Anmelden (DTAQ) DWDS     dlexDB     CLARIN-D

Die Grenzboten. Jg. 36, 1877, II. Semester. I. Band.

Bild:
<< vorherige Seite

Abschiedsfvrmalität etwas von den Illusionen rcinben zu lassen, welche die gute
alte Zeit wohl sonst in uns zu erwecken Pflegt, wollen wir jedoch nunmehr
auch der Burgmilice ein ^re-^voll sagen, dabei aber nicht unterlassen, der
Vorsehung zu danken, daß ein solcher militärischer Mikrokosmus jetzt zu den
überwundenen Standpunkten gehört.

Da wir wohl annehmen dürfen, daß der Kniphcmsenschen Kriegsvölker in
kriegsgeschichtlichen Werken und in Schlachtberichten niemals Erwähnung ge¬
schehen ist, so gereicht es uns zur besonderen Genugthuung, wenigstens den
Versuch gemacht zu haben, sie gänzlicher Vergessenheit zu entziehen, zunächst
allerdings als warnende Exemplifikation für diejenigen, welche am neuen
deutschen Reich uoch immer keine rechte Freude haben können.

Ehe wir jedoch vom Leser gänzlich scheiden, halten wir uns für verpflich¬
tet, über die ferneren politischen Schicksale der Herrlichkeit Kniphausen, die
nicht ohne Interesse sind, in aller Kürze zu berichten. Ist doch das macedonische,
das römische Reich untergegangen, warum nicht auch die Herrlichkeit Kniphausen!
Jedoch nicht uuter dem Lärm der Waffen brach sie zusammen, sie siechte viel¬
mehr langsam dahin an einem vieljährigen Prozesse, und der selige Bundestag
war noch berufen, ihr die Grabrede zu halten.

Wir haben oben gesehen, daß der erste regirende Graf Wilhelm ans dem
Haufe Bentinck von seiner Gemahlin getrennt Klebte. Dies Verhältniß änderte
sich auch nicht. Nach dem Tode des Grafen Wilhelm übernahm sein Sohn
Wilhelm Gustav die Regierung, und dessen Mutter, Charlotte Sophie, die
letzte Erbgräfin aus dem Hause Altenburg, starb hochbetagt im Jahre 1800
zu Hamburg.

Ob die Wellen der französischen Revolution auch bis an die Thore der
Burg Kniphausen geschlagen haben, und ob etwa der regierende Graf mit der
französischen Republik einen Neutralitätsvertrag abschloß, gleich wie sein Vor¬
fahr Graf Anton II. von Aldenburg mit Ludwig XIV.*), davon schweigt die
Geschichte. Jedenfalls war der Neichsdepntationsbeschluß vom 25. Februar
1803 spurlos an der Herrlichkeit Kniphausen vorübergegangen, und auch nach
Auflösung des deutschen Reichsverbandes fristete sie ihre Unabhängigkeit, ohne
in den Rheinbund aufgenommen zu werden. Es war diese Zeit sogar eine
Glanzperiode für die Herrlichkeit; denn notorisch wurde, in der ersten Zeit der
Kontinentalsperre, der Handel zwischen England und einem Theile des Kor-



*) Graf Anton II. erhielt von Ludwig XIV. für die Herrlichkeit Kniphausen und die
Herrschaft Vnrcl einen unter dem 23. Juli 1672 ausgestellten Ncntralitätsbrief, in Absicht
auf alle französischen Kriege in Deutschland.

Abschiedsfvrmalität etwas von den Illusionen rcinben zu lassen, welche die gute
alte Zeit wohl sonst in uns zu erwecken Pflegt, wollen wir jedoch nunmehr
auch der Burgmilice ein ^re-^voll sagen, dabei aber nicht unterlassen, der
Vorsehung zu danken, daß ein solcher militärischer Mikrokosmus jetzt zu den
überwundenen Standpunkten gehört.

