Die Grenzboten. Jg. 36, 1877, II. Semester. I. Band.nach der Gegend des "Napfes" verräch uns, daß du dich von der unendlichen Und neben den Menschen, die uns aus Gotthelf längst vertraut sind, ziehe" In eigenthümlichem Gegensatz zu den Bewohnern des Emmenthcils steht "Station Escholzmatt", ruft der Schaffner. Wir haben die Wasserscheide nach der Gegend des „Napfes" verräch uns, daß du dich von der unendlichen Und neben den Menschen, die uns aus Gotthelf längst vertraut sind, ziehe» In eigenthümlichem Gegensatz zu den Bewohnern des Emmenthcils steht „Station Escholzmatt", ruft der Schaffner. Wir haben die Wasserscheide <TEI> <text> <body> <div> <div n="1"> <pb facs="#f0438" corresp="http://brema.suub.uni-bremen.de/grenzboten/periodical/pageview/138669"/> <p xml:id="ID_1334" prev="#ID_1333"> nach der Gegend des „Napfes" verräch uns, daß du dich von der unendlichen<lb/> Mühsal deines Amtes erholen willst durch einen tüchtigen Marsch und freien<lb/> Ausblick auf die einzige Größe der Gebirgswelt deiner Heimat.</p><lb/> <p xml:id="ID_1335"> Und neben den Menschen, die uns aus Gotthelf längst vertraut sind, ziehe»<lb/> an unserem Auge die Höhen und Thäler vorüber, die behäbigen Holzhäuser,<lb/> Dörfer und Sennhütten, die er uns so tren und schlicht geschildert hat. Eug<lb/> ist der Horizont dieser Thäler, hart und schwer die Scholle, die der Landmann<lb/> zu bewältigen hat. Aber um so weiter erscheint die Welt denen, die hier auf¬<lb/> wuchsen, um so zäher und tapferer ist der Menschenschlag geartet, der diese<lb/> harte Scholle zu brechen und ans dem kargen Boden der Väter Wohlstand und<lb/> Behagen zu gewinnen verstand. Mit besonderer Andacht begrüßen wir Sig-<lb/> nau und Langnan, Dörfer nur wie die übrigen Stationen, aber die europäischen<lb/> Hauptstädte der Welt Jeremias Gotthelf's.</p><lb/> <p xml:id="ID_1336"> In eigenthümlichem Gegensatz zu den Bewohnern des Emmenthcils steht<lb/> das Völkchen des Entlibuchs. Viehhandel und Käsebereitung bilden hier wie<lb/> dort Hanptnahrungszweige der Bevölkerung; im Emmenthal kommt neben diesen<lb/> weit mehr eigentliche Landwirthschaft vor, als in dem schon dem Alpencharakter<lb/> sich nähernden, viel schmaleren, nur fünf Stunden langen, steileren Entlibuch.<lb/> Durch körperliche und geistige Regsamkeit ist der Entlibucher ausgezeichnet und<lb/> dieser Eigenthümlichkeit halber mit Recht berühmt unter deu schwerfälligerem<lb/> Bnndesbrüdern. Wenn sein Käse bei uns bei weitem nicht den Ruf des<lb/> Emmenthalers besitzt, so ist dies jedenfalls nicht die Schuld des Entlibuchers.<lb/> Die Verbindung dieses Thales mit der Welt war bis zur Eröffnung der<lb/> neuen Bahn nicht gerade günstig bestellt. Und wer sagt uns auch, daß der<lb/> Emmenthaler Käse, den wir gläubig als solchen verzehren, gerade im Emmen¬<lb/> thal gewachsen ist und nicht vielmehr im Entlibuch?</p><lb/> <p xml:id="ID_1337" next="#ID_1338"> „Station Escholzmatt", ruft der Schaffner. Wir haben die Wasserscheide<lb/> zwischen Entlibuch und Emmenthal erreicht. Zu gigantischer Höhe thürmen<lb/> sich die Berge zur Rechten. Weit zerstreut liegt das Dorf auf dem tannen¬<lb/> bewachsenen Hügel zur Linken. Der lange Priestertalar, der dort unter den<lb/> Wartenden am Perron bemerklich ist, gemahnt uns, daß wir uns in dem stock¬<lb/> katholischsten Theil des „Lnzernerbiets" befinden. Wenige Stationen von hier<lb/> gegen Luzern zu, in Makkers, wurden dem blinden Fanatismus Roms im<lb/> Jahre 1847 mehr blutige Opfer dargebracht, als im ganzen übrigen Sonder¬<lb/> bundskriege. Unter dem jetzt in französischen Diensten als General stehenden<lb/> Oberst Ochsenbein hatten die Berner bei Littau, nahe Luzern, eine Schlappe<lb/> erlitten, welche unter den ungeübten Truppen panischen Schrecken erzeugte. In<lb/> wilder Flucht — die Kavallerie, welche die Brücke hinter Littan halten sollte,<lb/> voran, hinterdrein das bischen Artillerie und ein aufgelöster Hause Infanterie</p><lb/> </div> </div> </body> </text> </TEI> [0438]
nach der Gegend des „Napfes" verräch uns, daß du dich von der unendlichen
Mühsal deines Amtes erholen willst durch einen tüchtigen Marsch und freien
Ausblick auf die einzige Größe der Gebirgswelt deiner Heimat.
