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Die Grenzboten. Jg. 36, 1877, II. Semester. I. Band.

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bevor die Sache eintrat, und selbst die Ohren der frommen Väter blieben nicht
verschont von dein unheilverkündenden Klänge.*)

Daß, wie die Dinge lagen, mit Intoleranz und Fanatismus nichts gegen
die feindselige Stimmung auszurichten sei, war offenbar. Eher noch ließ sich
ein Umschlag erwarten, wenn in den Klöstern ein humaner, wirklich christlicher
Sinn gepflegt wurde, wenn man überhaupt irgend eine für die Welt ersprießliche
Thätigkeit aufzuweisen im Stande war. Die einsichtsvolleren unter den Ordens¬
geistlichen waren sich dessen ohne Zweifel sehr wohl bewußt und suchten ihr
Handeln demgemäß einzurichten. In Neresheim jedenfalls tritt im letzten
Viertel des Jahrhunderts das Bestreben, das Kloster zu dem zu machen, was
es eigentlich sein sollte, zu einem Mittelpunkte der Bildung für die Umgegend,
unverkennbar mehr und mehr zu Tage, obgleich nicht immer die richtigen Wege
eingeschlagen wurden. Vor allem war man auf die Erziehung der Jngend
bedacht, und schon jener öftersgenannte Despot hat in diesem Sinne, wie es
scheint, nicht ohne Erfolg gewirkt. Für den höheren Unterricht war durch die
Klosterschule gesorgt, in welcher die Patres selbst lehrten. In den siebziger Jahren
fing man an, anch auf die Volksschulen sein Augenwerk zu richten. Zunächst
wurde darauf gedrungen, daß alle Kinder, aber auch Erwachsene, wenn sie
noch ledig waren, wenigstens Gedrucktes lesen lernen mußten. Im Jahre 1778
wurde die sog. österreichische Normalschule auf Neresheimischem Gebiete eingeführt.
"Ein vorderösterreichischer Lehrer richtete unsern?. Beda Pracher, und dieser
wieder die Schulmeister vom Lande dazu ab". Und in der ganzen Umgegend
fand dieser Schritt Nachahmung. Der ?. Beda wurde sogar bis nach Se. Gallen
und Stuttgart berufen, um in den betreffenden Ländern die katholischen Volks¬
schulen nach Neresheimischem Muster einzurichten.

Die geistlichen Herren bewiesen eine löbliche Theilnahme für das Gedeihen
dieser Angelegenheit; sie waren eifrig bemüht durch fleißige Inspektionen und
Abhaltung von Prüfungen das Interesse dafür wach zu halten. In der Regel
waren mit Prüfungen dramatische Aufführungen verbunden. Einmal, im Ja¬
nuar 1782, wurde "von Schulkindern, bereu ältestes 8 Jahre zählte, eine sehr
nützliche und lehrreiche Commodie, Philidor der Kinderfreund oder die Nor¬
malschule betitelt, aufgeführt", "zu jedermanns Vergnügen und nicht ohne
vielmal vergoßene Freudenthrüuen." Neun Jahre später meldet nack mit



Schon im Jahre 1790 machte der Fürst von Ottingcn-Wallerstein den Vorschlag,
er wolle alle seine Ansprüche fallen lassen, und dafür solle nur von Seiten des Klosters zu¬
gestanden werden, "daß im Falle einer gänzlichen Aufhebung des Benediktinerordens und
benamentlich des hiesigen Reichsstiftes aus Verordnung des Kaisers und Reichs die ehemals
Prätendierten Rechte des Hanfes Oettingen Wallerstein über hiesiges Neichsstift wieder gelten
sollten."

bevor die Sache eintrat, und selbst die Ohren der frommen Väter blieben nicht
verschont von dein unheilverkündenden Klänge.*)

Daß, wie die Dinge lagen, mit Intoleranz und Fanatismus nichts gegen
die feindselige Stimmung auszurichten sei, war offenbar. Eher noch ließ sich
ein Umschlag erwarten, wenn in den Klöstern ein humaner, wirklich christlicher
Sinn gepflegt wurde, wenn man überhaupt irgend eine für die Welt ersprießliche
Thätigkeit aufzuweisen im Stande war. Die einsichtsvolleren unter den Ordens¬
geistlichen waren sich dessen ohne Zweifel sehr wohl bewußt und suchten ihr
Handeln demgemäß einzurichten. In Neresheim jedenfalls tritt im letzten
Viertel des Jahrhunderts das Bestreben, das Kloster zu dem zu machen, was
es eigentlich sein sollte, zu einem Mittelpunkte der Bildung für die Umgegend,
unverkennbar mehr und mehr zu Tage, obgleich nicht immer die richtigen Wege
eingeschlagen wurden. Vor allem war man auf die Erziehung der Jngend
bedacht, und schon jener öftersgenannte Despot hat in diesem Sinne, wie es
scheint, nicht ohne Erfolg gewirkt. Für den höheren Unterricht war durch die
Klosterschule gesorgt, in welcher die Patres selbst lehrten. In den siebziger Jahren
fing man an, anch auf die Volksschulen sein Augenwerk zu richten. Zunächst
wurde darauf gedrungen, daß alle Kinder, aber auch Erwachsene, wenn sie
noch ledig waren, wenigstens Gedrucktes lesen lernen mußten. Im Jahre 1778
wurde die sog. österreichische Normalschule auf Neresheimischem Gebiete eingeführt.
„Ein vorderösterreichischer Lehrer richtete unsern?. Beda Pracher, und dieser
wieder die Schulmeister vom Lande dazu ab". Und in der ganzen Umgegend
fand dieser Schritt Nachahmung. Der ?. Beda wurde sogar bis nach Se. Gallen
und Stuttgart berufen, um in den betreffenden Ländern die katholischen Volks¬
schulen nach Neresheimischem Muster einzurichten.

