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Die Grenzboten. Jg. 36, 1877, II. Semester. II. Band.

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Thorweg -- entschieden zu viel des Guten. Auch die "Münze" und die
"Henwaage", ein paar alte,-elende Baracken, waren des Abbildens nicht werth.
Interessanter sind die übrigen Blätter: die beiden Ansichten des ehemaligen
Georgenhauses, die beiden des ebenfalls längst verschwundenen Petersthores,
die "alte Waage", das grimmische Thor mit der Paulinerkirche und endlich
der Moritzdamm.

Die Ausführung der sämmtlichen Ansichten ist im Ganzen befriedigend,
wenn sie auch in Einzelheiten mancherlei zu wünschen übrig lassen. Das
Georgenhans von der Parkseite ist in den Dimensionen vergriffen; es erscheint
viel zu großartig. Der Fußweg auf dem Moritzdamm war ebenfalls schmäler
und dürftiger, als wie er sich hier im Bilde zeigt, und die grimmische Gasse
vollends erscheint nicht wie eine schmale Gasse, was sie in Wirklichkeit war und
ist -- trotzdem daß sie in lächerlicher Großstadtssucht jetzt in eine "Grimmaische
Straße" umgetauft worden ist - sondern man meint auf einem großen, freien
Platze zu stehen, so verfehlt ist hier die Perspektive.

Die Verlagshandlung hat noch ein 3. und 4. Heft in Aussicht gestellt,
w welchen hoffentlich neben der alterthümlichen auch der künstlerischen Seite
^was Rechnung getragen werden und nicht als einziges Kriterium für die
Aufnahmefähigkeit der Umstand geltend gemacht werden wird, ob das betreffende
Gebäude noch existirt oder nicht. In einer Sammlung von Architekturansichten
aus dem "alten Leipzig" erwartet man doch in erster Linie das Rathhaus,
die Pleiße'
nburg, "Barthel's Hof" in seiner ehemaligen Gestalt und das "Für¬
stenhaus", das reizvollste Privatgebäude Leipzigs ans der Zeit der deutschen
Renaissance, ferner aus dem 17. Jahrhundert "Deuterich's Hof" mit seiner
viel zu wenig beachteten, innerhalb der Leipziger Architektur durchaus verein¬
zelt dastehenden Fayadenbildung, die kleine "Börse" auf dem Naschmarkte und
einzelne von den reichen Erkern in Stuck oder Holzschnitzerei, welche die Hain¬
straße und die Petersstraße aufzuweisen haben, endlich ans der Barockzeit das
prächtige Romanus'sche Haus, "Koch's Hof" und die bekannten Hohmann'schen
Hänser. Sicherlich wird die Verlngshandlung in den nachfolgenden Heften
diesen Baulichkeiten ihre Aufmerksamkeit zuwenden. Hier bedürfte es keiner
Mühseligen und prekären Rekonstruktion nach alten Vorlagen, sondern lediglich
guter Photographischer Aufnahmen.

Erläuterungen zu den bildlichen Darstellungen halten wir nicht für ab¬
solut nothwendig. Sollte die Verlagshandlung sich entschließen, dem Ganzen
schließlich einen kurzen Text beizugeben, so wollen wir nnr den Wunsch ans¬
prechen, daß die Abfassung desselben nicht - wodurch schon manche derartige
Publikation entwerthet worden ist -- dein ersten besten Lokalanekdotenerzähler
überlassen, sondern jemand anvertraut werde, der mit der Geschichte, iusbe-


Grenzboten IV. 1877. ^

Thorweg — entschieden zu viel des Guten. Auch die „Münze" und die
„Henwaage", ein paar alte,-elende Baracken, waren des Abbildens nicht werth.
Interessanter sind die übrigen Blätter: die beiden Ansichten des ehemaligen
Georgenhauses, die beiden des ebenfalls längst verschwundenen Petersthores,
die „alte Waage", das grimmische Thor mit der Paulinerkirche und endlich
der Moritzdamm.

Die Ausführung der sämmtlichen Ansichten ist im Ganzen befriedigend,
wenn sie auch in Einzelheiten mancherlei zu wünschen übrig lassen. Das
Georgenhans von der Parkseite ist in den Dimensionen vergriffen; es erscheint
viel zu großartig. Der Fußweg auf dem Moritzdamm war ebenfalls schmäler
und dürftiger, als wie er sich hier im Bilde zeigt, und die grimmische Gasse
vollends erscheint nicht wie eine schmale Gasse, was sie in Wirklichkeit war und
ist — trotzdem daß sie in lächerlicher Großstadtssucht jetzt in eine „Grimmaische
Straße" umgetauft worden ist - sondern man meint auf einem großen, freien
Platze zu stehen, so verfehlt ist hier die Perspektive.

