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Die Grenzboten. Jg. 36, 1877, II. Semester. I. Band.

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sie nicht auf frischer That geahndet würden, diese Jnjuriensache, ohne Nach¬
theile der Hauptsache und ohne weitläufigen Prozeß, kurz zu beendigen. Dies
geschah dem: durch den richterlichen Spruch, daß Beklagten vor der Wachparade
25 Prügel zu geben und ihm dabei zu bedeuten sei, künftighin dem Kläger
die gebührende Ehrerbietung zu zeigen, seiue Sache aber gehörigen Orts zu
betreiben. Von Rechtswegen!

Dem funfzigjährigen Egbert Hinrichs wurden seine 25 Prügel applicirt;
ob er aber seine Sache gehörige" Orts zu einem für ihn glücklichen Ende ge¬
führt hat, davon melden die Akten nichts. Jedenfalls blieb Rentmeister Erd¬
mann nach wie vor in seiner Stellung. Daß jedoch durch die dem pp. Hin¬
richs verabfolgteu Stockprügel den übrigen Soldaten die allerlei nachtheiligen
Gedanken über den Herrn Rentmeister ausgetrieben worden sein sollten, erscheint
mehr denn zweifelhaft.

Wie es mit der Unabhängigkeit der Richter auf Kniphausen stand und
daß sie keinenfalls gewohnt waren, immer mit gleichem Maße zu messen, da¬
von gibt folgendes Faktum Zeugniß. Für Unteroffizier Prior, gegen welchen
nicht weniger als sieben sehr gravirende militärische Vergehen vorlagen, als:
Trunkenheit auf Wache, Verlassen derselben während der Nacht, um in seinem
Bette zu schlafen, freches Benehmen gegen seinen Vorgesetzten, den Rentmeister
Erdmann, und die wiederholt ausgesprochene Drohung denselben umzubringen,
wurde einfach dimittirt, nachdem er vorher Urfehde geschworen hatte. Der
pp. Prior galt jedoch als ein gefährlicher Mensch, welcher der gnädigsten Herr¬
schaft und der ganzen Herrlichkeit hätte Ungelegenheiten bereiten können, und
so hütete man sich wohl, ihn zur Bestrafung zu ziehen.

Wo dergleichen Bedenken nicht vorlagen, war man immer geneigt, kurzen
Prozeß zu machen. Der erste Tag des Jahres 1764 wurde dadurch gröblich
entweiht, daß, wie es in dem bezüglichen Berichte heißt, der Sergeant Becker,
welcher den ganzen Tag als kvmmandirender Unteroffizier die Wache gehabt,
nicht nur zugelassen, daß sich die Musquetiere, zwischen deren zweien es zu
einer harten Schlägerei kam, auf der Wache besoffen, sondern sich auch selbst
dergestalt betrunken, daß er außer Stand gewesen, dem auf der Wache ent¬
standenen Lärm zu steuern. Der Sergeant Becker wurde durch Urtel und
Spruch auf sechs Monate zum Gemeinen degradirt, und von den beiden Mns-
quetieren, welche die Schlägerei zum Besten gegeben, erhielt der eine 50 Stock¬
prügel aufgezählt, deu andern aber jagte man weg. Der letztere, ein sechzig¬
jähriger Greis, entging nur mit genauer Noth dem ihm außerdem noch zuge¬
dachten Abschied von 25 Stockprügeln.

Ohne uns durch eine solche beabsichtigte, nichts weniger als freundliche


sie nicht auf frischer That geahndet würden, diese Jnjuriensache, ohne Nach¬
theile der Hauptsache und ohne weitläufigen Prozeß, kurz zu beendigen. Dies
geschah dem: durch den richterlichen Spruch, daß Beklagten vor der Wachparade
25 Prügel zu geben und ihm dabei zu bedeuten sei, künftighin dem Kläger
die gebührende Ehrerbietung zu zeigen, seiue Sache aber gehörigen Orts zu
betreiben. Von Rechtswegen!

Dem funfzigjährigen Egbert Hinrichs wurden seine 25 Prügel applicirt;
ob er aber seine Sache gehörige» Orts zu einem für ihn glücklichen Ende ge¬
führt hat, davon melden die Akten nichts. Jedenfalls blieb Rentmeister Erd¬
mann nach wie vor in seiner Stellung. Daß jedoch durch die dem pp. Hin¬
richs verabfolgteu Stockprügel den übrigen Soldaten die allerlei nachtheiligen
Gedanken über den Herrn Rentmeister ausgetrieben worden sein sollten, erscheint
mehr denn zweifelhaft.

Wie es mit der Unabhängigkeit der Richter auf Kniphausen stand und
daß sie keinenfalls gewohnt waren, immer mit gleichem Maße zu messen, da¬
von gibt folgendes Faktum Zeugniß. Für Unteroffizier Prior, gegen welchen
nicht weniger als sieben sehr gravirende militärische Vergehen vorlagen, als:
Trunkenheit auf Wache, Verlassen derselben während der Nacht, um in seinem
Bette zu schlafen, freches Benehmen gegen seinen Vorgesetzten, den Rentmeister
Erdmann, und die wiederholt ausgesprochene Drohung denselben umzubringen,
wurde einfach dimittirt, nachdem er vorher Urfehde geschworen hatte. Der
pp. Prior galt jedoch als ein gefährlicher Mensch, welcher der gnädigsten Herr¬
schaft und der ganzen Herrlichkeit hätte Ungelegenheiten bereiten können, und
so hütete man sich wohl, ihn zur Bestrafung zu ziehen.

Wo dergleichen Bedenken nicht vorlagen, war man immer geneigt, kurzen
Prozeß zu machen. Der erste Tag des Jahres 1764 wurde dadurch gröblich
entweiht, daß, wie es in dem bezüglichen Berichte heißt, der Sergeant Becker,
welcher den ganzen Tag als kvmmandirender Unteroffizier die Wache gehabt,
nicht nur zugelassen, daß sich die Musquetiere, zwischen deren zweien es zu
einer harten Schlägerei kam, auf der Wache besoffen, sondern sich auch selbst
dergestalt betrunken, daß er außer Stand gewesen, dem auf der Wache ent¬
standenen Lärm zu steuern. Der Sergeant Becker wurde durch Urtel und
Spruch auf sechs Monate zum Gemeinen degradirt, und von den beiden Mns-
quetieren, welche die Schlägerei zum Besten gegeben, erhielt der eine 50 Stock¬
prügel aufgezählt, deu andern aber jagte man weg. Der letztere, ein sechzig¬
jähriger Greis, entging nur mit genauer Noth dem ihm außerdem noch zuge¬
dachten Abschied von 25 Stockprügeln.

Ohne uns durch eine solche beabsichtigte, nichts weniger als freundliche


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Zitationshilfe: Die Grenzboten. Jg. 36, 1877, II. Semester. I. Band, S. . In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/grenzboten_341825_157647/274>, abgerufen am 30.09.2024.