Da wir wohl annehmen dürfen, daß der Kniphcmsenschen Kriegsvölker in
kriegsgeschichtlichen Werken und in Schlachtberichten niemals Erwähnung ge¬
schehen ist, so gereicht es uns zur besonderen Genugthuung, wenigstens den
Versuch gemacht zu haben, sie gänzlicher Vergessenheit zu entziehen, zunächst
allerdings als warnende Exemplifikation für diejenigen, welche am neuen
deutschen Reich uoch immer keine rechte Freude haben können.

Ehe wir jedoch vom Leser gänzlich scheiden, halten wir uns für verpflich¬
tet, über die ferneren politischen Schicksale der Herrlichkeit Kniphausen, die
nicht ohne Interesse sind, in aller Kürze zu berichten. Ist doch das macedonische,
das römische Reich untergegangen, warum nicht auch die Herrlichkeit Kniphausen!
Jedoch nicht uuter dem Lärm der Waffen brach sie zusammen, sie siechte viel¬
mehr langsam dahin an einem vieljährigen Prozesse, und der selige Bundestag
war noch berufen, ihr die Grabrede zu halten.

Wir haben oben gesehen, daß der erste regirende Graf Wilhelm ans dem
Haufe Bentinck von seiner Gemahlin getrennt Klebte. Dies Verhältniß änderte
sich auch nicht. Nach dem Tode des Grafen Wilhelm übernahm sein Sohn
Wilhelm Gustav die Regierung, und dessen Mutter, Charlotte Sophie, die
letzte Erbgräfin aus dem Hause Altenburg, starb hochbetagt im Jahre 1800
zu Hamburg.

Ob die Wellen der französischen Revolution auch bis an die Thore der
Burg Kniphausen geschlagen haben, und ob etwa der regierende Graf mit der
französischen Republik einen Neutralitätsvertrag abschloß, gleich wie sein Vor¬
fahr Graf Anton II. von Aldenburg mit Ludwig XIV.*), davon schweigt die
Geschichte. Jedenfalls war der Neichsdepntationsbeschluß vom 25. Februar
1803 spurlos an der Herrlichkeit Kniphausen vorübergegangen, und auch nach
Auflösung des deutschen Reichsverbandes fristete sie ihre Unabhängigkeit, ohne
in den Rheinbund aufgenommen zu werden. Es war diese Zeit sogar eine
Glanzperiode für die Herrlichkeit; denn notorisch wurde, in der ersten Zeit der
Kontinentalsperre, der Handel zwischen England und einem Theile des Kor-



