Die Grenzboten. Jg. 36, 1877, II. Semester. I. Band.Im neueren Heschichte Frankreichs.*) Wieviel Frankreich durch die Katastrophe von 1870 an Ansehen verloren *) Karl Hillebrand, Geschichte Frankreichs von 1830--1871. Erster Theil, Gotha, F. A, Perthes, 1877. Grenzboten III. 1877. 40
Im neueren Heschichte Frankreichs.*) Wieviel Frankreich durch die Katastrophe von 1870 an Ansehen verloren *) Karl Hillebrand, Geschichte Frankreichs von 1830—1871. Erster Theil, Gotha, F. A, Perthes, 1877. Grenzboten III. 1877. 40
<TEI> <text> <body> <div> <div n="1"> <pb facs="#f0369" corresp="http://brema.suub.uni-bremen.de/grenzboten/periodical/pageview/138600"/> </div> <div n="1"> <head> Im neueren Heschichte Frankreichs.*)</head><lb/> <p xml:id="ID_1137" next="#ID_1138"> Wieviel Frankreich durch die Katastrophe von 1870 an Ansehen verloren<lb/> haben mag, den Ruf, die „interessanteste" Nation der Welt zu sein, hat es sich<lb/> unbestreitbar bewahrt. Gerade seit dem Mai dieses Jahres ist eine neue<lb/> Aera der Ueberraschungen eröffnet, und Niemand weiß bis heute zu sagen,<lb/> wie sie abschließen wird. Kein passenderer Augenblick als der gegenwärtige<lb/> konnte dem Erscheinen eines Buches beschieden sein, welches die Aufgabe<lb/> verfolgt, das räthselhafte Wesen dieses Volkes und seiner Geschicke durch klare<lb/> Darlegung der Thatsachen und Zusammenhänge verstündlich zu machen. Karl<lb/> Hillebrand's Buch über die „Sturm- und Drangperiode des Julikönigthums,"<lb/> der erste Theil einer auf fünf Bände berechneten Geschichte Frankreichs von<lb/> 1830—1871, löst diese Aufgabe in vortrefflicher Weise. Allgemein bekannt<lb/> .ist des Verfassers zuerst vor vier Jahren erschienenes Buch „Frankreich und die<lb/> Franzosen." Tiefe Kenntniß von Land und Leuten, scharfe Beobachtung, feine,<lb/> geistvolle Zeichnung, und vor allem volle Unbefangenheit des Urtheils haben<lb/> dieser Schrift in der zeitgenössischen deutschen Literatur einen hervorragenden<lb/> Platz verschafft. Dieselben Vorzüge sind die Zierde des vorliegenden Geschichts¬<lb/> werkes, nur daß dieses.zugleich den Rang einer strengwissenschaftlichen Arbeit<lb/> gediegenster Art beanspruchen darf. Einer systematisch-wissenschaftlichen Be¬<lb/> schreibung der politischen Geschichte vom Wiener Kongreß bis auf unsere Tage,<lb/> besonders aber seit der Julirevolution entbehren wir noch in hohem Grade.<lb/> Weniger die Unabgeschlossenheit der Entwickelung, die Unmöglichkeit einer von<lb/> dem mehr oder weniger unmittelbare,: Zusammenhange mit den Dingen selbst<lb/> losgelösten, streng unparteiischen Kritik, als die Verschlossenheit der Archive trägt<lb/> daran die Schuld. Hillebrand ist in der Lage gewesen, für seine Zwecke</p><lb/> <note xml:id="FID_42" place="foot"> *) Karl Hillebrand, Geschichte Frankreichs von 1830—1871. Erster Theil, Gotha,<lb/> F. A, Perthes, 1877.</note><lb/> <fw type="sig" place="bottom"> Grenzboten III. 1877. 40</fw><lb/> </div> </div> </body> </text> </TEI> [0369]
Im neueren Heschichte Frankreichs.*)
Wieviel Frankreich durch die Katastrophe von 1870 an Ansehen verloren
haben mag, den Ruf, die „interessanteste" Nation der Welt zu sein, hat es sich
unbestreitbar bewahrt. Gerade seit dem Mai dieses Jahres ist eine neue
Aera der Ueberraschungen eröffnet, und Niemand weiß bis heute zu sagen,
wie sie abschließen wird. Kein passenderer Augenblick als der gegenwärtige
konnte dem Erscheinen eines Buches beschieden sein, welches die Aufgabe
verfolgt, das räthselhafte Wesen dieses Volkes und seiner Geschicke durch klare
Darlegung der Thatsachen und Zusammenhänge verstündlich zu machen. Karl
Hillebrand's Buch über die „Sturm- und Drangperiode des Julikönigthums,"
der erste Theil einer auf fünf Bände berechneten Geschichte Frankreichs von
1830—1871, löst diese Aufgabe in vortrefflicher Weise. Allgemein bekannt
.ist des Verfassers zuerst vor vier Jahren erschienenes Buch „Frankreich und die
Franzosen." Tiefe Kenntniß von Land und Leuten, scharfe Beobachtung, feine,
geistvolle Zeichnung, und vor allem volle Unbefangenheit des Urtheils haben
dieser Schrift in der zeitgenössischen deutschen Literatur einen hervorragenden
Platz verschafft. Dieselben Vorzüge sind die Zierde des vorliegenden Geschichts¬
werkes, nur daß dieses.zugleich den Rang einer strengwissenschaftlichen Arbeit
gediegenster Art beanspruchen darf. Einer systematisch-wissenschaftlichen Be¬
schreibung der politischen Geschichte vom Wiener Kongreß bis auf unsere Tage,
besonders aber seit der Julirevolution entbehren wir noch in hohem Grade.
