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Die Grenzboten. Jg. 36, 1877, II. Semester. II. Band.

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der Kantvnsregierungen. Die vergrößerungssüchtigen Kantone hatten von dem
Geßler'scheu Grundbesitze Stücke an sich gerissen, sie hatten Entschädigung erst
versprochen, dann verweigert, sie lehnten ab, vor dem Schiedsgericht der ober¬
deutschen Städte in der Sache Recht zu nehmen, infolge dessen kam es zwei¬
mal darüber zur Fehde, welche die schweizerische Nordgrenze unsicher machte,
und diese Kette von Ungerechtigkeiten gaben den damaligen Parteischriftstellern
den Gedanken ein, den Geschädigten und Bedrückten selbst in einen Gewalt¬
thäter umzustempeln und die Bedränger als die Bedrängten hinzustellen. Man
sieht, es ist die Fabel vom Lamme, das dem Wolfe das Wasser getrübt hat.
Die schwere Beeinträchtigung, welche die Geßler im Anfang des fünfzehnten
Jahrhunderts von Seiten der Schweizer erlitten, sollten sie schon hundert
Jahre früher selbst an der Schweiz verübt haben. Freilich dachten die Chro¬
nisten, welche diese Lügen in die Welt setzten, nicht daran, daß die Dokumente,
in welchen das Bekenntniß des an den Geßlern verübten Raubes zu lesen ist,
in den Archiven erhalten bleiben würden und eines Tages ans Licht gezogen
werden könnten. Der Herausgeber dieser Urkunden hat sich mit seiner Arbeit
ein entschiedenes Verdienst um die schweizerische Geschichtsforschung erworben,
zumal er die von ihm (und Andern) gesammelten Dokumente durch sachgemäße
Anmerkungen erläutert und verständlich gemacht hat, die selbst wieder auf ur¬
kundlichen Angaben beruhen. Warum er die lateinischen Urkunden nicht im
Original, sondern in deutscher Uebersetzung mittheilt, ist uns unverständlich.
Für Ungelehrte kann das Buch doch nicht bestimmt sein.


Die Anfänge des Staats- und Rechtste dans. Ein Beitrag zu einer allge¬
meinen vergleichenden Staats- und Rechtsgeschichte von Dr. U. H. Post. Oldenburg,
187". Schultze'sche Habfbuchhandlung.

Ein recht willkommen zu nennender, wenn auch noch Manches vermissen
lassender Versuch, auf Grund der Kenntniß der Rechte aller Völkerschaften der
Erde, auch der wilden Stamme, zur Erkenntniß des Wesens des Rechtes zu
gelangen. Der Verfasser, welcher sich der Unvvllstüudigkeit seiner Arbeit bewußt
ist, hat sich darauf beschränkt, Thatsachen aus den Rechten der Menschenkreise
zusaunuenzustellen, welche über die Anfänge des Stciatslebeus noch nicht hinaus¬
gelangt find. Die Rechte der europäischen Kulturvölker sind uur in so weit
berücksichtigt, als analoge Erscheinungen dazu Anlaß gaben, und auch dann
begnügt sich der Versasser mit bloßen Andeutungen, um uicht Bekanntes nochmals
auszuführen.




Verantwortlicher Redakteur: ol. Hans Mum in Leipzig.
Vcvlag "an F. L. Hcrbin. in Leipzig. -- Druck von Hiithrl ä- Hcrvnmnn in Leipzig.

der Kantvnsregierungen. Die vergrößerungssüchtigen Kantone hatten von dem
Geßler'scheu Grundbesitze Stücke an sich gerissen, sie hatten Entschädigung erst
versprochen, dann verweigert, sie lehnten ab, vor dem Schiedsgericht der ober¬
deutschen Städte in der Sache Recht zu nehmen, infolge dessen kam es zwei¬
mal darüber zur Fehde, welche die schweizerische Nordgrenze unsicher machte,
und diese Kette von Ungerechtigkeiten gaben den damaligen Parteischriftstellern
den Gedanken ein, den Geschädigten und Bedrückten selbst in einen Gewalt¬
thäter umzustempeln und die Bedränger als die Bedrängten hinzustellen. Man
sieht, es ist die Fabel vom Lamme, das dem Wolfe das Wasser getrübt hat.
Die schwere Beeinträchtigung, welche die Geßler im Anfang des fünfzehnten
Jahrhunderts von Seiten der Schweizer erlitten, sollten sie schon hundert
Jahre früher selbst an der Schweiz verübt haben. Freilich dachten die Chro¬
nisten, welche diese Lügen in die Welt setzten, nicht daran, daß die Dokumente,
in welchen das Bekenntniß des an den Geßlern verübten Raubes zu lesen ist,
in den Archiven erhalten bleiben würden und eines Tages ans Licht gezogen
werden könnten. Der Herausgeber dieser Urkunden hat sich mit seiner Arbeit
ein entschiedenes Verdienst um die schweizerische Geschichtsforschung erworben,
zumal er die von ihm (und Andern) gesammelten Dokumente durch sachgemäße
Anmerkungen erläutert und verständlich gemacht hat, die selbst wieder auf ur¬
kundlichen Angaben beruhen. Warum er die lateinischen Urkunden nicht im
Original, sondern in deutscher Uebersetzung mittheilt, ist uns unverständlich.
Für Ungelehrte kann das Buch doch nicht bestimmt sein.


