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Die Grenzboten. Jg. 36, 1877, II. Semester. II. Band.

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Unter diesen Umständen begreift sich, daß der in die gegenwärtige Session
hereinragende Rest dieser Planlosigseit, die Novelle zur Städteordnung, un¬
möglich Sympathie finden konnte. Herr Friedenthal selbst betrachtete sie
offenbar als todtgeborenes Kind und sorgte nur für eine anständige Bestattung.
Etwas glimpflicher war das Schicksal des Kommunalsteuergesetzentwnrfs; er
wurde wenigstens eiuer eingehenden sachlichen Diskussion unterzogen. Zu einer
ersprießlichen Regelung dieser Materie ist aber aus den öfter entwickelten
Gründen der gegenwärtige Augenblick nicht geeignet. Beide Vorlagen werden
in den Kommissionen, an welche sie aus Höflichkeit verwiesen wurden, ihr
kühles Grab finden. Die Steuerreformpläne, bezw. Untersuchungen über die
beste Art der Besteuerung liegen übrigens dermaßen in der Luft, daß sie im
Handumdrehen immer von Neuem in der Debatte erscheinen. So gaben in
der verflossenen Woche die Etats der direkten und der indirekten Steuern Ge¬
legenheit, das einen Tag zuvor über die Kommuualsteuervorlage Gesagte in
den verschiedensten Variationen zu wiederholen. Praktischer Gewinn kann ans
diesen zuweilen recht hitzigen Wortgefechten zur Zeit nicht erwartet werden.

Die Sensationsdebatte der Woche, an der es ja nun einmal nicht fehlen
darf, verdankte das Land den fortschrittlichen Anträgen betreffs Ergänzung der
Geschäftsordnung und betreffs des Welfenfonds. Im ersteren Punkte hat man
der Fortschrittspartei deu Willen gethan; Anträge auf Citirung der Minister
sollen in Zukunft bei Besprechung von Interpellationen zulässig sein. Da sich
Wohl immer eine genügend besonnene Majorität finden wird, um einen Mi߬
brauch dieses Rechtes zu verhüten, so mag man es immerhin nicht bedauern,
daß von der Sache weiter nicht viel Aufhebens gemacht wurde. Der Antrag
betreffs des Welfenfonds konnte nach Lage des Gesetzes nnr abgelehnt werden.
Materiell ist über die unerquickliche Sache dem, was wir neulich bei Gelegen¬
heit der entsprechenden fortschrittlichen Jnterpellation gesagt, nichts hinzuzufügen.
Sonst verdient nur registrirt zu werden, daß der Antragsteller, Herr Richter-
Hagen, diesmal an Einseitigkeit der Darstellung, Leichtfertigkeit der Beschuldi¬
gung und Cynismus in der Schmähung anderer Parteien alle seine früheren
L X- e- eistungen in Schatten gestellt hat.




Unter diesen Umständen begreift sich, daß der in die gegenwärtige Session
hereinragende Rest dieser Planlosigseit, die Novelle zur Städteordnung, un¬
möglich Sympathie finden konnte. Herr Friedenthal selbst betrachtete sie
offenbar als todtgeborenes Kind und sorgte nur für eine anständige Bestattung.
Etwas glimpflicher war das Schicksal des Kommunalsteuergesetzentwnrfs; er
wurde wenigstens eiuer eingehenden sachlichen Diskussion unterzogen. Zu einer
ersprießlichen Regelung dieser Materie ist aber aus den öfter entwickelten
Gründen der gegenwärtige Augenblick nicht geeignet. Beide Vorlagen werden
in den Kommissionen, an welche sie aus Höflichkeit verwiesen wurden, ihr
kühles Grab finden. Die Steuerreformpläne, bezw. Untersuchungen über die
beste Art der Besteuerung liegen übrigens dermaßen in der Luft, daß sie im
Handumdrehen immer von Neuem in der Debatte erscheinen. So gaben in
der verflossenen Woche die Etats der direkten und der indirekten Steuern Ge¬
legenheit, das einen Tag zuvor über die Kommuualsteuervorlage Gesagte in
den verschiedensten Variationen zu wiederholen. Praktischer Gewinn kann ans
diesen zuweilen recht hitzigen Wortgefechten zur Zeit nicht erwartet werden.