Und neben den Menschen, die uns aus Gotthelf längst vertraut sind, ziehe»
an unserem Auge die Höhen und Thäler vorüber, die behäbigen Holzhäuser,
Dörfer und Sennhütten, die er uns so tren und schlicht geschildert hat. Eug
ist der Horizont dieser Thäler, hart und schwer die Scholle, die der Landmann
zu bewältigen hat. Aber um so weiter erscheint die Welt denen, die hier auf¬
wuchsen, um so zäher und tapferer ist der Menschenschlag geartet, der diese
harte Scholle zu brechen und ans dem kargen Boden der Väter Wohlstand und
Behagen zu gewinnen verstand. Mit besonderer Andacht begrüßen wir Sig-
nau und Langnan, Dörfer nur wie die übrigen Stationen, aber die europäischen
Hauptstädte der Welt Jeremias Gotthelf's.
In eigenthümlichem Gegensatz zu den Bewohnern des Emmenthcils steht
das Völkchen des Entlibuchs. Viehhandel und Käsebereitung bilden hier wie
dort Hanptnahrungszweige der Bevölkerung; im Emmenthal kommt neben diesen
weit mehr eigentliche Landwirthschaft vor, als in dem schon dem Alpencharakter
sich nähernden, viel schmaleren, nur fünf Stunden langen, steileren Entlibuch.
Durch körperliche und geistige Regsamkeit ist der Entlibucher ausgezeichnet und
dieser Eigenthümlichkeit halber mit Recht berühmt unter deu schwerfälligerem
Bnndesbrüdern. Wenn sein Käse bei uns bei weitem nicht den Ruf des
Emmenthalers besitzt, so ist dies jedenfalls nicht die Schuld des Entlibuchers.
Die Verbindung dieses Thales mit der Welt war bis zur Eröffnung der
neuen Bahn nicht gerade günstig bestellt. Und wer sagt uns auch, daß der
Emmenthaler Käse, den wir gläubig als solchen verzehren, gerade im Emmen¬
thal gewachsen ist und nicht vielmehr im Entlibuch?
„Station Escholzmatt", ruft der Schaffner. Wir haben die Wasserscheide
zwischen Entlibuch und Emmenthal erreicht. Zu gigantischer Höhe thürmen
sich die Berge zur Rechten. Weit zerstreut liegt das Dorf auf dem tannen¬
bewachsenen Hügel zur Linken. Der lange Priestertalar, der dort unter den
Wartenden am Perron bemerklich ist, gemahnt uns, daß wir uns in dem stock¬
katholischsten Theil des „Lnzernerbiets" befinden. Wenige Stationen von hier
gegen Luzern zu, in Makkers, wurden dem blinden Fanatismus Roms im
Jahre 1847 mehr blutige Opfer dargebracht, als im ganzen übrigen Sonder¬
bundskriege. Unter dem jetzt in französischen Diensten als General stehenden
Oberst Ochsenbein hatten die Berner bei Littau, nahe Luzern, eine Schlappe
erlitten, welche unter den ungeübten Truppen panischen Schrecken erzeugte. In
wilder Flucht — die Kavallerie, welche die Brücke hinter Littan halten sollte,
voran, hinterdrein das bischen Artillerie und ein aufgelöster Hause Infanterie
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