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Die Grenzboten. Jg. 36, 1877, II. Semester. I. Band.

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nach dein Vorbilde der Treppe im Hause des Pilatus. Wer sie knieend
hinaufrutschte, konnte reichen Ablaß gewinnen.

Ungeheure Veränderungen sind in den letzten hundert Jahren mit der
Residenz vorgegangen, die seitdem gegen Süden, Osten und Norden Neubauten
erhielt, welche ihre Gestalt durchgreifend modifizirten. Nur die Fa^abe gegen
die Nesidenzstraße hat sich bis auf unsere Tage erhalten. Wo hente der Königs-
bau sich erhebt, stand, wie erwähnt, damals noch das Riedler-Kloster; östlich
von demselben lehnte sich das neue Opernhaus (heute Residenztheater) an.
Seit den Bränden von 1726 und 1750 fehlte es an der Ost- und Nordseite
an monumentalen Fayaden, wie denn seit dieser Zeit von dem vormaligen
einheitlichen Charakter des maximilianischen Baues wenig oder gar nichts mehr
zu sehen war, wohl aber eine Anzahl von Wirthschaftsgebäuden, zwischen denen
an der Nordostecke der mächtige runde Thurm aufragte, in dem einst Herzog
Christof gefangen lag. Oestlich von der Residenz stand, von dieser durch einen
weiten gevierten Raum getrennt, das Neue Zeughaus mit zwei vorspringenden
Flügeln, mit Waffen und mancherlei Raritäten reichlich ausgestattet.

Der von Maximilian I. angelegte, gegen Süden mit einer Mauer, gegen
Westen von der Reitschule abgeschlossene Hofgarten hatte 1776 eine neue Gestalt
erhalten, indem Max III. an die Stelle der barocken Bnchsbeete mit Zwiebel¬
blumen Linden und Roßkastanien setzte. Mit der Residenz durch eine Gallerte
verbunden, bildete er gleichsam einen Theil derselben. Die Fußboden des langen
gewölbten Ganges an der Nordseite desselben waren mit Marmor belegt, an
den Wänden standen 14 Marmorbänke und dazwischen vier Statuen und Gruppen,
die Thaten des Herkules, die wir noch jetzt dort finden; desgleichen schmückten
Gemälde aus dem Leben Otto's von Wittelsbach die Wände. Dann folgte
in einer Ecke eine doppelte Grotte, mit Muschelwerk und Springbrunnen.
Der zweite tiefer liegende Theil des Hofgartens zeigte ein Rasenparterre
mit Orangenbäumen und in der Mitte einen großen Teich mit einer Insel,
zu beiden Seiten metallene Gruppen und Fontänen. Am Ende des Gartens
aber erhob sich ein kleines Gebäude, dessen Gemächer mit Marmor ausgelegt
und mit Statuen reich geschmückt waren.

Noch einmal auf den Schrannenplatz zurückgekehrt, wenden wir uns gegen
Osten und gehen unter dem Rathhausthurm oder durch das unterm großen
Saale des Rathhauses befindliche Brodhaus über ein Brücklein ins Thal
hinab. Das erste Haus linker Hand mit dem Löwen in Steinrelief bewohnte
der gestrenge Stadtoberrichter. Weiter unten floß ein Arm der Jsar quer
über die Straße, von einer hochliegenden, der sogenannten Hochbrücke über¬
spannt, und jenseits derselben sah man eine Mühle, daneben aber das schon


nach dein Vorbilde der Treppe im Hause des Pilatus. Wer sie knieend
hinaufrutschte, konnte reichen Ablaß gewinnen.

Ungeheure Veränderungen sind in den letzten hundert Jahren mit der
Residenz vorgegangen, die seitdem gegen Süden, Osten und Norden Neubauten
erhielt, welche ihre Gestalt durchgreifend modifizirten. Nur die Fa^abe gegen
die Nesidenzstraße hat sich bis auf unsere Tage erhalten. Wo hente der Königs-
bau sich erhebt, stand, wie erwähnt, damals noch das Riedler-Kloster; östlich
von demselben lehnte sich das neue Opernhaus (heute Residenztheater) an.
Seit den Bränden von 1726 und 1750 fehlte es an der Ost- und Nordseite
an monumentalen Fayaden, wie denn seit dieser Zeit von dem vormaligen
einheitlichen Charakter des maximilianischen Baues wenig oder gar nichts mehr
zu sehen war, wohl aber eine Anzahl von Wirthschaftsgebäuden, zwischen denen
an der Nordostecke der mächtige runde Thurm aufragte, in dem einst Herzog
Christof gefangen lag. Oestlich von der Residenz stand, von dieser durch einen
weiten gevierten Raum getrennt, das Neue Zeughaus mit zwei vorspringenden
Flügeln, mit Waffen und mancherlei Raritäten reichlich ausgestattet.