Die Sensationsdebatte der Woche, an der es ja nun einmal nicht fehlen
darf, verdankte das Land den fortschrittlichen Anträgen betreffs Ergänzung der
Geschäftsordnung und betreffs des Welfenfonds. Im ersteren Punkte hat man
der Fortschrittspartei deu Willen gethan; Anträge auf Citirung der Minister
sollen in Zukunft bei Besprechung von Interpellationen zulässig sein. Da sich
Wohl immer eine genügend besonnene Majorität finden wird, um einen Mi߬
brauch dieses Rechtes zu verhüten, so mag man es immerhin nicht bedauern,
daß von der Sache weiter nicht viel Aufhebens gemacht wurde. Der Antrag
betreffs des Welfenfonds konnte nach Lage des Gesetzes nnr abgelehnt werden.
Materiell ist über die unerquickliche Sache dem, was wir neulich bei Gelegen¬
heit der entsprechenden fortschrittlichen Jnterpellation gesagt, nichts hinzuzufügen.
Sonst verdient nur registrirt zu werden, daß der Antragsteller, Herr Richter-
Hagen, diesmal an Einseitigkeit der Darstellung, Leichtfertigkeit der Beschuldi¬
gung und Cynismus in der Schmähung anderer Parteien alle seine früheren
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[0481] Unter diesen Umständen begreift sich, daß der in die gegenwärtige Session hereinragende Rest dieser Planlosigseit, die Novelle zur Städteordnung, un¬ möglich Sympathie finden konnte. Herr Friedenthal selbst betrachtete sie offenbar als todtgeborenes Kind und sorgte nur für eine anständige Bestattung. Etwas glimpflicher war das Schicksal des Kommunalsteuergesetzentwnrfs; er wurde wenigstens eiuer eingehenden sachlichen Diskussion unterzogen. Zu einer ersprießlichen Regelung dieser Materie ist aber aus den öfter entwickelten Gründen der gegenwärtige Augenblick nicht geeignet. Beide Vorlagen werden in den Kommissionen, an welche sie aus Höflichkeit verwiesen wurden, ihr kühles Grab finden. Die Steuerreformpläne, bezw. Untersuchungen über die beste Art der Besteuerung liegen übrigens dermaßen in der Luft, daß sie im Handumdrehen immer von Neuem in der Debatte erscheinen. So gaben in der verflossenen Woche die Etats der direkten und der indirekten Steuern Ge¬ legenheit, das einen Tag zuvor über die Kommuualsteuervorlage Gesagte in den verschiedensten Variationen zu wiederholen. Praktischer Gewinn kann ans diesen zuweilen recht hitzigen Wortgefechten zur Zeit nicht erwartet werden. Die Sensationsdebatte der Woche, an der es ja nun einmal nicht fehlen darf, verdankte das Land den fortschrittlichen Anträgen betreffs Ergänzung der Geschäftsordnung und betreffs des Welfenfonds. Im ersteren Punkte hat man der Fortschrittspartei deu Willen gethan; Anträge auf Citirung der Minister sollen in Zukunft bei Besprechung von Interpellationen zulässig sein. Da sich Wohl immer eine genügend besonnene Majorität finden wird, um einen Mi߬ brauch dieses Rechtes zu verhüten, so mag man es immerhin nicht bedauern, daß von der Sache weiter nicht viel Aufhebens gemacht wurde. Der Antrag betreffs des Welfenfonds konnte nach Lage des Gesetzes nnr abgelehnt werden. Materiell ist über die unerquickliche Sache dem, was wir neulich bei Gelegen¬ heit der entsprechenden fortschrittlichen Jnterpellation gesagt, nichts hinzuzufügen. Sonst verdient nur registrirt zu werden, daß der Antragsteller, Herr Richter- Hagen, diesmal an Einseitigkeit der Darstellung, Leichtfertigkeit der Beschuldi¬ gung und Cynismus in der Schmähung anderer Parteien alle seine früheren L X- e- eistungen in Schatten gestellt hat.

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Zitationshilfe: Die Grenzboten. Jg. 36, 1877, II. Semester. II. Band, S. . In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/grenzboten_341825_157645/481>, abgerufen am 22.07.2024.