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Die Grenzboten. Jg. 36, 1877, II. Semester. II. Band.

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ohne Ausnahme dieser Lebensperiode ihre Entstehung verdanken. So beginnt
der 15. Abschnitt. Er enthält zunächst anziehende Schilderungen aus dem
häuslichen Stillleben und aus der Studirstube des bedeutenden Mannes. Wir
erfahren, daß ihm seine Gattin eine treue Gehülfin auch in seinen schriftstelle¬
rischen Arbeiten war. Das Manuskript seiner Werke enthält viele Bogen von
der Hand der Frau von Clausewitz, die er ihr in die Feder diktirte, oder die
sie als Exzerpte anderer Werke hinzufügen mußte. Eine Anzahl reizender
Charnkterzüge und kleiner Anekdoten, die Zeugniß davon geben, daß Clausewitz,
wie unser Moltke, kein Mann von vielen Worten war, sind in die Erzählung
eingeflochten. Auch hier machen wir die Bekanntschaft einer Reihe bedeutender
Persönlichkeiten, so aus der Fürstlich-Radziwillschen Familie und der des
Ministers Grasen Bernstorff. In der letzteren wird noch jetzt ein Album auf¬
bewahrt, in welchem sich unter einem Bilde des Generals von Clausewitz
folgende von dem Minister verfaßte Verse finden, die eine treffende Charakteristik
des seltsamen Mannes in wenig Worten geben:


Was zarter Frauen Sinn bewegt,
Des Mannes Heldenkraft erregt.
Des klarsten Geistes tiefstes Streben,
. Des wärmsten Herzens regstes Leben,' Unmuthig war's in ihm vereint.

Im Jahre 1830 wurde Clausewitz zum Artillerie-Inspekteur ernannt und
aus einer Stellung erlöst, die ihm als solche niemals- Befriedigung gewährt
hatte. Die Periode dieser nnr eine kurze Spanne Zeit einnehmenden Wirk¬
samkeit, seine amtlichen und außeramttlichen Beziehungen zu Gneisenau während
des polnischen Aufstandes bis zum Tode 'des letzteren, behandelt der 16. Ab¬
Abschnitt. Er enthält außerdem Auszüge aus einem Tagebuche von Clausewitz
aus jener Zeit, Briefe an feine Gattin und drei politische Aufsätze. Aus den
Briefen klingt zuweilen ein tief ernster Ton gleich einer Todesahnung hindurch.
So schreibt er unter dem 9. Juni 1831 aus Posen an seine Gattin, indem er
°on dem Mißtrauen und der Eifersucht zwischen den verschiedenen deutschen
Höfen spricht: .Alle diese Dinge machen mich, wenn ich daran denke, unaus¬
sprechlich traurig und lassen mir nichts übrig als den Trost, daß wir beide
uur noch einen kleinen Theil unseres Lebens vor uns und keine Kinder hinter
uns haben." Tief und erschütternd war der Eindruck, den der Tod Gneisenaus,
der, wie wir schon erwähnten, am 23. August 1831 in Posen an der Cholera
starb, auf Clausewitz machte. -- Und nur zu bald sollte er feinem Feldherrn
und Freunde nachfolgen. In seinem Inneren noch tief ergriffen von den Ge¬
suchten der Trauer, kehrte er am 7. November von Posen nach Breslau zurück
und schon am 16.' desselben Monats erlag er derselben Krankheit. Nach dem


ohne Ausnahme dieser Lebensperiode ihre Entstehung verdanken. So beginnt
der 15. Abschnitt. Er enthält zunächst anziehende Schilderungen aus dem
häuslichen Stillleben und aus der Studirstube des bedeutenden Mannes. Wir
erfahren, daß ihm seine Gattin eine treue Gehülfin auch in seinen schriftstelle¬
rischen Arbeiten war. Das Manuskript seiner Werke enthält viele Bogen von
der Hand der Frau von Clausewitz, die er ihr in die Feder diktirte, oder die
sie als Exzerpte anderer Werke hinzufügen mußte. Eine Anzahl reizender
Charnkterzüge und kleiner Anekdoten, die Zeugniß davon geben, daß Clausewitz,
wie unser Moltke, kein Mann von vielen Worten war, sind in die Erzählung
eingeflochten. Auch hier machen wir die Bekanntschaft einer Reihe bedeutender
Persönlichkeiten, so aus der Fürstlich-Radziwillschen Familie und der des
Ministers Grasen Bernstorff. In der letzteren wird noch jetzt ein Album auf¬
bewahrt, in welchem sich unter einem Bilde des Generals von Clausewitz
folgende von dem Minister verfaßte Verse finden, die eine treffende Charakteristik
des seltsamen Mannes in wenig Worten geben:


Was zarter Frauen Sinn bewegt,
Des Mannes Heldenkraft erregt.
Des klarsten Geistes tiefstes Streben,
. Des wärmsten Herzens regstes Leben,' Unmuthig war's in ihm vereint.

Im Jahre 1830 wurde Clausewitz zum Artillerie-Inspekteur ernannt und
aus einer Stellung erlöst, die ihm als solche niemals- Befriedigung gewährt
hatte. Die Periode dieser nnr eine kurze Spanne Zeit einnehmenden Wirk¬
samkeit, seine amtlichen und außeramttlichen Beziehungen zu Gneisenau während
des polnischen Aufstandes bis zum Tode 'des letzteren, behandelt der 16. Ab¬
Abschnitt. Er enthält außerdem Auszüge aus einem Tagebuche von Clausewitz
aus jener Zeit, Briefe an feine Gattin und drei politische Aufsätze. Aus den
Briefen klingt zuweilen ein tief ernster Ton gleich einer Todesahnung hindurch.
So schreibt er unter dem 9. Juni 1831 aus Posen an seine Gattin, indem er
°on dem Mißtrauen und der Eifersucht zwischen den verschiedenen deutschen
Höfen spricht: .Alle diese Dinge machen mich, wenn ich daran denke, unaus¬
sprechlich traurig und lassen mir nichts übrig als den Trost, daß wir beide
uur noch einen kleinen Theil unseres Lebens vor uns und keine Kinder hinter
uns haben." Tief und erschütternd war der Eindruck, den der Tod Gneisenaus,
der, wie wir schon erwähnten, am 23. August 1831 in Posen an der Cholera
starb, auf Clausewitz machte. — Und nur zu bald sollte er feinem Feldherrn
und Freunde nachfolgen. In seinem Inneren noch tief ergriffen von den Ge¬
suchten der Trauer, kehrte er am 7. November von Posen nach Breslau zurück
und schon am 16.' desselben Monats erlag er derselben Krankheit. Nach dem


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Zitationshilfe: Die Grenzboten. Jg. 36, 1877, II. Semester. II. Band, S. . In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/grenzboten_341825_157645/415>, abgerufen am 25.08.2024.