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Die Grenzboten. Jg. 36, 1877, II. Semester. I. Band.

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Herren?" erwiderte Hommel mit mildem Ernst. "Sie irren sehr, wenn Sie
mir eine solche Absicht zuschreiben. Im Gegentheil, ich kann Ihnen versichern,
daß diese Statue von mir als Zeichen der hohen Achtung aufgestellt worden
ist, welche die Menschheit Ihren Bemühungen und Gefahren schuldet, und daß
ich, wenn ich nicht Hommel wäre, gleich selbst ein Schornsteinfeger werden
würde." Die schwarze Schaar fühlte sich dnrch diese Rede so geehrt, daß sie
sich tief verbeugte und sich vou dem launigen Professor ohne weitere Ein¬
sprache mit vielen Gegenbücklingeu fortcomplimentiren ließ. Der unbewegliche
Essenkehrer aber war noch auf seinem Posten, als Rosen die Stadt verließ.

Ein sehr wohlhabender, aber auch sehr stolzer Docent war der Doctor
Behm, der Geschichte las. Er hatte eine reiche Frau geheirathet und bestieg
sein Katheder nie anders als in einem Kleide von Seidenbrockat. Von ihm
und einem Herrn v. Helmersen erzählte man sich nachstehendes Geschichtchen.
Helmersen war ein größrer Liebhaber voll Possenstreichen als vom Studiren.
Er hatte zwar ein Collegium bei Behm belegt, war aber dann wiederholt
davon weggeblieben, und Behm's Ehrgeiz hatte das sehr übel empfunden. Als
Helmersen sich nun endlich wieder einmal einfand, nahm der Professor die
Gelegenheit wahr, den lässigen Studenten auf die Wichtigkeit der Geschichte
aufmerksam zu machen und ihm zu bemerken, daß diese Wissenschaft ununter¬
brochenen Fleiß verlange, und daß namentlich in seinen Vorlesungen gehörig
nachgeschrieben werden müsse, wenn man etwas Tüchtiges zu lernen beabsichtige.
Helmersen ließ sich das nicht zweimal sagen, und am nächsten Tage erschien
er mit einem Bleistift von Armsdicke ans der Schulter, setzte sich dem seidenen
Herrn Professor gegenüber, machte ein Gesicht, das halb Schalkhaftigkeit und
halb gespannte Aufmerksamkeit war, spitzte seinen balkenförmigen Bleistift mit
einem winzigen Messerchen, wie man sie damals am Uhrgehänge zu tragen
pflegte, und schickte sich zum Nachschreiben an. Diese komische Vorbereitung,
noch mehr aber Helmersen's satirische Miene, erregte allgemeines Gelächter,
so daß Behm schließlich nichts übrig blieb, als Herrn v. Helmersen zu ersuchen,
das nächste Mal ein kleineres Instrument zur Aufzeichnung seines Vortrags
mitzubringen. Auch diesem Rathe kam Helmersen nach. Am andern Tage sah
man ihn wieder auf seinem Platze vor dem Katheder, und außer einem ver¬
schmitzt nachdenklichen Gesichte bemerkte man nichts Auffallendes an ihm. Behm
fing an zu dociren. Da zog Helmersen Plötzlich einen kleinen dünnen Bleistift
aus der Tasche und gleich darauf ein Messer von der Größe eines Schlacht¬
schwerts, das ihm in der Scheide an der Seite hing, und begann damit den
Bleistift auf possierliche Weise zu bearbeiten.- Wieder konnte man sich des
Lachens nicht erwehren, und Behm fand es rathsam, nichts weiter zu sagen.
Ein anderer weniger harmloser Streich lief für den lustigen Studiosus nicht


Herren?" erwiderte Hommel mit mildem Ernst. „Sie irren sehr, wenn Sie
mir eine solche Absicht zuschreiben. Im Gegentheil, ich kann Ihnen versichern,
daß diese Statue von mir als Zeichen der hohen Achtung aufgestellt worden
ist, welche die Menschheit Ihren Bemühungen und Gefahren schuldet, und daß
ich, wenn ich nicht Hommel wäre, gleich selbst ein Schornsteinfeger werden
würde." Die schwarze Schaar fühlte sich dnrch diese Rede so geehrt, daß sie
sich tief verbeugte und sich vou dem launigen Professor ohne weitere Ein¬
sprache mit vielen Gegenbücklingeu fortcomplimentiren ließ. Der unbewegliche
Essenkehrer aber war noch auf seinem Posten, als Rosen die Stadt verließ.

