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Die Grenzboten. Jg. 36, 1877, II. Semester. I. Band.

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hatte, in seinen alten Tagen hören wir ihn noch darüber seufzen, daß er sich
in seiner Andacht in Gedanken oft plötzlich in die Sophistenschule versetzt
fühle, in der er in Stutzerhaften Aufzug eine Cvntrvversrede deklamire. Und
wenn dieser Traum den Greis noch trotz seines halb reumüthigen Eingeständ¬
nisses der Eitelkeit mit innigem Behagen erfüllt, mit welch' hochfahrenden Ein¬
bildungen mag erst die Wirklichkeit die Brust des Jünglings geschwellt haben!

Mit den wissenschaftlichen Studien ging übrigens in Athen selbstverständ¬
lich die Pflege der Leibesübungen Hand in Hand; zu ihnen boten die Gym-
nasien der Stadt ausreichende Gelegenheit, und kein srcigebvrener Jüngling
durfte es unterlassen, sich für das Vaterland wehrhaft zu machen.

In den äußerlichen Einrichtungen des Unterrichts endlich begegnet uns
Vieles, was auch auf unseren Universitäten noch beibehalten ist. So herrschte
über die Unentbehrlichkeit der Ferien allgemeines EinVerständniß; nnr wurde
der Unterricht nicht in halbjährigen, sondern in Jahreskurseu ertheilt, an denen
die drei Sommermonate als gesetzliche Ferien in Abzug gebracht wurden.
Außerdem fielen die Vorlesungen noch an bestimmten festlichen Tagen aus,
z. V. wenn der neuernannte Prokonsul der Provinz zum ersten Male Athen
besuchte, auch wenn ein berühmter Sophist von answürts sich öffentlich hören
lassen wollte oder seine Fachgenossen an der Hochschule zu einer Disputation
herausgefordert hatte; auch baun, wenn die Stadtvbrigkeit durch einen Rhetor
der eigenen Hochschule einen Redeakt veranstaltete, oder wenn Lehrer derselben
zu eiuer Disputation einluden. Bei unerwarteten Zwischenfällen, welche die
Vorlesungen auszusetzen veranlaßten, erschien übrigens schon damals der An¬
schlag an der Thür des Auditoriums. Die Auditorien, mit Katheder und
Snbsellien eingerichtet, wie die unsrigen, befanden sich theils in öffentlichen
Gebänden, in Gymnasien, im Lyceum, in der Akademie, in der Stoa, theils
hatten die Lehrer ihre eignen Auditorien, Theater genannt, einige mit sehr
prächtiger Ausstattung. Die festlichen Reden und Disputationen wurden meist
im Theater des Agrippa gehalten. Nach alter gesetzlicher Bestimmung durfte
in Athen uach Sonnenuntergang kein öffentlicher Unterricht mehr ertheilt wer¬
den; indeß Genaueres über Zeit und Stundenzahl der einzelnen Vorlesungen
ist uns nicht bekannt. Als vielbenutztes Lehrmittel stand der Hochschule eine
reiche Bibliothek im Tempel des Zeus Panhellenios zu Gebote.

Gleich bei ihre-r Stiftung traten für die Hochschule von Athen
wenigstens einige Verfassungsbestimmungen ins Leben. Der Kaiser behielt sich
das Regiment der Hochschule vor; kraft dessen bestellte er die besoldeten Pro¬
fessoren, und obgleich er den Privatlehrern der Hochschule nicht eigentlich die
Erlaubniß zum Lehren ertheilte, so unterstellte er sie doch wenigstens so weit
der staatlichen Aufsicht, daß er sie so gut wie ihre besoldeten College" von


hatte, in seinen alten Tagen hören wir ihn noch darüber seufzen, daß er sich
in seiner Andacht in Gedanken oft plötzlich in die Sophistenschule versetzt
fühle, in der er in Stutzerhaften Aufzug eine Cvntrvversrede deklamire. Und
wenn dieser Traum den Greis noch trotz seines halb reumüthigen Eingeständ¬
nisses der Eitelkeit mit innigem Behagen erfüllt, mit welch' hochfahrenden Ein¬
bildungen mag erst die Wirklichkeit die Brust des Jünglings geschwellt haben!

Mit den wissenschaftlichen Studien ging übrigens in Athen selbstverständ¬
lich die Pflege der Leibesübungen Hand in Hand; zu ihnen boten die Gym-
nasien der Stadt ausreichende Gelegenheit, und kein srcigebvrener Jüngling
durfte es unterlassen, sich für das Vaterland wehrhaft zu machen.

In den äußerlichen Einrichtungen des Unterrichts endlich begegnet uns
Vieles, was auch auf unseren Universitäten noch beibehalten ist. So herrschte
über die Unentbehrlichkeit der Ferien allgemeines EinVerständniß; nnr wurde
der Unterricht nicht in halbjährigen, sondern in Jahreskurseu ertheilt, an denen
die drei Sommermonate als gesetzliche Ferien in Abzug gebracht wurden.
Außerdem fielen die Vorlesungen noch an bestimmten festlichen Tagen aus,
z. V. wenn der neuernannte Prokonsul der Provinz zum ersten Male Athen
besuchte, auch wenn ein berühmter Sophist von answürts sich öffentlich hören
lassen wollte oder seine Fachgenossen an der Hochschule zu einer Disputation
herausgefordert hatte; auch baun, wenn die Stadtvbrigkeit durch einen Rhetor
der eigenen Hochschule einen Redeakt veranstaltete, oder wenn Lehrer derselben
zu eiuer Disputation einluden. Bei unerwarteten Zwischenfällen, welche die
Vorlesungen auszusetzen veranlaßten, erschien übrigens schon damals der An¬
schlag an der Thür des Auditoriums. Die Auditorien, mit Katheder und
Snbsellien eingerichtet, wie die unsrigen, befanden sich theils in öffentlichen
Gebänden, in Gymnasien, im Lyceum, in der Akademie, in der Stoa, theils
hatten die Lehrer ihre eignen Auditorien, Theater genannt, einige mit sehr
prächtiger Ausstattung. Die festlichen Reden und Disputationen wurden meist
im Theater des Agrippa gehalten. Nach alter gesetzlicher Bestimmung durfte
in Athen uach Sonnenuntergang kein öffentlicher Unterricht mehr ertheilt wer¬
den; indeß Genaueres über Zeit und Stundenzahl der einzelnen Vorlesungen
ist uns nicht bekannt. Als vielbenutztes Lehrmittel stand der Hochschule eine
reiche Bibliothek im Tempel des Zeus Panhellenios zu Gebote.

Gleich bei ihre-r Stiftung traten für die Hochschule von Athen
wenigstens einige Verfassungsbestimmungen ins Leben. Der Kaiser behielt sich
das Regiment der Hochschule vor; kraft dessen bestellte er die besoldeten Pro¬
fessoren, und obgleich er den Privatlehrern der Hochschule nicht eigentlich die
Erlaubniß zum Lehren ertheilte, so unterstellte er sie doch wenigstens so weit
der staatlichen Aufsicht, daß er sie so gut wie ihre besoldeten College« von


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Zitationshilfe: Die Grenzboten. Jg. 36, 1877, II. Semester. I. Band, S. . In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/grenzboten_341825_157647/334>, abgerufen am 29.09.2024.