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Die Grenzboten. Jg. 36, 1877, II. Semester. II. Band.

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dann folgt in besonderer Abhandlung, wiewohl im engsten Anschluß und gleichsam
als Besiegelung dieser grauenvollen Mißregiernug eine eingehende Darstellung
der furchtbaren Hungersnoth in Kleinasien, die achtzehn Monate lang, vom
Winter 1873 bis Frühling 1875, das sonst so reiche Land in einer in der
neueren Geschichte beispiellosen Weise heimsuchte. Unsere Leser werden uns
gern die abschreckenden Details dieser Landplage ersparen, die der Verfasser
mit jener stoischen Ruhe erzählt, wie Homer oder Virgil die Todesart jedes
einzelnen Helden, der in der männermordenden Feldschlacht hinsinkt. Daß
damals christliche Barmherzigkeit in allen Welttheilen das Größte gethan für
die armen Hungerleider, räumt der Verfasser freudig ein. --




Dom preußischen Landtage.

Die abgelaufene Woche bezeichnet einen bedeutsamen Wendepunkt für die
gegenwärtige Session. Sie hat die Antwort gebracht auf die Frage, welche
von der uationalliberalen Fraktion in der Debatte über den Eulenburgschen
Urlaub an: 26. Oktober aufgeworfen war. Die Differenz zwischen der Stel¬
lung dieser Fraktion zu der Reform der Verwaltungsorganisation und derjeni¬
gen der Regierung war damals klar bezeichnet worden; sie gipfelte in dein
Umstände, daß die letztere die Reform der Kommunalverfassnngen -- Städte-
und Landgemeiudeordnung -- nicht als integrirenden Bestandtheil des zur Zeit
der Ausführung harrenden Reformplanes betrachtet wissen wollte, während
die nationalliberale Fraktion gerade diese Aufgabe, namentlich die Landge-
meindeorduuug, als eine unabweisbare Nothwendigkeit bezeichnete. Wir lassen
dahingestellt, ol> Herr Friedenthal wirklich nur ein Mißverständniß berichtigte,
oder ob er seine Erklärungen vom 26. Oktober materiell modifizirte, wenn er
sich am letzten Dienstag dahin äußerte, daß Städte- und Landgemeindeordnung
nur nicht ein integrirender Theil des zunächst liegenden Pensums der Reform-
arbeit sein, daß sie erst in Angriff genommen werden sollen, wenn Kreis- und
Provinzialordnung auf die ganze Monarchie ausgedehnt sein und durch ein
Gesetz über die Behördenorganisation der staatliche Verwaltungsapparat ein
festes Gefüge erhalten haben werde. Genug, es steht nunmehr fest, daß die
Kommunalverfassnugen von dem großen Reformwerke keineswegs ausgeschlossen
bleiben sollen, und jene Differenz hat damit zum mindesten ihre prinzipielle


dann folgt in besonderer Abhandlung, wiewohl im engsten Anschluß und gleichsam
als Besiegelung dieser grauenvollen Mißregiernug eine eingehende Darstellung
der furchtbaren Hungersnoth in Kleinasien, die achtzehn Monate lang, vom
Winter 1873 bis Frühling 1875, das sonst so reiche Land in einer in der
neueren Geschichte beispiellosen Weise heimsuchte. Unsere Leser werden uns
gern die abschreckenden Details dieser Landplage ersparen, die der Verfasser
mit jener stoischen Ruhe erzählt, wie Homer oder Virgil die Todesart jedes
einzelnen Helden, der in der männermordenden Feldschlacht hinsinkt. Daß
damals christliche Barmherzigkeit in allen Welttheilen das Größte gethan für
die armen Hungerleider, räumt der Verfasser freudig ein. —




Dom preußischen Landtage.