*) Graf Anton II. erhielt von Ludwig XIV. für die Herrlichkeit Kniphausen und die
Herrschaft Vnrcl einen unter dem 23. Juli 1672 ausgestellten Ncntralitätsbrief, in Absicht
auf alle französischen Kriege in Deutschland.
<TEI>
  <text>
    <body>
      <div>
        <div n="1">
          <pb facs="#f0275" corresp="http://brema.suub.uni-bremen.de/grenzboten/periodical/pageview/138506"/>
          <p xml:id="ID_871" prev="#ID_870"> Abschiedsfvrmalität etwas von den Illusionen rcinben zu lassen, welche die gute<lb/>
alte Zeit wohl sonst in uns zu erwecken Pflegt, wollen wir jedoch nunmehr<lb/>
auch der Burgmilice ein ^re-^voll sagen, dabei aber nicht unterlassen, der<lb/>
Vorsehung zu danken, daß ein solcher militärischer Mikrokosmus jetzt zu den<lb/>
überwundenen Standpunkten gehört.</p><lb/>
          <p xml:id="ID_872"> Da wir wohl annehmen dürfen, daß der Kniphcmsenschen Kriegsvölker in<lb/>
kriegsgeschichtlichen Werken und in Schlachtberichten niemals Erwähnung ge¬<lb/>
schehen ist, so gereicht es uns zur besonderen Genugthuung, wenigstens den<lb/>
Versuch gemacht zu haben, sie gänzlicher Vergessenheit zu entziehen, zunächst<lb/>
allerdings als warnende Exemplifikation für diejenigen, welche am neuen<lb/>
deutschen Reich uoch immer keine rechte Freude haben können.</p><lb/>
          <p xml:id="ID_873"> Ehe wir jedoch vom Leser gänzlich scheiden, halten wir uns für verpflich¬<lb/>
tet, über die ferneren politischen Schicksale der Herrlichkeit Kniphausen, die<lb/>
nicht ohne Interesse sind, in aller Kürze zu berichten. Ist doch das macedonische,<lb/>
das römische Reich untergegangen, warum nicht auch die Herrlichkeit Kniphausen!<lb/>
Jedoch nicht uuter dem Lärm der Waffen brach sie zusammen, sie siechte viel¬<lb/>
mehr langsam dahin an einem vieljährigen Prozesse, und der selige Bundestag<lb/>
war noch berufen, ihr die Grabrede zu halten.</p><lb/>
          <p xml:id="ID_874"> Wir haben oben gesehen, daß der erste regirende Graf Wilhelm ans dem<lb/>
Haufe Bentinck von seiner Gemahlin getrennt Klebte. Dies Verhältniß änderte<lb/>
sich auch nicht. Nach dem Tode des Grafen Wilhelm übernahm sein Sohn<lb/>
Wilhelm Gustav die Regierung, und dessen Mutter, Charlotte Sophie, die<lb/>
letzte Erbgräfin aus dem Hause Altenburg, starb hochbetagt im Jahre 1800<lb/>
zu Hamburg.</p><lb/>
          <p xml:id="ID_875" next="#ID_876"> Ob die Wellen der französischen Revolution auch bis an die Thore der<lb/>
Burg Kniphausen geschlagen haben, und ob etwa der regierende Graf mit der<lb/>
französischen Republik einen Neutralitätsvertrag abschloß, gleich wie sein Vor¬<lb/>
fahr Graf Anton II. von Aldenburg mit Ludwig XIV.*), davon schweigt die<lb/>
Geschichte. Jedenfalls war der Neichsdepntationsbeschluß vom 25. Februar<lb/>
1803 spurlos an der Herrlichkeit Kniphausen vorübergegangen, und auch nach<lb/>
Auflösung des deutschen Reichsverbandes fristete sie ihre Unabhängigkeit, ohne<lb/>
in den Rheinbund aufgenommen zu werden. Es war diese Zeit sogar eine<lb/>
Glanzperiode für die Herrlichkeit; denn notorisch wurde, in der ersten Zeit der<lb/>
Kontinentalsperre, der Handel zwischen England und einem Theile des Kor-</p><lb/>
          <note xml:id="FID_35" place="foot"> *) Graf Anton II. erhielt von Ludwig XIV. für die Herrlichkeit Kniphausen und die<lb/>
Herrschaft Vnrcl einen unter dem 23. Juli 1672 ausgestellten Ncntralitätsbrief, in Absicht<lb/>
auf alle französischen Kriege in Deutschland.</note><lb/>
        </div>
      </div>
    </body>
  </text>
</TEI>
[0275] Abschiedsfvrmalität etwas von den Illusionen rcinben zu lassen, welche die gute alte Zeit wohl sonst in uns zu erwecken Pflegt, wollen wir jedoch nunmehr auch der Burgmilice ein ^re-^voll sagen, dabei aber nicht unterlassen, der Vorsehung zu danken, daß ein solcher militärischer Mikrokosmus jetzt zu den überwundenen Standpunkten gehört. Da wir wohl annehmen dürfen, daß der Kniphcmsenschen Kriegsvölker in kriegsgeschichtlichen Werken und in Schlachtberichten niemals Erwähnung ge¬ schehen ist, so gereicht es uns zur besonderen Genugthuung, wenigstens den Versuch gemacht zu haben, sie gänzlicher Vergessenheit zu entziehen, zunächst allerdings als warnende Exemplifikation für diejenigen, welche am neuen deutschen Reich uoch immer keine rechte Freude haben können. Ehe wir jedoch vom Leser gänzlich scheiden, halten wir uns für verpflich¬ tet, über die ferneren politischen Schicksale der Herrlichkeit Kniphausen, die nicht ohne Interesse sind, in aller Kürze zu berichten. Ist doch das macedonische, das römische Reich untergegangen, warum nicht auch die Herrlichkeit Kniphausen! Jedoch nicht uuter dem Lärm der Waffen brach sie zusammen, sie siechte viel¬ mehr langsam dahin an einem vieljährigen Prozesse, und der selige Bundestag war noch berufen, ihr die Grabrede zu halten. Wir haben oben gesehen, daß der erste regirende Graf Wilhelm ans dem Haufe Bentinck von seiner Gemahlin getrennt Klebte. Dies Verhältniß änderte sich auch nicht. Nach dem Tode des Grafen Wilhelm übernahm sein Sohn Wilhelm Gustav die Regierung, und dessen Mutter, Charlotte Sophie, die letzte Erbgräfin aus dem Hause Altenburg, starb hochbetagt im Jahre 1800 zu Hamburg. Ob die Wellen der französischen Revolution auch bis an die Thore der Burg Kniphausen geschlagen haben, und ob etwa der regierende Graf mit der französischen Republik einen Neutralitätsvertrag abschloß, gleich wie sein Vor¬ fahr Graf Anton II. von Aldenburg mit Ludwig XIV.*), davon schweigt die Geschichte. Jedenfalls war der Neichsdepntationsbeschluß vom 25. Februar 1803 spurlos an der Herrlichkeit Kniphausen vorübergegangen, und auch nach Auflösung des deutschen Reichsverbandes fristete sie ihre Unabhängigkeit, ohne in den Rheinbund aufgenommen zu werden. Es war diese Zeit sogar eine Glanzperiode für die Herrlichkeit; denn notorisch wurde, in der ersten Zeit der Kontinentalsperre, der Handel zwischen England und einem Theile des Kor- *) Graf Anton II. erhielt von Ludwig XIV. für die Herrlichkeit Kniphausen und die Herrschaft Vnrcl einen unter dem 23. Juli 1672 ausgestellten Ncntralitätsbrief, in Absicht auf alle französischen Kriege in Deutschland.