Die Anfänge des Staats- und Rechtste dans. Ein Beitrag zu einer allge¬
meinen vergleichenden Staats- und Rechtsgeschichte von Dr. U. H. Post. Oldenburg,
187«. Schultze'sche Habfbuchhandlung.

Ein recht willkommen zu nennender, wenn auch noch Manches vermissen
lassender Versuch, auf Grund der Kenntniß der Rechte aller Völkerschaften der
Erde, auch der wilden Stamme, zur Erkenntniß des Wesens des Rechtes zu
gelangen. Der Verfasser, welcher sich der Unvvllstüudigkeit seiner Arbeit bewußt
ist, hat sich darauf beschränkt, Thatsachen aus den Rechten der Menschenkreise
zusaunuenzustellen, welche über die Anfänge des Stciatslebeus noch nicht hinaus¬
gelangt find. Die Rechte der europäischen Kulturvölker sind uur in so weit
berücksichtigt, als analoge Erscheinungen dazu Anlaß gaben, und auch dann
begnügt sich der Versasser mit bloßen Andeutungen, um uicht Bekanntes nochmals
auszuführen.




Verantwortlicher Redakteur: ol. Hans Mum in Leipzig.
Vcvlag »an F. L. Hcrbin. in Leipzig. — Druck von Hiithrl ä- Hcrvnmnn in Leipzig.
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[0044] der Kantvnsregierungen. Die vergrößerungssüchtigen Kantone hatten von dem Geßler'scheu Grundbesitze Stücke an sich gerissen, sie hatten Entschädigung erst versprochen, dann verweigert, sie lehnten ab, vor dem Schiedsgericht der ober¬ deutschen Städte in der Sache Recht zu nehmen, infolge dessen kam es zwei¬ mal darüber zur Fehde, welche die schweizerische Nordgrenze unsicher machte, und diese Kette von Ungerechtigkeiten gaben den damaligen Parteischriftstellern den Gedanken ein, den Geschädigten und Bedrückten selbst in einen Gewalt¬ thäter umzustempeln und die Bedränger als die Bedrängten hinzustellen. Man sieht, es ist die Fabel vom Lamme, das dem Wolfe das Wasser getrübt hat. Die schwere Beeinträchtigung, welche die Geßler im Anfang des fünfzehnten Jahrhunderts von Seiten der Schweizer erlitten, sollten sie schon hundert Jahre früher selbst an der Schweiz verübt haben. Freilich dachten die Chro¬ nisten, welche diese Lügen in die Welt setzten, nicht daran, daß die Dokumente, in welchen das Bekenntniß des an den Geßlern verübten Raubes zu lesen ist, in den Archiven erhalten bleiben würden und eines Tages ans Licht gezogen werden könnten. Der Herausgeber dieser Urkunden hat sich mit seiner Arbeit ein entschiedenes Verdienst um die schweizerische Geschichtsforschung erworben, zumal er die von ihm (und Andern) gesammelten Dokumente durch sachgemäße Anmerkungen erläutert und verständlich gemacht hat, die selbst wieder auf ur¬ kundlichen Angaben beruhen. Warum er die lateinischen Urkunden nicht im Original, sondern in deutscher Uebersetzung mittheilt, ist uns unverständlich. Für Ungelehrte kann das Buch doch nicht bestimmt sein. Die Anfänge des Staats- und Rechtste dans. Ein Beitrag zu einer allge¬ meinen vergleichenden Staats- und Rechtsgeschichte von Dr. U. H. Post. Oldenburg, 187«. Schultze'sche Habfbuchhandlung. Ein recht willkommen zu nennender, wenn auch noch Manches vermissen lassender Versuch, auf Grund der Kenntniß der Rechte aller Völkerschaften der Erde, auch der wilden Stamme, zur Erkenntniß des Wesens des Rechtes zu gelangen. Der Verfasser, welcher sich der Unvvllstüudigkeit seiner Arbeit bewußt ist, hat sich darauf beschränkt, Thatsachen aus den Rechten der Menschenkreise zusaunuenzustellen, welche über die Anfänge des Stciatslebeus noch nicht hinaus¬ gelangt find. Die Rechte der europäischen Kulturvölker sind uur in so weit berücksichtigt, als analoge Erscheinungen dazu Anlaß gaben, und auch dann begnügt sich der Versasser mit bloßen Andeutungen, um uicht Bekanntes nochmals auszuführen. Verantwortlicher Redakteur: ol. Hans Mum in Leipzig. Vcvlag »an F. L. Hcrbin. in Leipzig. — Druck von Hiithrl ä- Hcrvnmnn in Leipzig.

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Zitationshilfe: Die Grenzboten. Jg. 36, 1877, II. Semester. II. Band, S. . In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/grenzboten_341825_157645/44>, abgerufen am 22.07.2024.