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Die Grenzboten. Jg. 36, 1877, II. Semester. I. Band.

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das der oberste Gerichtshof zu Kniphausen, in einem Rechtsstreite zwischen
dem Schloßverwalter Erdmann und einem Soldaten der Burgmilice, mit
wahrhaft Salomonischer Weisheit ergehen ließ. Es ist das ein Erkenntniß,
das wegen seiner tiefsinnigen Motivirung dnrch Aufnahme in die Annalen
merkwürdiger Rechtsfälle der Vergessenheit entzogen zu werden verdiente.
Man höre:

Ein Musquetier, Egbert Hinrichs, der von Professton Glaser war, hatte bei
einer Glashandlung in Bremen einen ziemlich bedeutenden Credit anwachsen
lassen. Durch Vermittlung des Schloßverwalters Erdmann, der im Laufe der
Jahre zum Rentmeister avancirt war, zur Zeit, d. h. Anno 1773 jedoch noch
immer das Kommando über die Bnrgmiliee hatte, war eine Vereinbarung mit
dem Handlungshause getroffen worden. Der PL. Hinrichs glaubte, in Folge
der geleisteten Baarznhlungen und mehrfacher Abzüge, die Sache längst
geregelt, als er erfahren mußte, daß dies nicht der Fall sei. Der Herr Rent¬
meister hatte sich unzweifelhaft eine Unredlichkeit zu Schulden kommen lassen
und einen Theil der an das Handlungshaus abzuliefernden Gelder unter¬
schlagen. In Folge dessen ließ sich Hinrichs zu allerdings nichts weniger als
respektvollen Aeußerungen gegen den Herren Rentmeister hinreißen. Zu solchen
Aeußerungen lag an und für sich eine vollkommene Berechtigung vor, aber
immerhin waren sie gegen einen Vorgesetzten ausgestoßen. In dem darüber
erstatteten Bericht der Kanzlei-Deputirten wurde nun hervorgehoben, daß so¬
wohl bei Kläger (Rentmeister Erdmann), als auch bei dem Beklagten (Mus¬
quetier Egbert Hinrichs) zwei Personen zu unterscheiden seien. Bei dem er¬
steren in der Eigenschaft als Rentmeister und als Aufseher über die Soldaten,
bei dem zweiten als Glaser und als Musquetier. Daraus ergebe sich, daß
das Vergehen des Beklagten gegen den Herren Klüger als yusIitÄS militari"
gar nicht in Betracht komme, da der Verklagte als Glaser gegen den Herren
Kläger als Schloßverwalter und Rentmeister gehandelt habe. Mithin sei bei
Beurtheilung der Sache auf keine Subordination Bedacht zu nehmen, sondern
das Vergehen, als eine grobe Injurie eines Handwerksmannes gegen den
Herren Rentmeister anzusehen. Als Milderungsgrund wurde zwar hervorgehoben,
daß dem Beklagten 58 Thaler 24 Groschen von seinem sauer verdienten
Arbeitslohn und seiner Löhnung abgenommen, "seinen Creditori aber nur 20
Thaler davon bezahlet und er dabeneben in Mißkredit gesetzet worden, wodurch
Leute von seiner Art leichte entrüstet und zur Ausschweifung verleitet werden
könnten."

Trotz alledem wurde es aber doch für besser erachtet, da die Untersuchung
weit aussehend erscheine und die von dem Beklagten ausgestoßenen Injurien
bei den anderen Soldaten allerlei nachtheilige Gedanken erzeugen möchten, wenn


Grenzboten III. 1877. 34

das der oberste Gerichtshof zu Kniphausen, in einem Rechtsstreite zwischen
dem Schloßverwalter Erdmann und einem Soldaten der Burgmilice, mit
wahrhaft Salomonischer Weisheit ergehen ließ. Es ist das ein Erkenntniß,
das wegen seiner tiefsinnigen Motivirung dnrch Aufnahme in die Annalen
merkwürdiger Rechtsfälle der Vergessenheit entzogen zu werden verdiente.
Man höre:

Ein Musquetier, Egbert Hinrichs, der von Professton Glaser war, hatte bei
einer Glashandlung in Bremen einen ziemlich bedeutenden Credit anwachsen
lassen. Durch Vermittlung des Schloßverwalters Erdmann, der im Laufe der
Jahre zum Rentmeister avancirt war, zur Zeit, d. h. Anno 1773 jedoch noch
immer das Kommando über die Bnrgmiliee hatte, war eine Vereinbarung mit
dem Handlungshause getroffen worden. Der PL. Hinrichs glaubte, in Folge
der geleisteten Baarznhlungen und mehrfacher Abzüge, die Sache längst
geregelt, als er erfahren mußte, daß dies nicht der Fall sei. Der Herr Rent¬
meister hatte sich unzweifelhaft eine Unredlichkeit zu Schulden kommen lassen
und einen Theil der an das Handlungshaus abzuliefernden Gelder unter¬
schlagen. In Folge dessen ließ sich Hinrichs zu allerdings nichts weniger als
respektvollen Aeußerungen gegen den Herren Rentmeister hinreißen. Zu solchen
Aeußerungen lag an und für sich eine vollkommene Berechtigung vor, aber
immerhin waren sie gegen einen Vorgesetzten ausgestoßen. In dem darüber
erstatteten Bericht der Kanzlei-Deputirten wurde nun hervorgehoben, daß so¬
wohl bei Kläger (Rentmeister Erdmann), als auch bei dem Beklagten (Mus¬
quetier Egbert Hinrichs) zwei Personen zu unterscheiden seien. Bei dem er¬
steren in der Eigenschaft als Rentmeister und als Aufseher über die Soldaten,
bei dem zweiten als Glaser und als Musquetier. Daraus ergebe sich, daß
das Vergehen des Beklagten gegen den Herren Klüger als yusIitÄS militari»
gar nicht in Betracht komme, da der Verklagte als Glaser gegen den Herren
Kläger als Schloßverwalter und Rentmeister gehandelt habe. Mithin sei bei
Beurtheilung der Sache auf keine Subordination Bedacht zu nehmen, sondern
das Vergehen, als eine grobe Injurie eines Handwerksmannes gegen den
Herren Rentmeister anzusehen. Als Milderungsgrund wurde zwar hervorgehoben,
daß dem Beklagten 58 Thaler 24 Groschen von seinem sauer verdienten
Arbeitslohn und seiner Löhnung abgenommen, „seinen Creditori aber nur 20
Thaler davon bezahlet und er dabeneben in Mißkredit gesetzet worden, wodurch
Leute von seiner Art leichte entrüstet und zur Ausschweifung verleitet werden
könnten."

Trotz alledem wurde es aber doch für besser erachtet, da die Untersuchung
weit aussehend erscheine und die von dem Beklagten ausgestoßenen Injurien
bei den anderen Soldaten allerlei nachtheilige Gedanken erzeugen möchten, wenn


Grenzboten III. 1877. 34
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[0273] das der oberste Gerichtshof zu Kniphausen, in einem Rechtsstreite zwischen dem Schloßverwalter Erdmann und einem Soldaten der Burgmilice, mit wahrhaft Salomonischer Weisheit ergehen ließ. Es ist das ein Erkenntniß, das wegen seiner tiefsinnigen Motivirung dnrch Aufnahme in die Annalen merkwürdiger Rechtsfälle der Vergessenheit entzogen zu werden verdiente. Man höre: Ein Musquetier, Egbert Hinrichs, der von Professton Glaser war, hatte bei einer Glashandlung in Bremen einen ziemlich bedeutenden Credit anwachsen lassen. Durch Vermittlung des Schloßverwalters Erdmann, der im Laufe der Jahre zum Rentmeister avancirt war, zur Zeit, d. h. Anno 1773 jedoch noch immer das Kommando über die Bnrgmiliee hatte, war eine Vereinbarung mit dem Handlungshause getroffen worden. Der PL. Hinrichs glaubte, in Folge der geleisteten Baarznhlungen und mehrfacher Abzüge, die Sache längst geregelt, als er erfahren mußte, daß dies nicht der Fall sei. Der Herr Rent¬ meister hatte sich unzweifelhaft eine Unredlichkeit zu Schulden kommen lassen und einen Theil der an das Handlungshaus abzuliefernden Gelder unter¬ schlagen. In Folge dessen ließ sich Hinrichs zu allerdings nichts weniger als respektvollen Aeußerungen gegen den Herren Rentmeister hinreißen. Zu solchen Aeußerungen lag an und für sich eine vollkommene Berechtigung vor, aber immerhin waren sie gegen einen Vorgesetzten ausgestoßen. In dem darüber erstatteten Bericht der Kanzlei-Deputirten wurde nun hervorgehoben, daß so¬ wohl bei Kläger (Rentmeister Erdmann), als auch bei dem Beklagten (Mus¬ quetier Egbert Hinrichs) zwei Personen zu unterscheiden seien. Bei dem er¬ steren in der Eigenschaft als Rentmeister und als Aufseher über die Soldaten, bei dem zweiten als Glaser und als Musquetier. Daraus ergebe sich, daß das Vergehen des Beklagten gegen den Herren Klüger als yusIitÄS militari» gar nicht in Betracht komme, da der Verklagte als Glaser gegen den Herren Kläger als Schloßverwalter und Rentmeister gehandelt habe. Mithin sei bei Beurtheilung der Sache auf keine Subordination Bedacht zu nehmen, sondern das Vergehen, als eine grobe Injurie eines Handwerksmannes gegen den Herren Rentmeister anzusehen. Als Milderungsgrund wurde zwar hervorgehoben, daß dem Beklagten 58 Thaler 24 Groschen von seinem sauer verdienten Arbeitslohn und seiner Löhnung abgenommen, „seinen Creditori aber nur 20 Thaler davon bezahlet und er dabeneben in Mißkredit gesetzet worden, wodurch Leute von seiner Art leichte entrüstet und zur Ausschweifung verleitet werden könnten." Trotz alledem wurde es aber doch für besser erachtet, da die Untersuchung weit aussehend erscheine und die von dem Beklagten ausgestoßenen Injurien bei den anderen Soldaten allerlei nachtheilige Gedanken erzeugen möchten, wenn Grenzboten III. 1877. 34

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Zitationshilfe: Die Grenzboten. Jg. 36, 1877, II. Semester. I. Band, S. . In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/grenzboten_341825_157647/273>, abgerufen am 30.09.2024.