Informationen zum Werk

Download dieses Werks

XML (TEI P5) · HTML · Text
TCF (text annotation layer)

Metadaten zum Werk

TEI-Header · CMDI · Dublin Core

Ansichten dieser Seite

Feedback

Sie haben einen Fehler gefunden? Dann können Sie diesen über unsere Qualitätssicherungsplattform DTAQ melden.

Kommentar zur DTA-Ausgabe

Dieses Werk wurde im Rahmen des Moduls DTA-Erweiterungen (DTAE) digitalisiert. Weitere Informationen …

Staats- und Universitätsbibliothek (SuUB) Bremen: Bereitstellung der Texttranskription.
Kay-Michael Würzner: Bearbeitung der digitalen Edition.

Weitere Informationen:

Verfahren der Texterfassung: OCR mit Nachkorrektur.

Bogensignaturen: gekennzeichnet;Druckfehler: ignoriert;fremdsprachliches Material: nicht gekennzeichnet;Geminations-/Abkürzungsstriche: wie Vorlage;Hervorhebungen (Antiqua, Sperrschrift, Kursive etc.): nicht ausgezeichnet;i/j in Fraktur: wie Vorlage;I/J in Fraktur: wie Vorlage;Kolumnentitel: gekennzeichnet;Kustoden: gekennzeichnet;langes s (ſ): als s transkribiert;Normalisierungen: stillschweigend;rundes r (&#xa75b;): als r/et transkribiert;Seitenumbrüche markiert: ja;Silbentrennung: wie Vorlage;u/v bzw. U/V: wie Vorlage;Vokale mit übergest. e: als ä/ö/ü transkribiert;Vollständigkeit: vollständig erfasst;Zeichensetzung: wie Vorlage;Zeilenumbrüche markiert: ja;

Nachkorrektur erfolgte automatisch.




Ansicht auf Standard zurückstellen

URL zu diesem Werk: https://www.deutschestextarchiv.de/grenzboten_341825_157647
URL zu dieser Seite: https://www.deutschestextarchiv.de/grenzboten_341825_157647/275
Zitationshilfe: Die Grenzboten. Jg. 36, 1877, II. Semester. I. Band, S. . In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/grenzboten_341825_157647/275>, abgerufen am 30.09.2024.