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Die Grenzboten. Jg. 36, 1877, II. Semester. II. Band.

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Publikum für die kulturhistorischen Probleme des Alterthums zu interessiren,
angetreten und mit Glück und Geschick fortgeführt haben. Von der Vielseitigkeit
und dem allgemeinen Interesse des Inhaltes kann man sich schon durch einen
flüchtigen Blick überzeugen. Denjenigen, der dem Alterthum ferner steht, wird
namentlich der Nachweis interessiren, daß ein großer Theil von scheinbar ganz
modernen Einrichtungen und Gewohnheiten, den Alten, namentlich den Römern
sehr genau bekannt war: Aktiengesellschaften, Universitäten, Musikdilettantismus,
Bier, Buchhandel, Zeitungen, Bankiers, Banken und Geldkrise,?, Armenpflege,
Gaunerthum, Hospitäler, Pflege verwundeter oder kranker Soldaten, Virtuosen-
thum, Badeleben u. s. w. Alles das schildert uus Göll in ungewöhnlich an¬
ziehender Weise. Daneben natürlich eine Fülle römischer oder griechischer oder
beiden Nationen gemeinsamer berechtigter Eigenthümlichkeiten; so: der Volks¬
unterricht, die Reisen, die geselligen Spiele, die Leibeigenen und Sklaven, die
soziale Stellung des Weibes, Toleranz und Sektirerei, Gespensterspuk, Polizei
die Stellung der dramatischen Dichter und Künstler, der Sachwalter und
Rechtsgelehrten, die Küche, die Tracht, das Schicksal der Kriegsgefangenen, die
Todtenbestattung im Alterthum. Speziell dem hellenischen Leben ist die Ab¬
handlung über die griechischen Milizen und Landsknechte, das griechische Wohn¬
haus, die hellenischen Nationalfeste entnommen, während das alte Rom eine
große Menge aparter Stoffe dem Verfasser geliefert hat, so: Der Neujahrstag
in Rom, die römischen Militärverhältnisse, die Hellenen in Rom, die Gladia¬
toren, Jagden und Thierhetzen, die Geheimnisse der Vesta, zwei römische Schau¬
spieler u. s. w. Besonders lesbar ist das Buch durch die Beseitigung alles
gelehrten Apparates an Anmerkungen u. tgi., für den Kenner ist im Texte
überall deutlich genug ans die Quellen verwiesen.

In uoch farbigerer, in feuilletvnistischer Weise, behandelt das stattliche
Werk "Aus altrömischer Zeit" vou Theodor Simons, Berlin, Ver¬
lag von Gebrüder Paket, einzelne "Knltnrbilder aus dem sinkenden römischen
Weltreich. Die neueste (dritte) Lieferung dieses von Alexander Wagner
mit trefflichen und charakteristischen Illustrationen geschmückten, von den Ver¬
legern splendid ausgestatteten Werkes, enthält zwei Erzählungen oder Schilde¬
rungen: "Den Triumphzug des Titus" (71 n. Chr.) und "die Stiere des Maxen-
tius" (spielt 312 n. Chr.). Diese Erzählungen bieten, wie die in den früheren
Lieferungen enthaltenen, eine Reihe höchst anschaulich und detaillirt gezeichneter
Bilder voller Leben und Bewegung. "Der Triumphzug des Titus" über das
bei der Erstürmung von Jerusalem für immer gebrochene jüdische Volk zeigt
uns den grellen Gegensatz der siegestrunkenen Roma zu dem in Ketten an den
Triumphwagen des Siegers gespannten Juda. Groß und kraftvoll ist der
welthistorische Augenblick dargestellt, fein auch im kleinsten Detail abgerundet.


Publikum für die kulturhistorischen Probleme des Alterthums zu interessiren,
angetreten und mit Glück und Geschick fortgeführt haben. Von der Vielseitigkeit
und dem allgemeinen Interesse des Inhaltes kann man sich schon durch einen
flüchtigen Blick überzeugen. Denjenigen, der dem Alterthum ferner steht, wird
namentlich der Nachweis interessiren, daß ein großer Theil von scheinbar ganz
modernen Einrichtungen und Gewohnheiten, den Alten, namentlich den Römern
sehr genau bekannt war: Aktiengesellschaften, Universitäten, Musikdilettantismus,
Bier, Buchhandel, Zeitungen, Bankiers, Banken und Geldkrise,?, Armenpflege,
Gaunerthum, Hospitäler, Pflege verwundeter oder kranker Soldaten, Virtuosen-
thum, Badeleben u. s. w. Alles das schildert uus Göll in ungewöhnlich an¬
ziehender Weise. Daneben natürlich eine Fülle römischer oder griechischer oder
beiden Nationen gemeinsamer berechtigter Eigenthümlichkeiten; so: der Volks¬
unterricht, die Reisen, die geselligen Spiele, die Leibeigenen und Sklaven, die
soziale Stellung des Weibes, Toleranz und Sektirerei, Gespensterspuk, Polizei
die Stellung der dramatischen Dichter und Künstler, der Sachwalter und
Rechtsgelehrten, die Küche, die Tracht, das Schicksal der Kriegsgefangenen, die
Todtenbestattung im Alterthum. Speziell dem hellenischen Leben ist die Ab¬
handlung über die griechischen Milizen und Landsknechte, das griechische Wohn¬
haus, die hellenischen Nationalfeste entnommen, während das alte Rom eine
große Menge aparter Stoffe dem Verfasser geliefert hat, so: Der Neujahrstag
in Rom, die römischen Militärverhältnisse, die Hellenen in Rom, die Gladia¬
toren, Jagden und Thierhetzen, die Geheimnisse der Vesta, zwei römische Schau¬
spieler u. s. w. Besonders lesbar ist das Buch durch die Beseitigung alles
gelehrten Apparates an Anmerkungen u. tgi., für den Kenner ist im Texte
überall deutlich genug ans die Quellen verwiesen.

In uoch farbigerer, in feuilletvnistischer Weise, behandelt das stattliche
Werk „Aus altrömischer Zeit" vou Theodor Simons, Berlin, Ver¬
lag von Gebrüder Paket, einzelne „Knltnrbilder aus dem sinkenden römischen
Weltreich. Die neueste (dritte) Lieferung dieses von Alexander Wagner
mit trefflichen und charakteristischen Illustrationen geschmückten, von den Ver¬
legern splendid ausgestatteten Werkes, enthält zwei Erzählungen oder Schilde¬
rungen: „Den Triumphzug des Titus" (71 n. Chr.) und „die Stiere des Maxen-
tius" (spielt 312 n. Chr.). Diese Erzählungen bieten, wie die in den früheren
Lieferungen enthaltenen, eine Reihe höchst anschaulich und detaillirt gezeichneter
Bilder voller Leben und Bewegung. „Der Triumphzug des Titus" über das
bei der Erstürmung von Jerusalem für immer gebrochene jüdische Volk zeigt
uns den grellen Gegensatz der siegestrunkenen Roma zu dem in Ketten an den
Triumphwagen des Siegers gespannten Juda. Groß und kraftvoll ist der
welthistorische Augenblick dargestellt, fein auch im kleinsten Detail abgerundet.


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Zitationshilfe: Die Grenzboten. Jg. 36, 1877, II. Semester. II. Band, S. . In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/grenzboten_341825_157645/442>, abgerufen am 05.02.2025.