Der von Maximilian I. angelegte, gegen Süden mit einer Mauer, gegen
Westen von der Reitschule abgeschlossene Hofgarten hatte 1776 eine neue Gestalt
erhalten, indem Max III. an die Stelle der barocken Bnchsbeete mit Zwiebel¬
blumen Linden und Roßkastanien setzte. Mit der Residenz durch eine Gallerte
verbunden, bildete er gleichsam einen Theil derselben. Die Fußboden des langen
gewölbten Ganges an der Nordseite desselben waren mit Marmor belegt, an
den Wänden standen 14 Marmorbänke und dazwischen vier Statuen und Gruppen,
die Thaten des Herkules, die wir noch jetzt dort finden; desgleichen schmückten
Gemälde aus dem Leben Otto's von Wittelsbach die Wände. Dann folgte
in einer Ecke eine doppelte Grotte, mit Muschelwerk und Springbrunnen.
Der zweite tiefer liegende Theil des Hofgartens zeigte ein Rasenparterre
mit Orangenbäumen und in der Mitte einen großen Teich mit einer Insel,
zu beiden Seiten metallene Gruppen und Fontänen. Am Ende des Gartens
aber erhob sich ein kleines Gebäude, dessen Gemächer mit Marmor ausgelegt
und mit Statuen reich geschmückt waren.

Noch einmal auf den Schrannenplatz zurückgekehrt, wenden wir uns gegen
Osten und gehen unter dem Rathhausthurm oder durch das unterm großen
Saale des Rathhauses befindliche Brodhaus über ein Brücklein ins Thal
hinab. Das erste Haus linker Hand mit dem Löwen in Steinrelief bewohnte
der gestrenge Stadtoberrichter. Weiter unten floß ein Arm der Jsar quer
über die Straße, von einer hochliegenden, der sogenannten Hochbrücke über¬
spannt, und jenseits derselben sah man eine Mühle, daneben aber das schon


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[0358] nach dein Vorbilde der Treppe im Hause des Pilatus. Wer sie knieend hinaufrutschte, konnte reichen Ablaß gewinnen. Ungeheure Veränderungen sind in den letzten hundert Jahren mit der Residenz vorgegangen, die seitdem gegen Süden, Osten und Norden Neubauten erhielt, welche ihre Gestalt durchgreifend modifizirten. Nur die Fa^abe gegen die Nesidenzstraße hat sich bis auf unsere Tage erhalten. Wo hente der Königs- bau sich erhebt, stand, wie erwähnt, damals noch das Riedler-Kloster; östlich von demselben lehnte sich das neue Opernhaus (heute Residenztheater) an. Seit den Bränden von 1726 und 1750 fehlte es an der Ost- und Nordseite an monumentalen Fayaden, wie denn seit dieser Zeit von dem vormaligen einheitlichen Charakter des maximilianischen Baues wenig oder gar nichts mehr zu sehen war, wohl aber eine Anzahl von Wirthschaftsgebäuden, zwischen denen an der Nordostecke der mächtige runde Thurm aufragte, in dem einst Herzog Christof gefangen lag. Oestlich von der Residenz stand, von dieser durch einen weiten gevierten Raum getrennt, das Neue Zeughaus mit zwei vorspringenden Flügeln, mit Waffen und mancherlei Raritäten reichlich ausgestattet. Der von Maximilian I. angelegte, gegen Süden mit einer Mauer, gegen Westen von der Reitschule abgeschlossene Hofgarten hatte 1776 eine neue Gestalt erhalten, indem Max III. an die Stelle der barocken Bnchsbeete mit Zwiebel¬ blumen Linden und Roßkastanien setzte. Mit der Residenz durch eine Gallerte verbunden, bildete er gleichsam einen Theil derselben. Die Fußboden des langen gewölbten Ganges an der Nordseite desselben waren mit Marmor belegt, an den Wänden standen 14 Marmorbänke und dazwischen vier Statuen und Gruppen, die Thaten des Herkules, die wir noch jetzt dort finden; desgleichen schmückten Gemälde aus dem Leben Otto's von Wittelsbach die Wände. Dann folgte in einer Ecke eine doppelte Grotte, mit Muschelwerk und Springbrunnen. Der zweite tiefer liegende Theil des Hofgartens zeigte ein Rasenparterre mit Orangenbäumen und in der Mitte einen großen Teich mit einer Insel, zu beiden Seiten metallene Gruppen und Fontänen. Am Ende des Gartens aber erhob sich ein kleines Gebäude, dessen Gemächer mit Marmor ausgelegt und mit Statuen reich geschmückt waren. Noch einmal auf den Schrannenplatz zurückgekehrt, wenden wir uns gegen Osten und gehen unter dem Rathhausthurm oder durch das unterm großen Saale des Rathhauses befindliche Brodhaus über ein Brücklein ins Thal hinab. Das erste Haus linker Hand mit dem Löwen in Steinrelief bewohnte der gestrenge Stadtoberrichter. Weiter unten floß ein Arm der Jsar quer über die Straße, von einer hochliegenden, der sogenannten Hochbrücke über¬ spannt, und jenseits derselben sah man eine Mühle, daneben aber das schon

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Zitationshilfe: Die Grenzboten. Jg. 36, 1877, II. Semester. I. Band, S. . In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/grenzboten_341825_157647/358>, abgerufen am 28.09.2024.