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Die Grenzboten. Jg. 36, 1877, II. Semester. I. Band.

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Picknicks, Ausstellungen, Schaubuden, Somckagsschlll--Feierlichkeiten, Ein¬
weihungen von Kirchen, Begrübnissen ihrer berühmten Mäuner und -- Hin¬
richtungen führen sollen. Massen von Farbigen stellen sich dann aus den
Wäldern auf den Bahnhöfen ein, und es ist eine Lust, ihre kindische Ver¬
wunderung und ihre ausgelassene Freude in den Eisenbahnwagen zu beobachten.
Ferner hat die farbige Jugend ebenfalls begonnen Ballspielergesellschaften zu
organisiren, die sich gelegentlich zu Wettspielen herausfordern. Endlich sind
Tanzpartien, bei denen es ziemlich plump und unzüchtig zugeht, unter den
jüngeren Schwarzen beider Geschlechter an der Tagesordnung.

Der sogenannte "Thanksgiving Day" wird mehr von den Negern als von
den Weißen gefeiert, die an ihm auch uicht den im Norden üblichen Trnthcchn
verspeisen. Das Hauptfest des Jahres ist im Süden Weihnachten. Auch Ostern
und der Karfreitag galten früher nur den liturgischen Kirchen, nicht aber den
Sekten, die sie für Reste des Papstthums ansahen, für große und zu beachtende
Feiertage, jetzt aber gewinnen sie rasch bei allen Sekten an Gunst. Die
Schwarzen wissen "natürlich" nichts von ihnen. Die Weißen enthielten sich
der Feier des 4. Juli von Beendigung des Krieges an bis 1875, wo sich die
Milizkompagnien von Charleston und Columbia zum Gedächtniß des Tages
zu Augusta in Georgia mit den dortigen Milizen vereinigten. Die Neger be¬
gehen am 4. Juli das Fest ihrer eignen Emancipation statt desjenigen der
Emancipation Amerikas von England. Früher war es Gebrauch, den Negern
zu Weihnachten einige Ruhetage zu geben, und die, welche sich als Tagelöhner
oder Dienstboten vermiethet haben, bestehen auf Beibehaltung dieser Sitte,
wie denn die Schwarzen überhaupt sich so oft, als es angeht, Feiertage zu
machen versuchen.

Gesellige Vereine gibt es unter den Negern wenige, während sie doch eine
Menge religiöser und politischer Genossenschaften nnter sich begründet haben.
Sie haben vielleicht im ganzen Staate ein halbes Dutzend Mäßigkeitsvereine,
die aber mit einander nicht in Verbindung stehen und wenig zu bedeuten haben.
Die Weißen aber schließen sie von den großen, über die ganze Union ver¬
breiteten Gesellschaften der Freimaurer, der Oddfellows, der Druiden, der
Granger, der Söhne der Mäßigkeit, der Good Templars und der Knights of
Pythias unerbittlich aus, und sie selbst haben zwar gewiß in ihrem Nach¬
ahmungstriebe Lust, aber nicht die nöthige Intelligenz und Energie, um unter
Ihresgleichen solche Bruderbunde zu gründen. Als einzige Ausnahme ist ein
Zweig des masonischen Bundes oder Ordens zu nennen. Derselbe hat eine Großloge
für den Staat Südcarolina, die ihren Bestallungsbrief von der Großloge von
Massachusetts hat, und unter der ein paar Töchterlogen ein kümmerliches


Picknicks, Ausstellungen, Schaubuden, Somckagsschlll--Feierlichkeiten, Ein¬
weihungen von Kirchen, Begrübnissen ihrer berühmten Mäuner und — Hin¬
richtungen führen sollen. Massen von Farbigen stellen sich dann aus den
Wäldern auf den Bahnhöfen ein, und es ist eine Lust, ihre kindische Ver¬
wunderung und ihre ausgelassene Freude in den Eisenbahnwagen zu beobachten.
Ferner hat die farbige Jugend ebenfalls begonnen Ballspielergesellschaften zu
organisiren, die sich gelegentlich zu Wettspielen herausfordern. Endlich sind
Tanzpartien, bei denen es ziemlich plump und unzüchtig zugeht, unter den
jüngeren Schwarzen beider Geschlechter an der Tagesordnung.

Der sogenannte „Thanksgiving Day" wird mehr von den Negern als von
den Weißen gefeiert, die an ihm auch uicht den im Norden üblichen Trnthcchn
verspeisen. Das Hauptfest des Jahres ist im Süden Weihnachten. Auch Ostern
und der Karfreitag galten früher nur den liturgischen Kirchen, nicht aber den
Sekten, die sie für Reste des Papstthums ansahen, für große und zu beachtende
Feiertage, jetzt aber gewinnen sie rasch bei allen Sekten an Gunst. Die
Schwarzen wissen „natürlich" nichts von ihnen. Die Weißen enthielten sich
der Feier des 4. Juli von Beendigung des Krieges an bis 1875, wo sich die
Milizkompagnien von Charleston und Columbia zum Gedächtniß des Tages
zu Augusta in Georgia mit den dortigen Milizen vereinigten. Die Neger be¬
gehen am 4. Juli das Fest ihrer eignen Emancipation statt desjenigen der
Emancipation Amerikas von England. Früher war es Gebrauch, den Negern
zu Weihnachten einige Ruhetage zu geben, und die, welche sich als Tagelöhner
oder Dienstboten vermiethet haben, bestehen auf Beibehaltung dieser Sitte,
wie denn die Schwarzen überhaupt sich so oft, als es angeht, Feiertage zu
machen versuchen.

