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Die Grenzboten. Jg. 36, 1877, II. Semester. II. Band.

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nennenswerthe Industrie zu begründen. Versuche, das Steinöl zur Beleuchtung
zu verwenden, wurden wiederholt schou vor einem halben Jahrhundert angestellt,
aber stets bald wieder aufgegeben, da es, in der gewöhnlichen Lampe gebrannt,
einen garstigen Geruch und eine rußende Flamme entwickelte und sich sehr
feuergefährlich erwies. Allmählig aber wurde das Bedürfniß, aus den in
der Erde aufgespeicherten Naphtamassen einen das gewöhnliche Brennöl ersetzenden
Leuchtstoff zu erzeugen, dieseits wie jenseits des Atlantischen Meeres immer
reger, und vor etwa zwanzig Jahren gewannen die Fabriken, welche aus
bituminösem Schiefer, Erdpech und Kohlen feste und flüssige Leuchtstoffe, Photogen,
Paraffin u. d. herstellten, große Ausdehnung, bis im Jahre 1860 das ameri¬
kanische Petroleum mit seiner Billigkeit dieser Industrie ein schleuniges Ende
machte. Es liegt hier ein überaus deutlich sprechender Fall vor, der uns
zeigt, in wie kurzer Zeit die Reichthümer des westlichen Erdtheils auf die
gewerblichen Verhältnisse Europas wirken, wenn sie erschlossen werden, und
wie sehr eine ununterbrochene Verfolgung der jenseits des Ozeans auf diesem
Gebiete vor sich gehenden Veränderungen in unserem eigensten Interresse liegt.
Es ging damit ganz ähnlich zu, wie mit den Schätzen am Obern See, welche
die Kupferpreise dermaßen herabdrückten, daß in Europa ein Kupferbergwerk
nach den: andern als unrentabel aufgegeben wurde.

In den fünfziger Jahren entstanden in Nordamerika, nachdem man geeignete
Lampen erfunden, nach und nach in den atlantischen Hafenstädten 40 Fabriken
zur Erzeugung brennbarer Flüssigkeiten aus schottischer Boghead-Kohle und
Albern, den Neubraunschweig lieferte, und 1860 betrug das Erzeugniß derselben
schon zweimalhunderttausend Fässer. Da wurden die Petroleumqnellen Penn-
sylvaniens erschlossen, die im genannten Jahre bereits eine halbe Million und
im nächsten gar zwei Millionen Fässer in den Handel brachten. Die Eigen¬
thümer jener Fabriken griffen sofort zu dein reichlich gebotenen heimischen
Materials, zum Rossi, und so erklärt sich einerseits, wie die Raffinerie sogleich
eine ungeheure Menge gereinigtes Petroleum in die Welt senden konnte,
andererseits, wie ihre Hauptwerkstätten an der atlantischen Küste liegen. Der
riesige Aufschwung der Petroleum-Industrie begann im Sommer von 1859
mit der Ausführung des Gedankens George Bissels, die unterirdischen Oeladern
Pennsylvaniens mittelst artesischer Brunnen anzuzapfen. Die Idee wurde
vou Samuel Kier gut geheißen und zu deren Verwirklichung der Bohrmeister
Smiths an den Obersten Drecke in Newhaven, den Direktor der dortigen Rock
Oil Company, empfohlen. Diese Gesellschaft pachtete bei Titusville ein Stück
Land von 40 Hektaren, wo man schon seit längerer Zeit eine Oelquelle kannte,
und im Juni 1859 fing man an zu bohren. Der erste Versuch fiel ungünstig
aus und rief nur allgemeines Gespött hervor. Ein zweiter, geschickter angefangen,


nennenswerthe Industrie zu begründen. Versuche, das Steinöl zur Beleuchtung
zu verwenden, wurden wiederholt schou vor einem halben Jahrhundert angestellt,
aber stets bald wieder aufgegeben, da es, in der gewöhnlichen Lampe gebrannt,
einen garstigen Geruch und eine rußende Flamme entwickelte und sich sehr
feuergefährlich erwies. Allmählig aber wurde das Bedürfniß, aus den in
der Erde aufgespeicherten Naphtamassen einen das gewöhnliche Brennöl ersetzenden
Leuchtstoff zu erzeugen, dieseits wie jenseits des Atlantischen Meeres immer
reger, und vor etwa zwanzig Jahren gewannen die Fabriken, welche aus
bituminösem Schiefer, Erdpech und Kohlen feste und flüssige Leuchtstoffe, Photogen,
Paraffin u. d. herstellten, große Ausdehnung, bis im Jahre 1860 das ameri¬
kanische Petroleum mit seiner Billigkeit dieser Industrie ein schleuniges Ende
machte. Es liegt hier ein überaus deutlich sprechender Fall vor, der uns
zeigt, in wie kurzer Zeit die Reichthümer des westlichen Erdtheils auf die
gewerblichen Verhältnisse Europas wirken, wenn sie erschlossen werden, und
wie sehr eine ununterbrochene Verfolgung der jenseits des Ozeans auf diesem
Gebiete vor sich gehenden Veränderungen in unserem eigensten Interresse liegt.
Es ging damit ganz ähnlich zu, wie mit den Schätzen am Obern See, welche
die Kupferpreise dermaßen herabdrückten, daß in Europa ein Kupferbergwerk
nach den: andern als unrentabel aufgegeben wurde.

In den fünfziger Jahren entstanden in Nordamerika, nachdem man geeignete
Lampen erfunden, nach und nach in den atlantischen Hafenstädten 40 Fabriken
zur Erzeugung brennbarer Flüssigkeiten aus schottischer Boghead-Kohle und
Albern, den Neubraunschweig lieferte, und 1860 betrug das Erzeugniß derselben
schon zweimalhunderttausend Fässer. Da wurden die Petroleumqnellen Penn-
sylvaniens erschlossen, die im genannten Jahre bereits eine halbe Million und
im nächsten gar zwei Millionen Fässer in den Handel brachten. Die Eigen¬
thümer jener Fabriken griffen sofort zu dein reichlich gebotenen heimischen
Materials, zum Rossi, und so erklärt sich einerseits, wie die Raffinerie sogleich
eine ungeheure Menge gereinigtes Petroleum in die Welt senden konnte,
andererseits, wie ihre Hauptwerkstätten an der atlantischen Küste liegen. Der
riesige Aufschwung der Petroleum-Industrie begann im Sommer von 1859
mit der Ausführung des Gedankens George Bissels, die unterirdischen Oeladern
Pennsylvaniens mittelst artesischer Brunnen anzuzapfen. Die Idee wurde
vou Samuel Kier gut geheißen und zu deren Verwirklichung der Bohrmeister
Smiths an den Obersten Drecke in Newhaven, den Direktor der dortigen Rock
Oil Company, empfohlen. Diese Gesellschaft pachtete bei Titusville ein Stück
Land von 40 Hektaren, wo man schon seit längerer Zeit eine Oelquelle kannte,
und im Juni 1859 fing man an zu bohren. Der erste Versuch fiel ungünstig
aus und rief nur allgemeines Gespött hervor. Ein zweiter, geschickter angefangen,


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Zitationshilfe: Die Grenzboten. Jg. 36, 1877, II. Semester. II. Band, S. . In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/grenzboten_341825_157645/56>, abgerufen am 25.08.2024.