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Die Grenzboten. Jg. 36, 1877, II. Semester. I. Band.

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baier'sehen Klosters Benediktbeuren hervor, welches der Pater Küchenmeister im
Jahre 1714 unter dem Titel "Absonderliche Anmerkungen, so in unsrer
Klosterküche das ganze Jahr hindurch zu beobachten sind/' zusammengestellt hat.
Gleich am ersten Feiertage, dem Aschermittwoch, heißt es über das Mittags¬
mahl: "Erstlich durchtriebene Erbssuppen mit gehabten Brodschnitten, Eier mit
Schmalz aus etlichen Schüsseln, soviel nämlich erklecklich sind, auch so viel
Schüsseln geröstete Hechte, alsdann ein guter Sudfisch, jedem seine Portion,
etliche Stückel aber mehr, damit Alles wohl erklecklich sei. Ebenso Spettl-
kraut, und aus jeder Schüssel vier Heringe. Nach diesen 4 Schüsseln gebackne
Dotter, ebenso 4 Schüsseln Platois, daß in jeder wenigstens 6 liegen;
dann 4 Schüsseln geselchte Renken oder eingemachte Ruten; mehr 4 Schüsseln
geschmälzten Stockfisch, 4 Stück Lachs in süßer Brühe mit Zwiebeln und Man¬
deln, 4 Schüsseln Schnecken in Häusern, 4 Mandeltorten, 4 Hasenöhrl und
ebenso viel Krebse und Zwetschen, und zuletzt 3 Schüsseln mit Obst." Man
vergleiche damit, was Seume von einer Fastenmahlzeit im Kloster zu Messina
berichtet. Das Volk wird also nicht Unrecht haben, wenn es meint: Es ist
noch kein Pfaff am Fasten gestorben. -- Die Pfaffen fasten, daß ihnen die
Bäuche schwellen. -- Da wird scharf gefastet, wo die Mönche müssen sür die
Bäuche deu Tisch ausschneiden lassen. -- Es ist gut Fastenpredigt halten,
wenn der Bauch voll ist, sagte der Bettler zum Pater. -- Die Fastenpredigt
eines Mönchs tönt wie eine Glocke, die zur Kirche ruft und selber nicht hinein¬
geht. -- Des Popen Mund redet vom Fasten und sein Bauch von gutem
Tisch," sagen die Russen. -- Pfaffen wissen es allezeit so zu machen, daß ihr
Hering zwei Nasen hat (d. h. daß sie statt eines deren zwei erwischen). --
Heute rüstet nur sechs Fische auf den Kopf, aber desto größere, sagte der Abt
am Karfreitag zum Küchenmeister. -- Unser Prior ißt gern das Weiße an
den Kapaunen -- und darnach auch das Andere. -- Ich kreuzige mein Fleisch,
sagte der Mönch, da legte er Schinken und Wildpret kreuzweise auf sein
Butterbrot. -- Wenn Mönche und Domherrn dabei gewesen wären, so hätte
unser Herr Christus das Wunder mit den fünf Broden bleiben lassen (denn
er hätte gewußt, was für Fresser sich an sie machen würden). -- Pfaffen
thun Buße und Pönitenz über ihre Sünden gleichwie die Ratte in der Speise¬
kammer über einer Seite Speck. -- Der Teufel mag beim Mittagsessen zu
kurz kommen, ich nicht, sagte der Mönch, da setzte er im Hornung zwei Tage
mehr in den Kalender.

Der Spruch: "Ein guter Trunk schadet dem Fasten nicht" leitet ein
Kapitel ein, welches die Meinungen des Volkes über die Kapazität der Welt-
und Klostergeistlichkeit zusammenstellt, und in welchem wir abermals einer Fülle
ergötzlicher Dinge begegnen. Wir wählen wieder Einiges davon ans. Die


baier'sehen Klosters Benediktbeuren hervor, welches der Pater Küchenmeister im
Jahre 1714 unter dem Titel „Absonderliche Anmerkungen, so in unsrer
Klosterküche das ganze Jahr hindurch zu beobachten sind/' zusammengestellt hat.
Gleich am ersten Feiertage, dem Aschermittwoch, heißt es über das Mittags¬
mahl: „Erstlich durchtriebene Erbssuppen mit gehabten Brodschnitten, Eier mit
Schmalz aus etlichen Schüsseln, soviel nämlich erklecklich sind, auch so viel
Schüsseln geröstete Hechte, alsdann ein guter Sudfisch, jedem seine Portion,
etliche Stückel aber mehr, damit Alles wohl erklecklich sei. Ebenso Spettl-
kraut, und aus jeder Schüssel vier Heringe. Nach diesen 4 Schüsseln gebackne
Dotter, ebenso 4 Schüsseln Platois, daß in jeder wenigstens 6 liegen;
dann 4 Schüsseln geselchte Renken oder eingemachte Ruten; mehr 4 Schüsseln
geschmälzten Stockfisch, 4 Stück Lachs in süßer Brühe mit Zwiebeln und Man¬
deln, 4 Schüsseln Schnecken in Häusern, 4 Mandeltorten, 4 Hasenöhrl und
ebenso viel Krebse und Zwetschen, und zuletzt 3 Schüsseln mit Obst." Man
vergleiche damit, was Seume von einer Fastenmahlzeit im Kloster zu Messina
berichtet. Das Volk wird also nicht Unrecht haben, wenn es meint: Es ist
noch kein Pfaff am Fasten gestorben. — Die Pfaffen fasten, daß ihnen die
Bäuche schwellen. — Da wird scharf gefastet, wo die Mönche müssen sür die
Bäuche deu Tisch ausschneiden lassen. — Es ist gut Fastenpredigt halten,
wenn der Bauch voll ist, sagte der Bettler zum Pater. — Die Fastenpredigt
eines Mönchs tönt wie eine Glocke, die zur Kirche ruft und selber nicht hinein¬
geht. — Des Popen Mund redet vom Fasten und sein Bauch von gutem
Tisch," sagen die Russen. — Pfaffen wissen es allezeit so zu machen, daß ihr
Hering zwei Nasen hat (d. h. daß sie statt eines deren zwei erwischen). —
Heute rüstet nur sechs Fische auf den Kopf, aber desto größere, sagte der Abt
am Karfreitag zum Küchenmeister. — Unser Prior ißt gern das Weiße an
den Kapaunen — und darnach auch das Andere. — Ich kreuzige mein Fleisch,
sagte der Mönch, da legte er Schinken und Wildpret kreuzweise auf sein
Butterbrot. — Wenn Mönche und Domherrn dabei gewesen wären, so hätte
unser Herr Christus das Wunder mit den fünf Broden bleiben lassen (denn
er hätte gewußt, was für Fresser sich an sie machen würden). — Pfaffen
thun Buße und Pönitenz über ihre Sünden gleichwie die Ratte in der Speise¬
kammer über einer Seite Speck. — Der Teufel mag beim Mittagsessen zu
kurz kommen, ich nicht, sagte der Mönch, da setzte er im Hornung zwei Tage
mehr in den Kalender.

Der Spruch: „Ein guter Trunk schadet dem Fasten nicht" leitet ein
Kapitel ein, welches die Meinungen des Volkes über die Kapazität der Welt-
und Klostergeistlichkeit zusammenstellt, und in welchem wir abermals einer Fülle
ergötzlicher Dinge begegnen. Wir wählen wieder Einiges davon ans. Die


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Zitationshilfe: Die Grenzboten. Jg. 36, 1877, II. Semester. I. Band, S. . In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/grenzboten_341825_157647/32>, abgerufen am 28.09.2024.