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Die Grenzboten. Jg. 36, 1877, II. Semester. I. Band.

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Jahren war, ein Baron de Villeneuve, Dr. Erhardt, Zanken, von meinen
Landsleuten aber keiner. Zu dieser Gesellschaft zahlte jedes Mitglied 2 Lvuisd'or,
womit zugleich die sechs Wachslichte bestritten wurden."

Ferner horte unser Studiosus juristische Enehelvpädie bei Professor Scott,
Geschichte bei Hilscher, Philosophie bei Cesar und Platner, Institutionen bei
Pohl, Naturrecht bei Sammt, Pandekten bei Bieuer, an dessen Disputationen
er sich später betheiligte, Phhsik bei I). Ludwig und einige andere Collegia.
Er schrieb fleißig nach, repetirte sorgfältig und galt für einen eifrig Studenten.
Platner war "ein Melanchthon im Aeußern, ein Plato im Reden, sein Hör-
saal (im Gewandhause) ein festlich geschmückter Philvsopheutempel", der häufig auch
von vornehmen Durchreisenden besucht wurde. Viel Beifall fand seine Moral mit
ihrer Glückseligkeitslehre. "Den Stolz jedes Standes stellte er sehr bilderreich
dar, auch den Gelehrtenstolz, obwohl ihm dieser trotz seiner Verstellung deutlich
aus deu Augen sah. Viel Aufmerksamkeit erregte damals sein Streit mit Wezel.
Letzterer hatte einmal geäußert, daß in der Theodicee Leibnitzens, den unser
Plattier vergötterte, das Raissvuuemeut nur wie ein Nachen auf dem weiten
Meer der Gelehrsamkeit umhergetrieben würde, womit er auf die vielen Citate
dieses großen Philosophen zielte. Dieß wurde Platner wiedererzählt, der jene
Censur über seinen Helden nicht ungerügt vertragen konnte und daher in einer
öffentlichen Vorlesung sich über Wezel ausließ, wie dieser sich habe einfallen
lassen können, Leibnitz zu beurtheilen. Das kam nun wieder Wezel zu Ohren,
und er ließ ein Epigramm wider Platner mit der Ueberschrift: "Doctor Pompel-
nnß" drucken, in dein er ihn mit dieser hohlen Frucht verglich. Platner schrieb
einen ganzen Bogen dagegen, Wezel aber drohte ihn mit seinen moralischen
Aphorismen anzugreifen, so daß dem Weltweisen (der in Wahrheit ein ziemlich
schaler Schönredner war) nun wirklich bange wurde, und er es gefährlich fand,
sich mit einem kernigen, freidenkenden Schriftsteller in eine offene Fehde einzu¬
lassen (was heutigen Pvmpelnüssen bisweilen ebenfalls passirt sein soll). Als
Leipzig neugierig auf deu Ausgang dieses Federkrieges zu werden begann, traf
es sich, daß Wezel uach Wien reisen mußte, und so verdankte Platner den
Göttern wieder seine Ruhe und Sicherheit."

Der Doctor Sammt war ein Original der derbsten Sorte. Er war preu¬
ßischer Unteroffizier gewesen, besaß aber sehr ausgebreitete juristische Kenntnisse
und hatte eigne gute Ideen sowie große Lebenserfahrung, weshalb seine Vor¬
lesungen stark besucht waren. Viel trug dazu auch seine wunderliche Weise,
sich auszudrücken bei. Sein Lieblingsschriftsteller war Gundling, den er oft
citirte. Brachte dieser eine Behauptung vor, die Sammt nicht gefiel, dann
hieß es auf dem Katheder: "Komm einmal her, Gundling; was hast Dn da
gesagt?" Nun widerlegte er diesen, Guudliug antwortete, und der Dialog endigte


Jahren war, ein Baron de Villeneuve, Dr. Erhardt, Zanken, von meinen
Landsleuten aber keiner. Zu dieser Gesellschaft zahlte jedes Mitglied 2 Lvuisd'or,
womit zugleich die sechs Wachslichte bestritten wurden."

Ferner horte unser Studiosus juristische Enehelvpädie bei Professor Scott,
Geschichte bei Hilscher, Philosophie bei Cesar und Platner, Institutionen bei
Pohl, Naturrecht bei Sammt, Pandekten bei Bieuer, an dessen Disputationen
er sich später betheiligte, Phhsik bei I). Ludwig und einige andere Collegia.
Er schrieb fleißig nach, repetirte sorgfältig und galt für einen eifrig Studenten.
Platner war „ein Melanchthon im Aeußern, ein Plato im Reden, sein Hör-
saal (im Gewandhause) ein festlich geschmückter Philvsopheutempel", der häufig auch
von vornehmen Durchreisenden besucht wurde. Viel Beifall fand seine Moral mit
ihrer Glückseligkeitslehre. „Den Stolz jedes Standes stellte er sehr bilderreich
dar, auch den Gelehrtenstolz, obwohl ihm dieser trotz seiner Verstellung deutlich
aus deu Augen sah. Viel Aufmerksamkeit erregte damals sein Streit mit Wezel.
Letzterer hatte einmal geäußert, daß in der Theodicee Leibnitzens, den unser
Plattier vergötterte, das Raissvuuemeut nur wie ein Nachen auf dem weiten
Meer der Gelehrsamkeit umhergetrieben würde, womit er auf die vielen Citate
dieses großen Philosophen zielte. Dieß wurde Platner wiedererzählt, der jene
Censur über seinen Helden nicht ungerügt vertragen konnte und daher in einer
öffentlichen Vorlesung sich über Wezel ausließ, wie dieser sich habe einfallen
lassen können, Leibnitz zu beurtheilen. Das kam nun wieder Wezel zu Ohren,
und er ließ ein Epigramm wider Platner mit der Ueberschrift: „Doctor Pompel-
nnß" drucken, in dein er ihn mit dieser hohlen Frucht verglich. Platner schrieb
einen ganzen Bogen dagegen, Wezel aber drohte ihn mit seinen moralischen
Aphorismen anzugreifen, so daß dem Weltweisen (der in Wahrheit ein ziemlich
schaler Schönredner war) nun wirklich bange wurde, und er es gefährlich fand,
sich mit einem kernigen, freidenkenden Schriftsteller in eine offene Fehde einzu¬
lassen (was heutigen Pvmpelnüssen bisweilen ebenfalls passirt sein soll). Als
Leipzig neugierig auf deu Ausgang dieses Federkrieges zu werden begann, traf
es sich, daß Wezel uach Wien reisen mußte, und so verdankte Platner den
Göttern wieder seine Ruhe und Sicherheit."