Die Verlagshandlung hat noch ein 3. und 4. Heft in Aussicht gestellt,
w welchen hoffentlich neben der alterthümlichen auch der künstlerischen Seite
^was Rechnung getragen werden und nicht als einziges Kriterium für die
Aufnahmefähigkeit der Umstand geltend gemacht werden wird, ob das betreffende
Gebäude noch existirt oder nicht. In einer Sammlung von Architekturansichten
aus dem „alten Leipzig" erwartet man doch in erster Linie das Rathhaus,
die Pleiße'
nburg, „Barthel's Hof" in seiner ehemaligen Gestalt und das „Für¬
stenhaus", das reizvollste Privatgebäude Leipzigs ans der Zeit der deutschen
Renaissance, ferner aus dem 17. Jahrhundert „Deuterich's Hof" mit seiner
viel zu wenig beachteten, innerhalb der Leipziger Architektur durchaus verein¬
zelt dastehenden Fayadenbildung, die kleine „Börse" auf dem Naschmarkte und
einzelne von den reichen Erkern in Stuck oder Holzschnitzerei, welche die Hain¬
straße und die Petersstraße aufzuweisen haben, endlich ans der Barockzeit das
prächtige Romanus'sche Haus, „Koch's Hof" und die bekannten Hohmann'schen
Hänser. Sicherlich wird die Verlngshandlung in den nachfolgenden Heften
diesen Baulichkeiten ihre Aufmerksamkeit zuwenden. Hier bedürfte es keiner
Mühseligen und prekären Rekonstruktion nach alten Vorlagen, sondern lediglich
guter Photographischer Aufnahmen.

Erläuterungen zu den bildlichen Darstellungen halten wir nicht für ab¬
solut nothwendig. Sollte die Verlagshandlung sich entschließen, dem Ganzen
schließlich einen kurzen Text beizugeben, so wollen wir nnr den Wunsch ans¬
prechen, daß die Abfassung desselben nicht - wodurch schon manche derartige
Publikation entwerthet worden ist — dein ersten besten Lokalanekdotenerzähler
überlassen, sondern jemand anvertraut werde, der mit der Geschichte, iusbe-


Grenzboten IV. 1877. ^
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[0437] Thorweg — entschieden zu viel des Guten. Auch die „Münze" und die „Henwaage", ein paar alte,-elende Baracken, waren des Abbildens nicht werth. Interessanter sind die übrigen Blätter: die beiden Ansichten des ehemaligen Georgenhauses, die beiden des ebenfalls längst verschwundenen Petersthores, die „alte Waage", das grimmische Thor mit der Paulinerkirche und endlich der Moritzdamm. Die Ausführung der sämmtlichen Ansichten ist im Ganzen befriedigend, wenn sie auch in Einzelheiten mancherlei zu wünschen übrig lassen. Das Georgenhans von der Parkseite ist in den Dimensionen vergriffen; es erscheint viel zu großartig. Der Fußweg auf dem Moritzdamm war ebenfalls schmäler und dürftiger, als wie er sich hier im Bilde zeigt, und die grimmische Gasse vollends erscheint nicht wie eine schmale Gasse, was sie in Wirklichkeit war und ist — trotzdem daß sie in lächerlicher Großstadtssucht jetzt in eine „Grimmaische Straße" umgetauft worden ist - sondern man meint auf einem großen, freien Platze zu stehen, so verfehlt ist hier die Perspektive. Die Verlagshandlung hat noch ein 3. und 4. Heft in Aussicht gestellt, w welchen hoffentlich neben der alterthümlichen auch der künstlerischen Seite ^was Rechnung getragen werden und nicht als einziges Kriterium für die Aufnahmefähigkeit der Umstand geltend gemacht werden wird, ob das betreffende Gebäude noch existirt oder nicht. In einer Sammlung von Architekturansichten aus dem „alten Leipzig" erwartet man doch in erster Linie das Rathhaus, die Pleiße' nburg, „Barthel's Hof" in seiner ehemaligen Gestalt und das „Für¬ stenhaus", das reizvollste Privatgebäude Leipzigs ans der Zeit der deutschen Renaissance, ferner aus dem 17. Jahrhundert „Deuterich's Hof" mit seiner viel zu wenig beachteten, innerhalb der Leipziger Architektur durchaus verein¬ zelt dastehenden Fayadenbildung, die kleine „Börse" auf dem Naschmarkte und einzelne von den reichen Erkern in Stuck oder Holzschnitzerei, welche die Hain¬ straße und die Petersstraße aufzuweisen haben, endlich ans der Barockzeit das prächtige Romanus'sche Haus, „Koch's Hof" und die bekannten Hohmann'schen Hänser. Sicherlich wird die Verlngshandlung in den nachfolgenden Heften diesen Baulichkeiten ihre Aufmerksamkeit zuwenden. Hier bedürfte es keiner Mühseligen und prekären Rekonstruktion nach alten Vorlagen, sondern lediglich guter Photographischer Aufnahmen. Erläuterungen zu den bildlichen Darstellungen halten wir nicht für ab¬ solut nothwendig. Sollte die Verlagshandlung sich entschließen, dem Ganzen schließlich einen kurzen Text beizugeben, so wollen wir nnr den Wunsch ans¬ prechen, daß die Abfassung desselben nicht - wodurch schon manche derartige Publikation entwerthet worden ist — dein ersten besten Lokalanekdotenerzähler überlassen, sondern jemand anvertraut werde, der mit der Geschichte, iusbe- Grenzboten IV. 1877. ^

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Zitationshilfe: Die Grenzboten. Jg. 36, 1877, II. Semester. II. Band, S. . In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/grenzboten_341825_157645/437>, abgerufen am 27.09.2024.