Gesellige Vereine gibt es unter den Negern wenige, während sie doch eine
Menge religiöser und politischer Genossenschaften nnter sich begründet haben.
Sie haben vielleicht im ganzen Staate ein halbes Dutzend Mäßigkeitsvereine,
die aber mit einander nicht in Verbindung stehen und wenig zu bedeuten haben.
Die Weißen aber schließen sie von den großen, über die ganze Union ver¬
breiteten Gesellschaften der Freimaurer, der Oddfellows, der Druiden, der
Granger, der Söhne der Mäßigkeit, der Good Templars und der Knights of
Pythias unerbittlich aus, und sie selbst haben zwar gewiß in ihrem Nach¬
ahmungstriebe Lust, aber nicht die nöthige Intelligenz und Energie, um unter
Ihresgleichen solche Bruderbunde zu gründen. Als einzige Ausnahme ist ein
Zweig des masonischen Bundes oder Ordens zu nennen. Derselbe hat eine Großloge
für den Staat Südcarolina, die ihren Bestallungsbrief von der Großloge von
Massachusetts hat, und unter der ein paar Töchterlogen ein kümmerliches


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[0204] Picknicks, Ausstellungen, Schaubuden, Somckagsschlll--Feierlichkeiten, Ein¬ weihungen von Kirchen, Begrübnissen ihrer berühmten Mäuner und — Hin¬ richtungen führen sollen. Massen von Farbigen stellen sich dann aus den Wäldern auf den Bahnhöfen ein, und es ist eine Lust, ihre kindische Ver¬ wunderung und ihre ausgelassene Freude in den Eisenbahnwagen zu beobachten. Ferner hat die farbige Jugend ebenfalls begonnen Ballspielergesellschaften zu organisiren, die sich gelegentlich zu Wettspielen herausfordern. Endlich sind Tanzpartien, bei denen es ziemlich plump und unzüchtig zugeht, unter den jüngeren Schwarzen beider Geschlechter an der Tagesordnung. Der sogenannte „Thanksgiving Day" wird mehr von den Negern als von den Weißen gefeiert, die an ihm auch uicht den im Norden üblichen Trnthcchn verspeisen. Das Hauptfest des Jahres ist im Süden Weihnachten. Auch Ostern und der Karfreitag galten früher nur den liturgischen Kirchen, nicht aber den Sekten, die sie für Reste des Papstthums ansahen, für große und zu beachtende Feiertage, jetzt aber gewinnen sie rasch bei allen Sekten an Gunst. Die Schwarzen wissen „natürlich" nichts von ihnen. Die Weißen enthielten sich der Feier des 4. Juli von Beendigung des Krieges an bis 1875, wo sich die Milizkompagnien von Charleston und Columbia zum Gedächtniß des Tages zu Augusta in Georgia mit den dortigen Milizen vereinigten. Die Neger be¬ gehen am 4. Juli das Fest ihrer eignen Emancipation statt desjenigen der Emancipation Amerikas von England. Früher war es Gebrauch, den Negern zu Weihnachten einige Ruhetage zu geben, und die, welche sich als Tagelöhner oder Dienstboten vermiethet haben, bestehen auf Beibehaltung dieser Sitte, wie denn die Schwarzen überhaupt sich so oft, als es angeht, Feiertage zu machen versuchen. Gesellige Vereine gibt es unter den Negern wenige, während sie doch eine Menge religiöser und politischer Genossenschaften nnter sich begründet haben. Sie haben vielleicht im ganzen Staate ein halbes Dutzend Mäßigkeitsvereine, die aber mit einander nicht in Verbindung stehen und wenig zu bedeuten haben. Die Weißen aber schließen sie von den großen, über die ganze Union ver¬ breiteten Gesellschaften der Freimaurer, der Oddfellows, der Druiden, der Granger, der Söhne der Mäßigkeit, der Good Templars und der Knights of Pythias unerbittlich aus, und sie selbst haben zwar gewiß in ihrem Nach¬ ahmungstriebe Lust, aber nicht die nöthige Intelligenz und Energie, um unter Ihresgleichen solche Bruderbunde zu gründen. Als einzige Ausnahme ist ein Zweig des masonischen Bundes oder Ordens zu nennen. Derselbe hat eine Großloge für den Staat Südcarolina, die ihren Bestallungsbrief von der Großloge von Massachusetts hat, und unter der ein paar Töchterlogen ein kümmerliches

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Zitationshilfe: Die Grenzboten. Jg. 36, 1877, II. Semester. I. Band, S. . In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/grenzboten_341825_157647/204>, abgerufen am 28.09.2024.