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Die Grenzboten. Jg. 36, 1877, II. Semester. I. Band.

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seinen Bericht in der Hauptsache zusammen, ordnen den Stoff übersichtlicher
und beschränken uns mit einigen Ausnahmen auf das, ums er von der Uni¬
versität und dem Treiben der damaligen leipziger Professoren und Studenten
erzählt.

Nachdem der junge Mann, ein Baron v. Rosen, in Leipzig mit einem
damals ganz stattlichen Wechsel von 500 Silberrubeln jährlich in Leipzig an¬
gekommen war, stieg er im Hotel de Baviere ab und miethete sich nach einigen
Tagen eine Wohnung bei Professor Eck in der Petersstraße, die er später ver¬
ließ, um sich bei Professor Clodius in Logis und Kost zu geben, bei welchen:
früher Landsleute des angehenden Mnsenfvhnes gewohnt und gegessen hatten.
Man bezahlte in diesem Hause für den Mittagstisch 20, für das Abendessen
10 und für Quartier 15 Thaler monatlich, was nicht wenig ist, wenn man
an die damalige Wohlfeilheit aller Lebensbedürfnisse denkt und überdieß liest,
daß die Tafel bisweilen mangelhaft war. Was hier fehlte, wurde dnrch die
Liebenswürdigkeit der Fran Professorin und angenehme andere Tischgäste
a,lsgeglichen. Unter den letzteren erwarb sich besonders ein Dr. Seeger die
Zuneigung unseres Berichterstatters, während von Clodius nur gesagt wird,
er sei "in früheren Zeiten ein ziemlich munterer Kopf gewesen." Seeger war
ein Schüler des durch seine Staatsschriften berühmt gewordenen Maskow. Er
hielt Vorlesungen, war Assessor im Reichshofrathe, ein Freund der Studenten
und zugleich ein feiner Weltmann, dessen Unterhaltung Alt und Jung, Ge¬
bildete und Ungebildete belustigte. Obgleich er nicht mehr jung und von den
Blattern sehr entstellt war, gefiel er der Damenwelt. Fremde von Rang und
die sächsischen Minister suchten seinen Rath. In Privatgesellschaften betheiligte
er sich an jedem Vergnügen und half Sprichwörter und Spiele ausführen,
wobei er sich zuweilen in ein Frauenzimmer verkleidete. Er war es, der
unsern Baron in die juristischen Studien einführte und ihn mit den Lehrern
bekannt machte, die derselbe zu hören hatte. Um als Gelehrter und Staats¬
mann wirken, zugleich aber die Pflichten des Weltmannes reichlich erfüllen zu
können, brach er sich von seiner nächtlichen Ruhe so viel ab, daß er darüber
in Irrsinn verfiel, in welchem Zustande er nach einiger Zeit starb. Durch
Clodius, der zwar arm, aber gastfrei war, wurde v. Rosen auch mit andern
damals in Leipzig bedeutenden Männern, z. B. mit Gyarre, Zollikofer, Salis
und Raynal bekannt.

Gleich in den ersten Tagen nach seiner Ankunft unterwarf sich der Fuchs vou
der baltischen Küste den Universitätsvorschriften und den studentischen Bräuchen,
d. h. er ließ sich immatrikuliren, unterzog sich dem Possenspiel der Depositum
und trat in eine Landsmannschaft ein. Er bemerkt in Betreff der letztere", daß
in Leipzig unter den 15 bis 1,700 Studenten, welche damals sich hier auf-


seinen Bericht in der Hauptsache zusammen, ordnen den Stoff übersichtlicher
und beschränken uns mit einigen Ausnahmen auf das, ums er von der Uni¬
versität und dem Treiben der damaligen leipziger Professoren und Studenten
erzählt.

Nachdem der junge Mann, ein Baron v. Rosen, in Leipzig mit einem
damals ganz stattlichen Wechsel von 500 Silberrubeln jährlich in Leipzig an¬
gekommen war, stieg er im Hotel de Baviere ab und miethete sich nach einigen
Tagen eine Wohnung bei Professor Eck in der Petersstraße, die er später ver¬
ließ, um sich bei Professor Clodius in Logis und Kost zu geben, bei welchen:
früher Landsleute des angehenden Mnsenfvhnes gewohnt und gegessen hatten.
Man bezahlte in diesem Hause für den Mittagstisch 20, für das Abendessen
10 und für Quartier 15 Thaler monatlich, was nicht wenig ist, wenn man
an die damalige Wohlfeilheit aller Lebensbedürfnisse denkt und überdieß liest,
daß die Tafel bisweilen mangelhaft war. Was hier fehlte, wurde dnrch die
Liebenswürdigkeit der Fran Professorin und angenehme andere Tischgäste
a,lsgeglichen. Unter den letzteren erwarb sich besonders ein Dr. Seeger die
Zuneigung unseres Berichterstatters, während von Clodius nur gesagt wird,
er sei „in früheren Zeiten ein ziemlich munterer Kopf gewesen." Seeger war
ein Schüler des durch seine Staatsschriften berühmt gewordenen Maskow. Er
hielt Vorlesungen, war Assessor im Reichshofrathe, ein Freund der Studenten
und zugleich ein feiner Weltmann, dessen Unterhaltung Alt und Jung, Ge¬
bildete und Ungebildete belustigte. Obgleich er nicht mehr jung und von den
Blattern sehr entstellt war, gefiel er der Damenwelt. Fremde von Rang und
die sächsischen Minister suchten seinen Rath. In Privatgesellschaften betheiligte
er sich an jedem Vergnügen und half Sprichwörter und Spiele ausführen,
wobei er sich zuweilen in ein Frauenzimmer verkleidete. Er war es, der
unsern Baron in die juristischen Studien einführte und ihn mit den Lehrern
bekannt machte, die derselbe zu hören hatte. Um als Gelehrter und Staats¬
mann wirken, zugleich aber die Pflichten des Weltmannes reichlich erfüllen zu
können, brach er sich von seiner nächtlichen Ruhe so viel ab, daß er darüber
in Irrsinn verfiel, in welchem Zustande er nach einiger Zeit starb. Durch
Clodius, der zwar arm, aber gastfrei war, wurde v. Rosen auch mit andern
damals in Leipzig bedeutenden Männern, z. B. mit Gyarre, Zollikofer, Salis
und Raynal bekannt.

