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Die Grenzboten. Jg. 36, 1877, II. Semester. I. Band.

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noch des Edikts Justinian's, welches im Jahre 529 die heidnischen Philosophen-
schulen schloß, bedurft hätte, um ihr ein rühmloses Ende zu bereiten.

Welche Disciplinen lehrte man denn nnn und in welcher Weise lehrte
man sie ans der Hochschule von Athen, deren Geschichte ich Ihnen eben in
raschen Zügen gezeichnet habe? Eine technische Fachbildung zu irgend welchem
bürgerlichen Berufe wollte sie ihren Schülern nicht mittheilen; sie bildete keine
Richter und Sachwalter oder Aerzte; aber Alles, was die humane Bildung
des sreigebvrenen Mannes ausmacht, das sollte gründlich gelehrt werden. Zu
diesem Zwecke wurden die Studirenden zunächst in die Kenntniß der griechischen
Literatur eingeführt; die Summe von Erkenntnissen und Erfahrungen, von
Anschauungen und Urtheilen, von Gesinnungen und Grundsätzen, welche in
derselben niedergelegt war, sollten sie sich aneignen und zugleich die Gesetze der
Behandlung der Sprache und der Darstellung ihren Meisterwerken ablauschen.
Daneben sollte thuen das Studium der Philosophie die wissenschaftliche Er¬
kenntniß des Seienden vermitteln; an der Hand dieser Führerin sollten ihre
Jünger göttliche und menschliche Dinge richtig auffassen und beurtheilen lernen.
Indeß alle diese Studien dienten einem höchsten praktischen Zwecke, ihr Ertrag
sollte nicht als todter Wissensstoff aufgespeichert werden; in kunstvoller Rede
sollten die Studirenden ihn für die lebendige Gegenwart verwerthen und ihre
freie Herrschaft über denselben bethätigen. Erst in der Unterweisung ihrer
Schüler zu formgewandter Beredsamkeit auf der Grundlage einer humanen
wissenschaftlichen Bildung schloß die Hochschule vou Athen ihren Lehrkursus
ab, und gerade ans die rednerische Bildung ihrer Zöglinge hat sie zu alleu
Zeiten ihre Hauptkraft verwendet.

In diesen Unterricht theilten sich Sophisten und Philosophen, und zwar
in freier Konkurrenz vom Staate besoldete, öffentliche Lehrer, wie Privntlehrer,
welche dieselben Gegenstände des Unterrichts oder bisweilen mehr vorbereitende
Disciplinen in Schulen behandelten, die sie auf ihre eignen Kosten gegründet
hatten. Die Zahl der besoldeten Professuren kann übrigens in Athen keine
bestimmt fixirte gewesen sein. Antoninus Pius scheint vier oder fünf Sophisten
angestellt zu haben, als ersten uuter thuen Lollianns; Commodus nur zwei,
Septimius Severus drei, und diese Zahl mag die gewöhnliche geblieben sein.
Auch die Anzahl der Philosophen wechselte. Antoninus Pius gründete nur
zwei philosophische Lehrstühle; dagegen wird von Marcus Aurelius, dem
Gönner der philosophische,: Studien, erzählt, daß er den Stoikern und den
Peripatetikern und wahrscheinlich auch den Akademikern und den Epikureeru je
zwei besoldete Vertreter bewilligt habe. Indeß so viele Philosophen auch
gleichzeitig an der Hochschule thätig sein mochten, die Methode des Unterrichts
war bei allen in ihren Grundzügen dieselbe; jeder von ihnen theilte seinen


noch des Edikts Justinian's, welches im Jahre 529 die heidnischen Philosophen-
schulen schloß, bedurft hätte, um ihr ein rühmloses Ende zu bereiten.

Welche Disciplinen lehrte man denn nnn und in welcher Weise lehrte
man sie ans der Hochschule von Athen, deren Geschichte ich Ihnen eben in
raschen Zügen gezeichnet habe? Eine technische Fachbildung zu irgend welchem
bürgerlichen Berufe wollte sie ihren Schülern nicht mittheilen; sie bildete keine
Richter und Sachwalter oder Aerzte; aber Alles, was die humane Bildung
des sreigebvrenen Mannes ausmacht, das sollte gründlich gelehrt werden. Zu
diesem Zwecke wurden die Studirenden zunächst in die Kenntniß der griechischen
Literatur eingeführt; die Summe von Erkenntnissen und Erfahrungen, von
Anschauungen und Urtheilen, von Gesinnungen und Grundsätzen, welche in
derselben niedergelegt war, sollten sie sich aneignen und zugleich die Gesetze der
Behandlung der Sprache und der Darstellung ihren Meisterwerken ablauschen.
Daneben sollte thuen das Studium der Philosophie die wissenschaftliche Er¬
kenntniß des Seienden vermitteln; an der Hand dieser Führerin sollten ihre
Jünger göttliche und menschliche Dinge richtig auffassen und beurtheilen lernen.
Indeß alle diese Studien dienten einem höchsten praktischen Zwecke, ihr Ertrag
sollte nicht als todter Wissensstoff aufgespeichert werden; in kunstvoller Rede
sollten die Studirenden ihn für die lebendige Gegenwart verwerthen und ihre
freie Herrschaft über denselben bethätigen. Erst in der Unterweisung ihrer
Schüler zu formgewandter Beredsamkeit auf der Grundlage einer humanen
wissenschaftlichen Bildung schloß die Hochschule vou Athen ihren Lehrkursus
ab, und gerade ans die rednerische Bildung ihrer Zöglinge hat sie zu alleu
Zeiten ihre Hauptkraft verwendet.

In diesen Unterricht theilten sich Sophisten und Philosophen, und zwar
in freier Konkurrenz vom Staate besoldete, öffentliche Lehrer, wie Privntlehrer,
welche dieselben Gegenstände des Unterrichts oder bisweilen mehr vorbereitende
Disciplinen in Schulen behandelten, die sie auf ihre eignen Kosten gegründet
hatten. Die Zahl der besoldeten Professuren kann übrigens in Athen keine
bestimmt fixirte gewesen sein. Antoninus Pius scheint vier oder fünf Sophisten
angestellt zu haben, als ersten uuter thuen Lollianns; Commodus nur zwei,
Septimius Severus drei, und diese Zahl mag die gewöhnliche geblieben sein.
Auch die Anzahl der Philosophen wechselte. Antoninus Pius gründete nur
zwei philosophische Lehrstühle; dagegen wird von Marcus Aurelius, dem
Gönner der philosophische,: Studien, erzählt, daß er den Stoikern und den
Peripatetikern und wahrscheinlich auch den Akademikern und den Epikureeru je
zwei besoldete Vertreter bewilligt habe. Indeß so viele Philosophen auch
gleichzeitig an der Hochschule thätig sein mochten, die Methode des Unterrichts
war bei allen in ihren Grundzügen dieselbe; jeder von ihnen theilte seinen


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Zitationshilfe: Die Grenzboten. Jg. 36, 1877, II. Semester. I. Band, S. . In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/grenzboten_341825_157647/332>, abgerufen am 29.09.2024.