Weniger die Unabgeschlossenheit der Entwickelung, die Unmöglichkeit einer von
dem mehr oder weniger unmittelbare,: Zusammenhange mit den Dingen selbst
losgelösten, streng unparteiischen Kritik, als die Verschlossenheit der Archive trägt
daran die Schuld. Hillebrand ist in der Lage gewesen, für seine Zwecke
*) Karl Hillebrand, Geschichte Frankreichs von 1830—1871. Erster Theil, Gotha,
F. A, Perthes, 1877.
Grenzboten III. 1877. 40
Informationen zum Werk
Download dieses Werks
XML (TEI P5) ·
HTML ·
Text Metadaten zum WerkTEI-Header · CMDI · Dublin Core Ansichten dieser Seite
FeedbackSie haben einen Fehler gefunden? Dann können Sie diesen über unsere Qualitätssicherungsplattform DTAQ melden. Kommentar zur DTA-AusgabeDieses Werk wurde im Rahmen des Moduls DTA-Erweiterungen (DTAE) digitalisiert. Weitere Informationen … Staats- und Universitätsbibliothek (SuUB) Bremen: Bereitstellung der Texttranskription.
Kay-Michael Würzner: Bearbeitung der digitalen Edition.
Weitere Informationen:Verfahren der Texterfassung: OCR mit Nachkorrektur. Bogensignaturen: gekennzeichnet;Druckfehler: ignoriert;fremdsprachliches Material: nicht gekennzeichnet;Geminations-/Abkürzungsstriche: wie Vorlage;Hervorhebungen (Antiqua, Sperrschrift, Kursive etc.): nicht ausgezeichnet;i/j in Fraktur: wie Vorlage;I/J in Fraktur: wie Vorlage;Kolumnentitel: gekennzeichnet;Kustoden: gekennzeichnet;langes s (ſ): als s transkribiert;Normalisierungen: stillschweigend;rundes r (ꝛ): als r/et transkribiert;Seitenumbrüche markiert: ja;Silbentrennung: wie Vorlage;u/v bzw. U/V: wie Vorlage;Vokale mit übergest. e: als ä/ö/ü transkribiert;Vollständigkeit: vollständig erfasst;Zeichensetzung: wie Vorlage;Zeilenumbrüche markiert: ja; Nachkorrektur erfolgte automatisch.
|
Insbesondere im Hinblick auf die §§ 86a StGB und 130 StGB wird festgestellt, dass die auf diesen Seiten abgebildeten Inhalte weder in irgendeiner Form propagandistischen Zwecken dienen, oder Werbung für verbotene Organisationen oder Vereinigungen darstellen, oder nationalsozialistische Verbrechen leugnen oder verharmlosen, noch zum Zwecke der Herabwürdigung der Menschenwürde gezeigt werden. Die auf diesen Seiten abgebildeten Inhalte (in Wort und Bild) dienen im Sinne des § 86 StGB Abs. 3 ausschließlich historischen, sozial- oder kulturwissenschaftlichen Forschungszwecken. Ihre Veröffentlichung erfolgt in der Absicht, Wissen zur Anregung der intellektuellen Selbstständigkeit und Verantwortungsbereitschaft des Staatsbürgers zu vermitteln und damit der Förderung seiner Mündigkeit zu dienen.
2007–2024 Deutsches Textarchiv, Berlin-Brandenburgische Akademie der Wissenschaften.
Kontakt: redaktion(at)deutschestextarchiv.de. |