Ein sehr wohlhabender, aber auch sehr stolzer Docent war der Doctor
Behm, der Geschichte las. Er hatte eine reiche Frau geheirathet und bestieg
sein Katheder nie anders als in einem Kleide von Seidenbrockat. Von ihm
und einem Herrn v. Helmersen erzählte man sich nachstehendes Geschichtchen.
Helmersen war ein größrer Liebhaber voll Possenstreichen als vom Studiren.
Er hatte zwar ein Collegium bei Behm belegt, war aber dann wiederholt
davon weggeblieben, und Behm's Ehrgeiz hatte das sehr übel empfunden. Als
Helmersen sich nun endlich wieder einmal einfand, nahm der Professor die
Gelegenheit wahr, den lässigen Studenten auf die Wichtigkeit der Geschichte
aufmerksam zu machen und ihm zu bemerken, daß diese Wissenschaft ununter¬
brochenen Fleiß verlange, und daß namentlich in seinen Vorlesungen gehörig
nachgeschrieben werden müsse, wenn man etwas Tüchtiges zu lernen beabsichtige.
Helmersen ließ sich das nicht zweimal sagen, und am nächsten Tage erschien
er mit einem Bleistift von Armsdicke ans der Schulter, setzte sich dem seidenen
Herrn Professor gegenüber, machte ein Gesicht, das halb Schalkhaftigkeit und
halb gespannte Aufmerksamkeit war, spitzte seinen balkenförmigen Bleistift mit
einem winzigen Messerchen, wie man sie damals am Uhrgehänge zu tragen
pflegte, und schickte sich zum Nachschreiben an. Diese komische Vorbereitung,
noch mehr aber Helmersen's satirische Miene, erregte allgemeines Gelächter,
so daß Behm schließlich nichts übrig blieb, als Herrn v. Helmersen zu ersuchen,
das nächste Mal ein kleineres Instrument zur Aufzeichnung seines Vortrags
mitzubringen. Auch diesem Rathe kam Helmersen nach. Am andern Tage sah
man ihn wieder auf seinem Platze vor dem Katheder, und außer einem ver¬
schmitzt nachdenklichen Gesichte bemerkte man nichts Auffallendes an ihm. Behm
fing an zu dociren. Da zog Helmersen Plötzlich einen kleinen dünnen Bleistift
aus der Tasche und gleich darauf ein Messer von der Größe eines Schlacht¬
schwerts, das ihm in der Scheide an der Seite hing, und begann damit den
Bleistift auf possierliche Weise zu bearbeiten.- Wieder konnte man sich des
Lachens nicht erwehren, und Behm fand es rathsam, nichts weiter zu sagen.
Ein anderer weniger harmloser Streich lief für den lustigen Studiosus nicht


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[0316] Herren?" erwiderte Hommel mit mildem Ernst. „Sie irren sehr, wenn Sie mir eine solche Absicht zuschreiben. Im Gegentheil, ich kann Ihnen versichern, daß diese Statue von mir als Zeichen der hohen Achtung aufgestellt worden ist, welche die Menschheit Ihren Bemühungen und Gefahren schuldet, und daß ich, wenn ich nicht Hommel wäre, gleich selbst ein Schornsteinfeger werden würde." Die schwarze Schaar fühlte sich dnrch diese Rede so geehrt, daß sie sich tief verbeugte und sich vou dem launigen Professor ohne weitere Ein¬ sprache mit vielen Gegenbücklingeu fortcomplimentiren ließ. Der unbewegliche Essenkehrer aber war noch auf seinem Posten, als Rosen die Stadt verließ. Ein sehr wohlhabender, aber auch sehr stolzer Docent war der Doctor Behm, der Geschichte las. Er hatte eine reiche Frau geheirathet und bestieg sein Katheder nie anders als in einem Kleide von Seidenbrockat. Von ihm und einem Herrn v. Helmersen erzählte man sich nachstehendes Geschichtchen. Helmersen war ein größrer Liebhaber voll Possenstreichen als vom Studiren. Er hatte zwar ein Collegium bei Behm belegt, war aber dann wiederholt davon weggeblieben, und Behm's Ehrgeiz hatte das sehr übel empfunden. Als Helmersen sich nun endlich wieder einmal einfand, nahm der Professor die Gelegenheit wahr, den lässigen Studenten auf die Wichtigkeit der Geschichte aufmerksam zu machen und ihm zu bemerken, daß diese Wissenschaft ununter¬ brochenen Fleiß verlange, und daß namentlich in seinen Vorlesungen gehörig nachgeschrieben werden müsse, wenn man etwas Tüchtiges zu lernen beabsichtige. Helmersen ließ sich das nicht zweimal sagen, und am nächsten Tage erschien er mit einem Bleistift von Armsdicke ans der Schulter, setzte sich dem seidenen Herrn Professor gegenüber, machte ein Gesicht, das halb Schalkhaftigkeit und halb gespannte Aufmerksamkeit war, spitzte seinen balkenförmigen Bleistift mit einem winzigen Messerchen, wie man sie damals am Uhrgehänge zu tragen pflegte, und schickte sich zum Nachschreiben an. Diese komische Vorbereitung, noch mehr aber Helmersen's satirische Miene, erregte allgemeines Gelächter, so daß Behm schließlich nichts übrig blieb, als Herrn v. Helmersen zu ersuchen, das nächste Mal ein kleineres Instrument zur Aufzeichnung seines Vortrags mitzubringen. Auch diesem Rathe kam Helmersen nach. Am andern Tage sah man ihn wieder auf seinem Platze vor dem Katheder, und außer einem ver¬ schmitzt nachdenklichen Gesichte bemerkte man nichts Auffallendes an ihm. Behm fing an zu dociren. Da zog Helmersen Plötzlich einen kleinen dünnen Bleistift aus der Tasche und gleich darauf ein Messer von der Größe eines Schlacht¬ schwerts, das ihm in der Scheide an der Seite hing, und begann damit den Bleistift auf possierliche Weise zu bearbeiten.- Wieder konnte man sich des Lachens nicht erwehren, und Behm fand es rathsam, nichts weiter zu sagen. Ein anderer weniger harmloser Streich lief für den lustigen Studiosus nicht

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Zitationshilfe: Die Grenzboten. Jg. 36, 1877, II. Semester. I. Band, S. . In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/grenzboten_341825_157647/316>, abgerufen am 29.09.2024.