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Die Grenzboten. Jg. 36, 1877, II. Semester. II. Band.

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"Darnach kam ich gen Inspruk, den achten Tag nach des heiligen Leich¬
nams Tag und da ich in die Stadt zog, folgten meinem Wagen nach eine
große Menge Edelleute und Bürger bis zu der Herberge und verwunderten
sich des langen Spießes, welcher an dem Wagen hing und wiewohl ich die
Herberg zuschließen ließ, drungen sie doch mit Gewalt hinein, stiegen auf den
Wagen und maßen den laugen Spieß."

"Da schickte zu mir Herzog Sigismund, welcher meiner Ankunft sehr er¬
freuet war, und ließ mir sagen, ich sollte alsbald mit Stiefel und Sporn zu
ihm kommen; ich wollte aber nicht, sondern legte mich an, wie sichs gebühret,
"b ich wohl noch schwach war. Da ich zum Fürsten kam, fand ich ihn aufm
Schloß und bei ihm den Grafen von Görz, welcher sein Oheim und Vetter
ist, und den Markgrafen von Baden, Kaiserlicher Majestät Schwestersohn,
welcher ihm zur selben Zeit dienet, mit viel andern Räthen und Rittern ver¬
sammelt. Der Fürst nahm mich mit großen Gnaden an, vor ihm brauchte
ich deutsche Rede. Nachdem ich aber meine Rede vollendet hatte, bat er mich,
daß ich vor ihm den langen Spieß führen sollte, welches ich zur selbigen Zeit
zu thun ungeschickt war, wegen des Fiebers, welches mich sehr schwach ge¬
macht hatte." --

Die Herren mußten daher darauf verzichten unsern Ritter seine Kraft-
Proben ablegen zu sehen, aber wenigstens seine Rüstung legten sie sich an und
versuchten seine Waffen, unter denen der lange Spieß eine große Rolle spielt,
ZU handhaben. Doch wie Popplau erzählt, immer vergebens. Sehr unan¬
genehm berührte es ihn, daß einige von des Herzogs Leuten die Vermuthung
laut werden ließen, dieser werde dem Ritter "wenigstens hundert Dukaten zur
Verehrung schenken müssen", wenn er ihn mit dem Spieße seine Kunststücke
machen lasse. Er wäre nicht ein solcher Abenteurer, der von dergleichen
Ritterspielen, die er Fürsten und Herren zur Ehre thäte. Gold oder Verehrung
annehme. -- Wohl nahm er aber einen "Kopf in und auswendig vergoldet"
"n, auch daß der Herzog ihn auf seine Kosten von Schwetz "bis ins Baiern-
land gen Wasserburg" bringen ließ. -- Dann reiste er nach Heidelberg, wo
n vor dem Pfalzgrafen sich in ritterlichem Spiel sehen ließ, und von da nach
Koblenz. -

Allda traf ich an den Bischof von Trier*), vor welchem ich in lateini¬
scher Sprache meine Werbung that, er aber antwortete mir durch den Hof¬
meister in deutscher Sprache, mit Anzeigung, er hätte seine Doktores itzt nicht
Zur Stelle, daß er mich lateinisch bescheiden könnte, wollte ihm dasselbe nicht
verargen, erbot sich gegen mich aller Gnaden, bat mich darnach selbst in eigner



*) Johann II,, Markgraf von Baden.

„Darnach kam ich gen Inspruk, den achten Tag nach des heiligen Leich¬
nams Tag und da ich in die Stadt zog, folgten meinem Wagen nach eine
große Menge Edelleute und Bürger bis zu der Herberge und verwunderten
sich des langen Spießes, welcher an dem Wagen hing und wiewohl ich die
Herberg zuschließen ließ, drungen sie doch mit Gewalt hinein, stiegen auf den
Wagen und maßen den laugen Spieß."

„Da schickte zu mir Herzog Sigismund, welcher meiner Ankunft sehr er¬
freuet war, und ließ mir sagen, ich sollte alsbald mit Stiefel und Sporn zu
ihm kommen; ich wollte aber nicht, sondern legte mich an, wie sichs gebühret,
»b ich wohl noch schwach war. Da ich zum Fürsten kam, fand ich ihn aufm
Schloß und bei ihm den Grafen von Görz, welcher sein Oheim und Vetter
ist, und den Markgrafen von Baden, Kaiserlicher Majestät Schwestersohn,
welcher ihm zur selben Zeit dienet, mit viel andern Räthen und Rittern ver¬
sammelt. Der Fürst nahm mich mit großen Gnaden an, vor ihm brauchte
ich deutsche Rede. Nachdem ich aber meine Rede vollendet hatte, bat er mich,
daß ich vor ihm den langen Spieß führen sollte, welches ich zur selbigen Zeit
zu thun ungeschickt war, wegen des Fiebers, welches mich sehr schwach ge¬
macht hatte." —

