Zeit fing ich erst an, Gott zu fürchten und zu ihm zu beten." Sie führten<lb/> ihn in die heilige Schrift ein, lehrten ihn dieselbe auf sein eigenes Leben an¬<lb/> wenden und gingen ihm in den Angelegenheiten seines Herzens mit Rath und<lb/> That zur Seite. Daß er die Ueberzeugung der Soeinianer getheilt habe,<lb/> kann man mit Recht nicht einmal sagen; denn er war durchaus unfähig, in<lb/> ihre dogmatischen und spekulativen Bestimmungen einzugehen. Er nahm ihre<lb/> eigenthümlichen Ansichten auf, wie man ja oft auf die Autorität sehr ge¬<lb/> achteter und überlegener Menschen etwas ungeprüft als Wahrheit anzunehmen<lb/> pflegt. Es war allerdings ein aus seiner Beschränktheit hervorgehender<lb/> Irrthum des Verstandes vorhanden, der aber auf sein religiöses Leben und<lb/> auf die Art, wie er praktisch das Christenthum ergriff, nicht den geringsten<lb/> Einfluß äußerte.</p><lb/> <p xml:id="ID_210" next="#ID_211"> Von Danzig ging Günther erst nach Wismar, dann nach Lübeck. Da<lb/> sein ganzes Leben sich merklich von dem seiner Mitgenossen in der Gilde unter-</p><lb/> </div> </div> </body> </text> </TEI> [0079]
matische Einförmigkeit hervorzubringen, während sie eine praktische hätten suchen
sollen, nur zu oft die nothwendigen Grenzen menschlicher Verstandeserkenntniß
und menschlicher Sprache in Rücksicht auf unbegreifliche Dinge verkannt und
mehr bestimmen wollen, als sich bestimmen ließ. Nicht zufrieden mit der der
Sache allein angemessenen Darstellung der Trinitätslehre im neuen Testamente,
hatten sie eine Menge willkürlicher Formen aufgestellt und Unterschiede ge¬
macht, die mindestens mißverstanden und verschieden aufgefaßt werden konnten.
Svein glaubte in der Darstellung dieser Lehre in den kirchlichen Symbolen
etwas dem Monotheismus Widersprechendes zu finden, und da überhaupt in
seiner juridischen Theologie dieses Dogma keinen rechten Platz finden wollte,
wie denn in seiner Lehre von den göttlichen Eigenschaften Heiligkeit und Liebe
völlig fehlten; da er nicht den nothwendigen Zusammenhang der Bibel mit
der ganzen christlichen Lehre erkannte, da ihm das praktische Interesse derselben
fremd blieb: so ward er bewogen, dasselbe völlig zu verwerfen, obgleich erst
sein Neffe Faustus sich an die unitarischen Gemeinden in Polen anschloß.
Seine Nachfolger waren theils nnr Nachbeter oder doch solche, die, Svein's
Principien ungeprüft als unverbrüchlich wahr voraussetzend, auf denselben
fortbauten. Uebrigens läßt sich in Betreff des Lebens gegen die älteren Soci-
nicmer-Gemeinden im Allgemeinen gewiß kein gegründeter Tadel vorbringen.
Und eben deswegen hätten sich, wenn man noch dazu die unbegrenzte Ehr¬
furcht der Soeinianer vor der heiligen Schrift berücksichtigt, bei minder leiden¬
schaftlicher Heftigkeit der protestantischen Theologen, durch ruhige biblische
Entwickelung der streitigen Punkte unfehlbar die Differenzen heben lassen.
Unter diesen Menschen hatte Günther eine Zeit lang gelebt, und sie
wirkten praktisch so segensreich auf ihn, daß er selbst später sagte: „Seit der
Zeit fing ich erst an, Gott zu fürchten und zu ihm zu beten." Sie führten
ihn in die heilige Schrift ein, lehrten ihn dieselbe auf sein eigenes Leben an¬
wenden und gingen ihm in den Angelegenheiten seines Herzens mit Rath und
That zur Seite. Daß er die Ueberzeugung der Soeinianer getheilt habe,
kann man mit Recht nicht einmal sagen; denn er war durchaus unfähig, in
ihre dogmatischen und spekulativen Bestimmungen einzugehen. Er nahm ihre
eigenthümlichen Ansichten auf, wie man ja oft auf die Autorität sehr ge¬
achteter und überlegener Menschen etwas ungeprüft als Wahrheit anzunehmen
pflegt. Es war allerdings ein aus seiner Beschränktheit hervorgehender
Irrthum des Verstandes vorhanden, der aber auf sein religiöses Leben und
auf die Art, wie er praktisch das Christenthum ergriff, nicht den geringsten
Einfluß äußerte.
Von Danzig ging Günther erst nach Wismar, dann nach Lübeck. Da
sein ganzes Leben sich merklich von dem seiner Mitgenossen in der Gilde unter-
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