Die geistlichen Herren bewiesen eine löbliche Theilnahme für das Gedeihen
dieser Angelegenheit; sie waren eifrig bemüht durch fleißige Inspektionen und
Abhaltung von Prüfungen das Interesse dafür wach zu halten. In der Regel
waren mit Prüfungen dramatische Aufführungen verbunden. Einmal, im Ja¬
nuar 1782, wurde „von Schulkindern, bereu ältestes 8 Jahre zählte, eine sehr
nützliche und lehrreiche Commodie, Philidor der Kinderfreund oder die Nor¬
malschule betitelt, aufgeführt", „zu jedermanns Vergnügen und nicht ohne
vielmal vergoßene Freudenthrüuen." Neun Jahre später meldet nack mit



Schon im Jahre 1790 machte der Fürst von Ottingcn-Wallerstein den Vorschlag,
er wolle alle seine Ansprüche fallen lassen, und dafür solle nur von Seiten des Klosters zu¬
gestanden werden, „daß im Falle einer gänzlichen Aufhebung des Benediktinerordens und
benamentlich des hiesigen Reichsstiftes aus Verordnung des Kaisers und Reichs die ehemals
Prätendierten Rechte des Hanfes Oettingen Wallerstein über hiesiges Neichsstift wieder gelten
sollten."
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[0429] bevor die Sache eintrat, und selbst die Ohren der frommen Väter blieben nicht verschont von dein unheilverkündenden Klänge.*) Daß, wie die Dinge lagen, mit Intoleranz und Fanatismus nichts gegen die feindselige Stimmung auszurichten sei, war offenbar. Eher noch ließ sich ein Umschlag erwarten, wenn in den Klöstern ein humaner, wirklich christlicher Sinn gepflegt wurde, wenn man überhaupt irgend eine für die Welt ersprießliche Thätigkeit aufzuweisen im Stande war. Die einsichtsvolleren unter den Ordens¬ geistlichen waren sich dessen ohne Zweifel sehr wohl bewußt und suchten ihr Handeln demgemäß einzurichten. In Neresheim jedenfalls tritt im letzten Viertel des Jahrhunderts das Bestreben, das Kloster zu dem zu machen, was es eigentlich sein sollte, zu einem Mittelpunkte der Bildung für die Umgegend, unverkennbar mehr und mehr zu Tage, obgleich nicht immer die richtigen Wege eingeschlagen wurden. Vor allem war man auf die Erziehung der Jngend bedacht, und schon jener öftersgenannte Despot hat in diesem Sinne, wie es scheint, nicht ohne Erfolg gewirkt. Für den höheren Unterricht war durch die Klosterschule gesorgt, in welcher die Patres selbst lehrten. In den siebziger Jahren fing man an, anch auf die Volksschulen sein Augenwerk zu richten. Zunächst wurde darauf gedrungen, daß alle Kinder, aber auch Erwachsene, wenn sie noch ledig waren, wenigstens Gedrucktes lesen lernen mußten. Im Jahre 1778 wurde die sog. österreichische Normalschule auf Neresheimischem Gebiete eingeführt. „Ein vorderösterreichischer Lehrer richtete unsern?. Beda Pracher, und dieser wieder die Schulmeister vom Lande dazu ab". Und in der ganzen Umgegend fand dieser Schritt Nachahmung. Der ?. Beda wurde sogar bis nach Se. Gallen und Stuttgart berufen, um in den betreffenden Ländern die katholischen Volks¬ schulen nach Neresheimischem Muster einzurichten. Die geistlichen Herren bewiesen eine löbliche Theilnahme für das Gedeihen dieser Angelegenheit; sie waren eifrig bemüht durch fleißige Inspektionen und Abhaltung von Prüfungen das Interesse dafür wach zu halten. In der Regel waren mit Prüfungen dramatische Aufführungen verbunden. Einmal, im Ja¬ nuar 1782, wurde „von Schulkindern, bereu ältestes 8 Jahre zählte, eine sehr nützliche und lehrreiche Commodie, Philidor der Kinderfreund oder die Nor¬ malschule betitelt, aufgeführt", „zu jedermanns Vergnügen und nicht ohne vielmal vergoßene Freudenthrüuen." Neun Jahre später meldet nack mit Schon im Jahre 1790 machte der Fürst von Ottingcn-Wallerstein den Vorschlag, er wolle alle seine Ansprüche fallen lassen, und dafür solle nur von Seiten des Klosters zu¬ gestanden werden, „daß im Falle einer gänzlichen Aufhebung des Benediktinerordens und benamentlich des hiesigen Reichsstiftes aus Verordnung des Kaisers und Reichs die ehemals Prätendierten Rechte des Hanfes Oettingen Wallerstein über hiesiges Neichsstift wieder gelten sollten."

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Zitationshilfe: Die Grenzboten. Jg. 36, 1877, II. Semester. I. Band, S. . In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/grenzboten_341825_157647/429>, abgerufen am 29.09.2024.