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Die Grenzboten. Jg. 36, 1877, II. Semester. II. Band.

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Ergebnisse der spekulativen Philosophie gegenüber nehmen die Lehrbücher der
Wissenschaft nach dem Verfasser den "Standpunkt naiver Unwissenheit und
krasser Ignoranz" ein. "Unendlich viel klarer wird das Wesen der Erkenntniß,
wenn wir den monistischen Grundgedanken zur Erläuterung des Kant'schen
Idealismus beifügen." Kant sagt: "Nur was in Zeit und Raum sich dar¬
stellt und wir uach dem Satze vom Grnnde ordnen, vermögen wir zu er¬
kennen." Herr Noir6 glaubt das besser so ausdrücken zu können, wenn er
sagt: "Die Welt hat nur zwei Eigenschaften: Bewegung und Empfindung, nur
mit Hülfe dieser beiden Eigenschaften kann eine Erkenntniß möglich gemacht
werden. Je höher das Empfinden und das Erinnern sich in einem Wesen
steigert, um so vollkommener wird seine Erkenntniß. Aber nnr Individuen,
bestimmte und begrenzte Wesen, vermögen zu empfinden, und so kann auch
nur Bestimmtes und Begrenztes in ihr Bewußtsein einziehen. Die eigenste
Form des Bewußtseins ist die Zeit, die eigenste Form der Bewegung ist der
Raum. Beide sind freilich nichts Reales, aber die Eigenschaften Empfindung
und Bewegung sind über allem Zweifel real." "Die Welt von innen und von
außen, die Welt des Subjekts und die Welt als Erscheinung, die Welt als
Bewegung und die Welt als Empfindung oder Wille -- beide ein einziges,
untrennbares Wesen, nur uach dem Gesichtspunkte, von dem sie betrachtet werden,
verschieden, das ist die Idee des Monismus", der uach der Ansicht des Ver¬
fassers "die endliche Ausgleichung der Gegensätze von Spiritualismus und
Materialismus, von Idealismus und Realismus, die Philosophie der Zukunft"
ist. Die Aphorismen sollen diese Gedanken in freier Form darstellen. Wir
überlassen sie der Prüfung der Philosophen vom Fach; dieselben dürfen aber
den Professortitel nicht tragen; denu, wie Herr N. mit Feuerbach sagt: "Es
ist das spezifische Kennzeichen eineH Philosophen, daß er kein Professor der
Philosophie ist."


Die Anrgnuer Geßler in Urkunden von 1250 bis 1513. Von E. L. Roch¬
holz. Heilbronn, Verlag von Gebr. Henninger, 1877.

Diese Sammlung von Urkunden liefert zunächst den Beweis, daß es nie¬
mals einen Landvogt Geßler zu Uri oder Schwyz gegeben hat, der das Volk
tyrannisch bedrückt hätte und von Tell oder irgend einem Andern getödtet
worden wäre. Sodann aber erklärt sich auch aus den Einzelnheiten der hier
mitgetheilten Dokumente mit derselben Bestimmtheit, warum gerade der Name
Geßler für die bekannte Zwingherrnrvlle ausgewählt worden ist. Nicht ein von
der Volkssage begangener Anachronismus liegt darin vor, sondern eine be¬
wußte Verläumdung durch Parteischriftsteller, eine Fabel von Lohnschreibern


Ergebnisse der spekulativen Philosophie gegenüber nehmen die Lehrbücher der
Wissenschaft nach dem Verfasser den „Standpunkt naiver Unwissenheit und
krasser Ignoranz" ein. „Unendlich viel klarer wird das Wesen der Erkenntniß,
wenn wir den monistischen Grundgedanken zur Erläuterung des Kant'schen
Idealismus beifügen." Kant sagt: „Nur was in Zeit und Raum sich dar¬
stellt und wir uach dem Satze vom Grnnde ordnen, vermögen wir zu er¬
kennen." Herr Noir6 glaubt das besser so ausdrücken zu können, wenn er
sagt: „Die Welt hat nur zwei Eigenschaften: Bewegung und Empfindung, nur
mit Hülfe dieser beiden Eigenschaften kann eine Erkenntniß möglich gemacht
werden. Je höher das Empfinden und das Erinnern sich in einem Wesen
steigert, um so vollkommener wird seine Erkenntniß. Aber nnr Individuen,
bestimmte und begrenzte Wesen, vermögen zu empfinden, und so kann auch
nur Bestimmtes und Begrenztes in ihr Bewußtsein einziehen. Die eigenste
Form des Bewußtseins ist die Zeit, die eigenste Form der Bewegung ist der
Raum. Beide sind freilich nichts Reales, aber die Eigenschaften Empfindung
und Bewegung sind über allem Zweifel real." „Die Welt von innen und von
außen, die Welt des Subjekts und die Welt als Erscheinung, die Welt als
Bewegung und die Welt als Empfindung oder Wille — beide ein einziges,
untrennbares Wesen, nur uach dem Gesichtspunkte, von dem sie betrachtet werden,
verschieden, das ist die Idee des Monismus", der uach der Ansicht des Ver¬
fassers „die endliche Ausgleichung der Gegensätze von Spiritualismus und
Materialismus, von Idealismus und Realismus, die Philosophie der Zukunft"
ist. Die Aphorismen sollen diese Gedanken in freier Form darstellen. Wir
überlassen sie der Prüfung der Philosophen vom Fach; dieselben dürfen aber
den Professortitel nicht tragen; denu, wie Herr N. mit Feuerbach sagt: „Es
ist das spezifische Kennzeichen eineH Philosophen, daß er kein Professor der
Philosophie ist."


Die Anrgnuer Geßler in Urkunden von 1250 bis 1513. Von E. L. Roch¬
holz. Heilbronn, Verlag von Gebr. Henninger, 1877.

Diese Sammlung von Urkunden liefert zunächst den Beweis, daß es nie¬
mals einen Landvogt Geßler zu Uri oder Schwyz gegeben hat, der das Volk
tyrannisch bedrückt hätte und von Tell oder irgend einem Andern getödtet
worden wäre. Sodann aber erklärt sich auch aus den Einzelnheiten der hier
mitgetheilten Dokumente mit derselben Bestimmtheit, warum gerade der Name
Geßler für die bekannte Zwingherrnrvlle ausgewählt worden ist. Nicht ein von
der Volkssage begangener Anachronismus liegt darin vor, sondern eine be¬
wußte Verläumdung durch Parteischriftsteller, eine Fabel von Lohnschreibern


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Zitationshilfe: Die Grenzboten. Jg. 36, 1877, II. Semester. II. Band, S. . In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/grenzboten_341825_157645/43>, abgerufen am 22.07.2024.