Der Doctor Sammt war ein Original der derbsten Sorte. Er war preu¬
ßischer Unteroffizier gewesen, besaß aber sehr ausgebreitete juristische Kenntnisse
und hatte eigne gute Ideen sowie große Lebenserfahrung, weshalb seine Vor¬
lesungen stark besucht waren. Viel trug dazu auch seine wunderliche Weise,
sich auszudrücken bei. Sein Lieblingsschriftsteller war Gundling, den er oft
citirte. Brachte dieser eine Behauptung vor, die Sammt nicht gefiel, dann
hieß es auf dem Katheder: „Komm einmal her, Gundling; was hast Dn da
gesagt?" Nun widerlegte er diesen, Guudliug antwortete, und der Dialog endigte


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[0312] Jahren war, ein Baron de Villeneuve, Dr. Erhardt, Zanken, von meinen Landsleuten aber keiner. Zu dieser Gesellschaft zahlte jedes Mitglied 2 Lvuisd'or, womit zugleich die sechs Wachslichte bestritten wurden." Ferner horte unser Studiosus juristische Enehelvpädie bei Professor Scott, Geschichte bei Hilscher, Philosophie bei Cesar und Platner, Institutionen bei Pohl, Naturrecht bei Sammt, Pandekten bei Bieuer, an dessen Disputationen er sich später betheiligte, Phhsik bei I). Ludwig und einige andere Collegia. Er schrieb fleißig nach, repetirte sorgfältig und galt für einen eifrig Studenten. Platner war „ein Melanchthon im Aeußern, ein Plato im Reden, sein Hör- saal (im Gewandhause) ein festlich geschmückter Philvsopheutempel", der häufig auch von vornehmen Durchreisenden besucht wurde. Viel Beifall fand seine Moral mit ihrer Glückseligkeitslehre. „Den Stolz jedes Standes stellte er sehr bilderreich dar, auch den Gelehrtenstolz, obwohl ihm dieser trotz seiner Verstellung deutlich aus deu Augen sah. Viel Aufmerksamkeit erregte damals sein Streit mit Wezel. Letzterer hatte einmal geäußert, daß in der Theodicee Leibnitzens, den unser Plattier vergötterte, das Raissvuuemeut nur wie ein Nachen auf dem weiten Meer der Gelehrsamkeit umhergetrieben würde, womit er auf die vielen Citate dieses großen Philosophen zielte. Dieß wurde Platner wiedererzählt, der jene Censur über seinen Helden nicht ungerügt vertragen konnte und daher in einer öffentlichen Vorlesung sich über Wezel ausließ, wie dieser sich habe einfallen lassen können, Leibnitz zu beurtheilen. Das kam nun wieder Wezel zu Ohren, und er ließ ein Epigramm wider Platner mit der Ueberschrift: „Doctor Pompel- nnß" drucken, in dein er ihn mit dieser hohlen Frucht verglich. Platner schrieb einen ganzen Bogen dagegen, Wezel aber drohte ihn mit seinen moralischen Aphorismen anzugreifen, so daß dem Weltweisen (der in Wahrheit ein ziemlich schaler Schönredner war) nun wirklich bange wurde, und er es gefährlich fand, sich mit einem kernigen, freidenkenden Schriftsteller in eine offene Fehde einzu¬ lassen (was heutigen Pvmpelnüssen bisweilen ebenfalls passirt sein soll). Als Leipzig neugierig auf deu Ausgang dieses Federkrieges zu werden begann, traf es sich, daß Wezel uach Wien reisen mußte, und so verdankte Platner den Göttern wieder seine Ruhe und Sicherheit." Der Doctor Sammt war ein Original der derbsten Sorte. Er war preu¬ ßischer Unteroffizier gewesen, besaß aber sehr ausgebreitete juristische Kenntnisse und hatte eigne gute Ideen sowie große Lebenserfahrung, weshalb seine Vor¬ lesungen stark besucht waren. Viel trug dazu auch seine wunderliche Weise, sich auszudrücken bei. Sein Lieblingsschriftsteller war Gundling, den er oft citirte. Brachte dieser eine Behauptung vor, die Sammt nicht gefiel, dann hieß es auf dem Katheder: „Komm einmal her, Gundling; was hast Dn da gesagt?" Nun widerlegte er diesen, Guudliug antwortete, und der Dialog endigte

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Zitationshilfe: Die Grenzboten. Jg. 36, 1877, II. Semester. I. Band, S. . In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/grenzboten_341825_157647/312>, abgerufen am 29.09.2024.