Gleich in den ersten Tagen nach seiner Ankunft unterwarf sich der Fuchs vou
der baltischen Küste den Universitätsvorschriften und den studentischen Bräuchen,
d. h. er ließ sich immatrikuliren, unterzog sich dem Possenspiel der Depositum
und trat in eine Landsmannschaft ein. Er bemerkt in Betreff der letztere», daß
in Leipzig unter den 15 bis 1,700 Studenten, welche damals sich hier auf-


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[0309] seinen Bericht in der Hauptsache zusammen, ordnen den Stoff übersichtlicher und beschränken uns mit einigen Ausnahmen auf das, ums er von der Uni¬ versität und dem Treiben der damaligen leipziger Professoren und Studenten erzählt. Nachdem der junge Mann, ein Baron v. Rosen, in Leipzig mit einem damals ganz stattlichen Wechsel von 500 Silberrubeln jährlich in Leipzig an¬ gekommen war, stieg er im Hotel de Baviere ab und miethete sich nach einigen Tagen eine Wohnung bei Professor Eck in der Petersstraße, die er später ver¬ ließ, um sich bei Professor Clodius in Logis und Kost zu geben, bei welchen: früher Landsleute des angehenden Mnsenfvhnes gewohnt und gegessen hatten. Man bezahlte in diesem Hause für den Mittagstisch 20, für das Abendessen 10 und für Quartier 15 Thaler monatlich, was nicht wenig ist, wenn man an die damalige Wohlfeilheit aller Lebensbedürfnisse denkt und überdieß liest, daß die Tafel bisweilen mangelhaft war. Was hier fehlte, wurde dnrch die Liebenswürdigkeit der Fran Professorin und angenehme andere Tischgäste a,lsgeglichen. Unter den letzteren erwarb sich besonders ein Dr. Seeger die Zuneigung unseres Berichterstatters, während von Clodius nur gesagt wird, er sei „in früheren Zeiten ein ziemlich munterer Kopf gewesen." Seeger war ein Schüler des durch seine Staatsschriften berühmt gewordenen Maskow. Er hielt Vorlesungen, war Assessor im Reichshofrathe, ein Freund der Studenten und zugleich ein feiner Weltmann, dessen Unterhaltung Alt und Jung, Ge¬ bildete und Ungebildete belustigte. Obgleich er nicht mehr jung und von den Blattern sehr entstellt war, gefiel er der Damenwelt. Fremde von Rang und die sächsischen Minister suchten seinen Rath. In Privatgesellschaften betheiligte er sich an jedem Vergnügen und half Sprichwörter und Spiele ausführen, wobei er sich zuweilen in ein Frauenzimmer verkleidete. Er war es, der unsern Baron in die juristischen Studien einführte und ihn mit den Lehrern bekannt machte, die derselbe zu hören hatte. Um als Gelehrter und Staats¬ mann wirken, zugleich aber die Pflichten des Weltmannes reichlich erfüllen zu können, brach er sich von seiner nächtlichen Ruhe so viel ab, daß er darüber in Irrsinn verfiel, in welchem Zustande er nach einiger Zeit starb. Durch Clodius, der zwar arm, aber gastfrei war, wurde v. Rosen auch mit andern damals in Leipzig bedeutenden Männern, z. B. mit Gyarre, Zollikofer, Salis und Raynal bekannt. Gleich in den ersten Tagen nach seiner Ankunft unterwarf sich der Fuchs vou der baltischen Küste den Universitätsvorschriften und den studentischen Bräuchen, d. h. er ließ sich immatrikuliren, unterzog sich dem Possenspiel der Depositum und trat in eine Landsmannschaft ein. Er bemerkt in Betreff der letztere», daß in Leipzig unter den 15 bis 1,700 Studenten, welche damals sich hier auf-

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Zitationshilfe: Die Grenzboten. Jg. 36, 1877, II. Semester. I. Band, S. . In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/grenzboten_341825_157647/309>, abgerufen am 28.09.2024.