Die abgelaufene Woche bezeichnet einen bedeutsamen Wendepunkt für die
gegenwärtige Session. Sie hat die Antwort gebracht auf die Frage, welche
von der uationalliberalen Fraktion in der Debatte über den Eulenburgschen
Urlaub an: 26. Oktober aufgeworfen war. Die Differenz zwischen der Stel¬
lung dieser Fraktion zu der Reform der Verwaltungsorganisation und derjeni¬
gen der Regierung war damals klar bezeichnet worden; sie gipfelte in dein
Umstände, daß die letztere die Reform der Kommunalverfassnngen — Städte-
und Landgemeiudeordnung — nicht als integrirenden Bestandtheil des zur Zeit
der Ausführung harrenden Reformplanes betrachtet wissen wollte, während
die nationalliberale Fraktion gerade diese Aufgabe, namentlich die Landge-
meindeorduuug, als eine unabweisbare Nothwendigkeit bezeichnete. Wir lassen
dahingestellt, ol> Herr Friedenthal wirklich nur ein Mißverständniß berichtigte,
oder ob er seine Erklärungen vom 26. Oktober materiell modifizirte, wenn er
sich am letzten Dienstag dahin äußerte, daß Städte- und Landgemeindeordnung
nur nicht ein integrirender Theil des zunächst liegenden Pensums der Reform-
arbeit sein, daß sie erst in Angriff genommen werden sollen, wenn Kreis- und
Provinzialordnung auf die ganze Monarchie ausgedehnt sein und durch ein
Gesetz über die Behördenorganisation der staatliche Verwaltungsapparat ein
festes Gefüge erhalten haben werde. Genug, es steht nunmehr fest, daß die
Kommunalverfassnugen von dem großen Reformwerke keineswegs ausgeschlossen
bleiben sollen, und jene Differenz hat damit zum mindesten ihre prinzipielle


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[0479] dann folgt in besonderer Abhandlung, wiewohl im engsten Anschluß und gleichsam als Besiegelung dieser grauenvollen Mißregiernug eine eingehende Darstellung der furchtbaren Hungersnoth in Kleinasien, die achtzehn Monate lang, vom Winter 1873 bis Frühling 1875, das sonst so reiche Land in einer in der neueren Geschichte beispiellosen Weise heimsuchte. Unsere Leser werden uns gern die abschreckenden Details dieser Landplage ersparen, die der Verfasser mit jener stoischen Ruhe erzählt, wie Homer oder Virgil die Todesart jedes einzelnen Helden, der in der männermordenden Feldschlacht hinsinkt. Daß damals christliche Barmherzigkeit in allen Welttheilen das Größte gethan für die armen Hungerleider, räumt der Verfasser freudig ein. — Dom preußischen Landtage. Die abgelaufene Woche bezeichnet einen bedeutsamen Wendepunkt für die gegenwärtige Session. Sie hat die Antwort gebracht auf die Frage, welche von der uationalliberalen Fraktion in der Debatte über den Eulenburgschen Urlaub an: 26. Oktober aufgeworfen war. Die Differenz zwischen der Stel¬ lung dieser Fraktion zu der Reform der Verwaltungsorganisation und derjeni¬ gen der Regierung war damals klar bezeichnet worden; sie gipfelte in dein Umstände, daß die letztere die Reform der Kommunalverfassnngen — Städte- und Landgemeiudeordnung — nicht als integrirenden Bestandtheil des zur Zeit der Ausführung harrenden Reformplanes betrachtet wissen wollte, während die nationalliberale Fraktion gerade diese Aufgabe, namentlich die Landge- meindeorduuug, als eine unabweisbare Nothwendigkeit bezeichnete. Wir lassen dahingestellt, ol> Herr Friedenthal wirklich nur ein Mißverständniß berichtigte, oder ob er seine Erklärungen vom 26. Oktober materiell modifizirte, wenn er sich am letzten Dienstag dahin äußerte, daß Städte- und Landgemeindeordnung nur nicht ein integrirender Theil des zunächst liegenden Pensums der Reform- arbeit sein, daß sie erst in Angriff genommen werden sollen, wenn Kreis- und Provinzialordnung auf die ganze Monarchie ausgedehnt sein und durch ein Gesetz über die Behördenorganisation der staatliche Verwaltungsapparat ein festes Gefüge erhalten haben werde. Genug, es steht nunmehr fest, daß die Kommunalverfassnugen von dem großen Reformwerke keineswegs ausgeschlossen bleiben sollen, und jene Differenz hat damit zum mindesten ihre prinzipielle

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Zitationshilfe: Die Grenzboten. Jg. 36, 1877, II. Semester. II. Band, S. . In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/grenzboten_341825_157645/479>, abgerufen am 22.07.2024.