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Die Grenzboten. Jg. 36, 1877, II. Semester. II. Band.

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Malerei aufs gröblichste verletzen will. Lessing würde mit "Schulknaben"
um sich werfen und nach der Ruthe rufen, wenn er manche von diesen Bild¬
chen sähe. Dies beiläufig. Worauf es aber hier ankommt: Wie viele der
Herren verstehen es denn, für den Holzschnitt zu zeichnen? Es ist leider eine
Thatsache, daß eine große Anzahl tüchtiger Maler auf die Frage, ob sie auf
den Holzschnitt zeichnen können, mit verschämten Achselzucken antworten. Aber
das sind doch noch die unschädlichen. Es gibt aber andere, die ans diese Frage
!M nicht mit verschämten Achselzucken, sondern mit sehr wenig verschämten
Leistungen antworten, und das sind die gefährlichen, und solche Geister hat
die Jllustratiouswuth des letzten Jahrzehnts in Masse heraufbeschworen. Der
^"e, anstatt zu zeichnen, malt lieber gleich auf deu Holzstock und überläßt es
dem Xylographen, Schattirung und Modellirung sich nach seinem Gutdünken
in Strichlagen aufzulösen, was dieser dann oft sehr virtuos, aber dabei mög¬
lichst glatt, mechanisch und nichtssagend besorgt. Grauenvolle Beispiele dieser
Art sind uns gelegentlich sogar in den Stuttgarter Prachtwerken begegnet. Ein
anderer zeichnet zwar, ist aber nicht im Stande, eine einzige Figur klar, scharf,
deutlich und bestimmt hinzustellen; da kritzele er nun frisch darauf los, und Wenn's
recht unfertig und skizzenhaft aussieht, so bildet er sich mindestens ein, er sei
ein zweiter Adolf Menzel. Wenn diese Herren ihre Skizzen in den neuerdings
so beliebt gewordenen schönen Lichtdrnckalbnms herausgeben, so ist dagegen
nichts zu sagen. Der Lichtdruck sorgt mühelos mit größter Treue dafür, daß
kein Tüpfelchen und kein Krakelchen ihres Stiftes verloren gehe, er ist die
geeignetste Vervielfältigungstechnik für ihre Leistungen. Gewiß lassen sich diese
schließlich auch in Holz schneiden. Die Technik des Holzschnittes hat so eminente
Fortschritte gemacht, daß sie auch die tollsten und gedankenlosesten Zumuthungen
heutzutage zu überwinden vermag. Wie der Setzer schließlich die schlechteste
Handschrift entziffert und in schönen, reinlichen Typen wiedergiebt, so schneidet
der Xylograph auch am Ende die schlechteste künstlerische Handschrift nach; er
"faesimilirt" zur Noth ebenso gut, wie der Lichtdruck. Es fragt sich nur: Ist
das auch der Mühe werth? Ist die Geduld und Mühsal einer guten, fleißigen
Holzschneiderhand dazu da, sich mit "Künstlern" herumzuschlagen, die weder
in Linienmanier, noch in farbiger Manier, noch in Nadirmanier, sondern
eben nur in ihrer eigenen, höchst persönlichen Manier von sehr zweifelhafter
Berechtigung zu zeichnen verstehen? Dazu ist denn doch der Holzschnitt zu
gut. Der Holzschneider soll arbeiten für solche Künstler, die für ihn zu ar¬
beiten verstehen. Es sind der "wilden" Zeichner in den letzten Jahren gar zu
biete geworden. Täglich hat man Veranlassung zu bedauern, daß technische
und materielle Mittel an die Herstellung von Holzschnitte" vergeudet worden
sind und schließlich doch keine erfreuliche Wirkung damit erreicht worden ist,


Malerei aufs gröblichste verletzen will. Lessing würde mit „Schulknaben"
um sich werfen und nach der Ruthe rufen, wenn er manche von diesen Bild¬
chen sähe. Dies beiläufig. Worauf es aber hier ankommt: Wie viele der
Herren verstehen es denn, für den Holzschnitt zu zeichnen? Es ist leider eine
Thatsache, daß eine große Anzahl tüchtiger Maler auf die Frage, ob sie auf
den Holzschnitt zeichnen können, mit verschämten Achselzucken antworten. Aber
das sind doch noch die unschädlichen. Es gibt aber andere, die ans diese Frage
!M nicht mit verschämten Achselzucken, sondern mit sehr wenig verschämten
Leistungen antworten, und das sind die gefährlichen, und solche Geister hat
die Jllustratiouswuth des letzten Jahrzehnts in Masse heraufbeschworen. Der
^»e, anstatt zu zeichnen, malt lieber gleich auf deu Holzstock und überläßt es
dem Xylographen, Schattirung und Modellirung sich nach seinem Gutdünken
in Strichlagen aufzulösen, was dieser dann oft sehr virtuos, aber dabei mög¬
lichst glatt, mechanisch und nichtssagend besorgt. Grauenvolle Beispiele dieser
Art sind uns gelegentlich sogar in den Stuttgarter Prachtwerken begegnet. Ein
anderer zeichnet zwar, ist aber nicht im Stande, eine einzige Figur klar, scharf,
deutlich und bestimmt hinzustellen; da kritzele er nun frisch darauf los, und Wenn's
recht unfertig und skizzenhaft aussieht, so bildet er sich mindestens ein, er sei
ein zweiter Adolf Menzel. Wenn diese Herren ihre Skizzen in den neuerdings
so beliebt gewordenen schönen Lichtdrnckalbnms herausgeben, so ist dagegen
nichts zu sagen. Der Lichtdruck sorgt mühelos mit größter Treue dafür, daß
kein Tüpfelchen und kein Krakelchen ihres Stiftes verloren gehe, er ist die
geeignetste Vervielfältigungstechnik für ihre Leistungen. Gewiß lassen sich diese
schließlich auch in Holz schneiden. Die Technik des Holzschnittes hat so eminente
Fortschritte gemacht, daß sie auch die tollsten und gedankenlosesten Zumuthungen
heutzutage zu überwinden vermag. Wie der Setzer schließlich die schlechteste
Handschrift entziffert und in schönen, reinlichen Typen wiedergiebt, so schneidet
der Xylograph auch am Ende die schlechteste künstlerische Handschrift nach; er
"faesimilirt" zur Noth ebenso gut, wie der Lichtdruck. Es fragt sich nur: Ist
das auch der Mühe werth? Ist die Geduld und Mühsal einer guten, fleißigen
Holzschneiderhand dazu da, sich mit „Künstlern" herumzuschlagen, die weder
in Linienmanier, noch in farbiger Manier, noch in Nadirmanier, sondern
eben nur in ihrer eigenen, höchst persönlichen Manier von sehr zweifelhafter
Berechtigung zu zeichnen verstehen? Dazu ist denn doch der Holzschnitt zu
gut. Der Holzschneider soll arbeiten für solche Künstler, die für ihn zu ar¬
beiten verstehen. Es sind der „wilden" Zeichner in den letzten Jahren gar zu
biete geworden. Täglich hat man Veranlassung zu bedauern, daß technische
und materielle Mittel an die Herstellung von Holzschnitte» vergeudet worden
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Zitationshilfe: Die Grenzboten. Jg. 36, 1877, II. Semester. II. Band, S. . In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/grenzboten_341825_157645/423>, abgerufen am 05.02.2025.