Die Herren mußten daher darauf verzichten unsern Ritter seine Kraft-
Proben ablegen zu sehen, aber wenigstens seine Rüstung legten sie sich an und
versuchten seine Waffen, unter denen der lange Spieß eine große Rolle spielt,
ZU handhaben. Doch wie Popplau erzählt, immer vergebens. Sehr unan¬
genehm berührte es ihn, daß einige von des Herzogs Leuten die Vermuthung
laut werden ließen, dieser werde dem Ritter „wenigstens hundert Dukaten zur
Verehrung schenken müssen", wenn er ihn mit dem Spieße seine Kunststücke
machen lasse. Er wäre nicht ein solcher Abenteurer, der von dergleichen
Ritterspielen, die er Fürsten und Herren zur Ehre thäte. Gold oder Verehrung
annehme. — Wohl nahm er aber einen „Kopf in und auswendig vergoldet"
"n, auch daß der Herzog ihn auf seine Kosten von Schwetz „bis ins Baiern-
land gen Wasserburg" bringen ließ. — Dann reiste er nach Heidelberg, wo
n vor dem Pfalzgrafen sich in ritterlichem Spiel sehen ließ, und von da nach
Koblenz. -

Allda traf ich an den Bischof von Trier*), vor welchem ich in lateini¬
scher Sprache meine Werbung that, er aber antwortete mir durch den Hof¬
meister in deutscher Sprache, mit Anzeigung, er hätte seine Doktores itzt nicht
Zur Stelle, daß er mich lateinisch bescheiden könnte, wollte ihm dasselbe nicht
verargen, erbot sich gegen mich aller Gnaden, bat mich darnach selbst in eigner



*) Johann II,, Markgraf von Baden.
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[0431] „Darnach kam ich gen Inspruk, den achten Tag nach des heiligen Leich¬ nams Tag und da ich in die Stadt zog, folgten meinem Wagen nach eine große Menge Edelleute und Bürger bis zu der Herberge und verwunderten sich des langen Spießes, welcher an dem Wagen hing und wiewohl ich die Herberg zuschließen ließ, drungen sie doch mit Gewalt hinein, stiegen auf den Wagen und maßen den laugen Spieß." „Da schickte zu mir Herzog Sigismund, welcher meiner Ankunft sehr er¬ freuet war, und ließ mir sagen, ich sollte alsbald mit Stiefel und Sporn zu ihm kommen; ich wollte aber nicht, sondern legte mich an, wie sichs gebühret, »b ich wohl noch schwach war. Da ich zum Fürsten kam, fand ich ihn aufm Schloß und bei ihm den Grafen von Görz, welcher sein Oheim und Vetter ist, und den Markgrafen von Baden, Kaiserlicher Majestät Schwestersohn, welcher ihm zur selben Zeit dienet, mit viel andern Räthen und Rittern ver¬ sammelt. Der Fürst nahm mich mit großen Gnaden an, vor ihm brauchte ich deutsche Rede. Nachdem ich aber meine Rede vollendet hatte, bat er mich, daß ich vor ihm den langen Spieß führen sollte, welches ich zur selbigen Zeit zu thun ungeschickt war, wegen des Fiebers, welches mich sehr schwach ge¬ macht hatte." — Die Herren mußten daher darauf verzichten unsern Ritter seine Kraft- Proben ablegen zu sehen, aber wenigstens seine Rüstung legten sie sich an und versuchten seine Waffen, unter denen der lange Spieß eine große Rolle spielt, ZU handhaben. Doch wie Popplau erzählt, immer vergebens. Sehr unan¬ genehm berührte es ihn, daß einige von des Herzogs Leuten die Vermuthung laut werden ließen, dieser werde dem Ritter „wenigstens hundert Dukaten zur Verehrung schenken müssen", wenn er ihn mit dem Spieße seine Kunststücke machen lasse. Er wäre nicht ein solcher Abenteurer, der von dergleichen Ritterspielen, die er Fürsten und Herren zur Ehre thäte. Gold oder Verehrung annehme. — Wohl nahm er aber einen „Kopf in und auswendig vergoldet" "n, auch daß der Herzog ihn auf seine Kosten von Schwetz „bis ins Baiern- land gen Wasserburg" bringen ließ. — Dann reiste er nach Heidelberg, wo n vor dem Pfalzgrafen sich in ritterlichem Spiel sehen ließ, und von da nach Koblenz. - Allda traf ich an den Bischof von Trier*), vor welchem ich in lateini¬ scher Sprache meine Werbung that, er aber antwortete mir durch den Hof¬ meister in deutscher Sprache, mit Anzeigung, er hätte seine Doktores itzt nicht Zur Stelle, daß er mich lateinisch bescheiden könnte, wollte ihm dasselbe nicht verargen, erbot sich gegen mich aller Gnaden, bat mich darnach selbst in eigner *) Johann II,, Markgraf von Baden.

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Zitationshilfe: Die Grenzboten. Jg. 36, 1877, II. Semester. II. Band, S. . In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/grenzboten_341825_157645/431>, abgerufen am 24.08.2024.