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Die Grenzboten. Jg. 36, 1877, II. Semester. I. Band.

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aufhalten durfte, um ihre Angelegenheiten in Nichtigkeit zu bringen. Wie
demüthig sie aber bei diesen: Besuche auch auftrat, und wie sehr sie den Rath
auch zu besänftigen trachtete, es wurde ihr unerbittlich zuerkannt, wegen des
gebrochenen Arrestes die Strafe von 1000 Mark, sowie von allen ihren Gütern
den zehnten Pfennig, und wegen der unanständigen Worte, mit denen sie sich
an ihrer Obrigkeit vergangen hatte, noch überdies eine besondere namhafte
Geldbuße zu entrichten.

Gegen dieses Erkenntniß protestirte sie auf das Feierlichste durch eiuen
Notarius und die beiden Licentiaten Platen und Arnold; ja sie drohte in
ihrer Protestation sogar, die Reichsfürsten um Hilfe anrufen und bei dem
kaiserlichen Kammergericht ihr Recht wider den Rath suchen zu wollen. Als
auf diese Drohung der Rath ganz ruhig erwiderte, er werde es mit ihr auf¬
nehmen, ist sie, wie die Akten sich ausdrücken, "ehe sie noch die vierzehn Tage
ausgewartet, für Zorn und Eifer davongezogen." Der Senat aber blieb trotz
Zorn und Eifer der Frau Bürgermeisterin bei seinem Beschlusse und wollte
in keinem Punkte von dem abweichen, was er dekretirt hatte. Und obwohl
später der Superintendent Lukas Baemeister selbst eine Schutzschrift für die
Lüdiughusen an den Rath und das Konsistorium Lübecks einsandte und um
Nachsicht für seiue Freundin und um Milderung des Urtheiles bat -- eine
Schutzschrift, welche das Lübecksche Konsistorium in einer Gegenschrift an den
Rath unverzüglich widerlegte --, so zeigte doch der Rath sich unerbittlich und
unwandelbar in dem, was er einmal für Recht erkannt hatte. Erst als der
Senat der Stadt Rostock persönlich als Vermittler in der mißlichen Angelegen¬
heit auftrat und die Herren von Lübeck um Gnade für die Lüdinghusen und
den Hermann Buning anging, wurde endlich, nach wochenlanger Verhandlung,
in der Rathsversammlung vom 16. Dezember 1579, die erbetene Gnade über
die beiden Schuldigen ausgesprochen und ihnen, nachdem sie ihr begangenes
Unrecht bekannt und ihre herzliche Reue darüber ausgesprochen hatten, sogar
erlaubt, ihren Wohnsitz wieder in Lübecks Mauern nehmen zu dürfen.

Mit diesem gnadenvollen Rathsbeschlnsse endigen die Akten und somit
auch meine Erzählung über den Streit der Frau Bürgermeisterin Adelheid
Lüdinghnsen mit dem Senate und dem Ministerium der freien Reichs- und
Hansestadt Lübeck. Ich hoffe, daß auch meine Leser darin einen interessanten
Beitrag zur Sittengeschichte jener Zeit gefunden haben.




aufhalten durfte, um ihre Angelegenheiten in Nichtigkeit zu bringen. Wie
demüthig sie aber bei diesen: Besuche auch auftrat, und wie sehr sie den Rath
auch zu besänftigen trachtete, es wurde ihr unerbittlich zuerkannt, wegen des
gebrochenen Arrestes die Strafe von 1000 Mark, sowie von allen ihren Gütern
den zehnten Pfennig, und wegen der unanständigen Worte, mit denen sie sich
an ihrer Obrigkeit vergangen hatte, noch überdies eine besondere namhafte
Geldbuße zu entrichten.

Gegen dieses Erkenntniß protestirte sie auf das Feierlichste durch eiuen
Notarius und die beiden Licentiaten Platen und Arnold; ja sie drohte in
ihrer Protestation sogar, die Reichsfürsten um Hilfe anrufen und bei dem
kaiserlichen Kammergericht ihr Recht wider den Rath suchen zu wollen. Als
auf diese Drohung der Rath ganz ruhig erwiderte, er werde es mit ihr auf¬
nehmen, ist sie, wie die Akten sich ausdrücken, „ehe sie noch die vierzehn Tage
ausgewartet, für Zorn und Eifer davongezogen." Der Senat aber blieb trotz
Zorn und Eifer der Frau Bürgermeisterin bei seinem Beschlusse und wollte
in keinem Punkte von dem abweichen, was er dekretirt hatte. Und obwohl
später der Superintendent Lukas Baemeister selbst eine Schutzschrift für die
Lüdiughusen an den Rath und das Konsistorium Lübecks einsandte und um
Nachsicht für seiue Freundin und um Milderung des Urtheiles bat — eine
Schutzschrift, welche das Lübecksche Konsistorium in einer Gegenschrift an den
Rath unverzüglich widerlegte —, so zeigte doch der Rath sich unerbittlich und
unwandelbar in dem, was er einmal für Recht erkannt hatte. Erst als der
Senat der Stadt Rostock persönlich als Vermittler in der mißlichen Angelegen¬
heit auftrat und die Herren von Lübeck um Gnade für die Lüdinghusen und
den Hermann Buning anging, wurde endlich, nach wochenlanger Verhandlung,
in der Rathsversammlung vom 16. Dezember 1579, die erbetene Gnade über
die beiden Schuldigen ausgesprochen und ihnen, nachdem sie ihr begangenes
Unrecht bekannt und ihre herzliche Reue darüber ausgesprochen hatten, sogar
erlaubt, ihren Wohnsitz wieder in Lübecks Mauern nehmen zu dürfen.

Mit diesem gnadenvollen Rathsbeschlnsse endigen die Akten und somit
auch meine Erzählung über den Streit der Frau Bürgermeisterin Adelheid
Lüdinghnsen mit dem Senate und dem Ministerium der freien Reichs- und
Hansestadt Lübeck. Ich hoffe, daß auch meine Leser darin einen interessanten
Beitrag zur Sittengeschichte jener Zeit gefunden haben.




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Zitationshilfe: Die Grenzboten. Jg. 36, 1877, II. Semester. I. Band, S. . In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/grenzboten_341825_157647/112>, abgerufen am 28.09.2024.