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Die Grenzboten. Jg. 36, 1877, II. Semester. II. Band.

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Gleich im ersten Abschnitt hören wir von Clausewitz' Mitwirkung bei der
Landesbewaffnung und von seinen Beziehungen zu all den bedeutenden Männern,
Jork, Stein, Dohna, Schön, die sich damals in Königsberg zusammenfanden.
Von russischer Seite zum Blücherschen Hauptquartier kommandirt, hatte er die
Freude, dort wieder mit Scharnhorst und Gneisenau zusammenzutreffen, welcher
letztere vergebliche Versuche machte, die Zurückberufung Clausewitzens in den
preußischen Dienst zu erwirken. Durch den bald darauf erfolgenden Tod
Scharnhorst's wurde Clausewitz, der in ihm "den theuersten Freund seines
Lebens, den ihm Niemand ersetzen konnte" verlor, von unbeschreiblicher Trauer
und Wehmuth ergriffen. Mit Ablauf des Waffenstillstandes ging er zu seiner
neuen Bestimmung als Generalquartiermeister beim Grafen Wallmoden nach
Meklenburg ab. Dann spielen sich die großen Schlachtendrainen ab bis zum
Einzug der Verbündeten in Paris: Clausewitz kam jedoch diesmal nicht mit
nach Frankreich, sondern blieb mit dem Wallmodenschen Corps, wie er schreibt
ein Samuel-Simmel-Surium von allen möglichen Reichsvölkern, in Holland
stehen. Im Jahre 1815 hatte er jedoch das Glück in einer bedeutenden
Stellung, als Generalstabs-Chef des dritten preußischen Corps Frankreich in einer
ganz anderen Stimmung betreten zu können, als er es vor sieben Jahren ver¬
lassen hatte. Die Briefe und Aufzeichnungen aus der Zeit dieses zweiten Auf¬
enthaltes in Frankreich bieten abermals viel des Interessanten. Mit dem
allerdings nicht immer sehr säuberlicher Vorgehen unseres alten Blücher gegen
die Franzosen, speciell gegen die Pariser, die es nur einem Zufalle zu ver¬
danken hatten, daß die Brücke von Jena nicht in die Luft gesprengt wurde,
scheint Clausewitz mit seinem milden Sinne keineswegs einverstanden gewesen
zu sein. "Ich finde, daß unser Benehmen nicht den nobelen Charakter hat,
der Siegern gerade am schönsten steht", schreibt er am 12. Juli 1815 an
seine Gattin.

Die im 14. Abschnitte geschilderte Koblenzer Lebensperiode von 1815--13,
eine Periode der Ruhe und Einkehr, kann man im Gegensatz zu der vorherge¬
gangenen schweren und prüfungsvollen Zeit, als eine wahre Idylle bezeichnen.
In einem Kreise liebenswürdiger, zum Theil recht bedeutender Menschen, mit
denen wir sämmtlich nähere Bekanntschaft machen, verlebte das Clausewitzsch^
Ehepaar vielleicht seine glücklichsten Jahre. Anziehend und belehrend sind die
Schilderungen der damaligen Zustände in der Rheinprovinz, sowie der Schwie¬
rigkeiten, welche die preußische Regierung zu überwinden hatte.

Der zwölfjährige Zeitraum, während dessen Clausewitz die Direktion der
Allgemeinen Kriegsschule führte, war nicht reich an äußeren Lebensereignissen,
aber von um so größerer Bedeutung für sein literarisches Wirken, da die aus¬
gezeichneten Werke, auf welchen sein Ruhm als Militär-Schriftsteller beruht,


Gleich im ersten Abschnitt hören wir von Clausewitz' Mitwirkung bei der
Landesbewaffnung und von seinen Beziehungen zu all den bedeutenden Männern,
Jork, Stein, Dohna, Schön, die sich damals in Königsberg zusammenfanden.
Von russischer Seite zum Blücherschen Hauptquartier kommandirt, hatte er die
Freude, dort wieder mit Scharnhorst und Gneisenau zusammenzutreffen, welcher
letztere vergebliche Versuche machte, die Zurückberufung Clausewitzens in den
preußischen Dienst zu erwirken. Durch den bald darauf erfolgenden Tod
Scharnhorst's wurde Clausewitz, der in ihm „den theuersten Freund seines
Lebens, den ihm Niemand ersetzen konnte" verlor, von unbeschreiblicher Trauer
und Wehmuth ergriffen. Mit Ablauf des Waffenstillstandes ging er zu seiner
neuen Bestimmung als Generalquartiermeister beim Grafen Wallmoden nach
Meklenburg ab. Dann spielen sich die großen Schlachtendrainen ab bis zum
Einzug der Verbündeten in Paris: Clausewitz kam jedoch diesmal nicht mit
nach Frankreich, sondern blieb mit dem Wallmodenschen Corps, wie er schreibt
ein Samuel-Simmel-Surium von allen möglichen Reichsvölkern, in Holland
stehen. Im Jahre 1815 hatte er jedoch das Glück in einer bedeutenden
Stellung, als Generalstabs-Chef des dritten preußischen Corps Frankreich in einer
ganz anderen Stimmung betreten zu können, als er es vor sieben Jahren ver¬
lassen hatte. Die Briefe und Aufzeichnungen aus der Zeit dieses zweiten Auf¬
enthaltes in Frankreich bieten abermals viel des Interessanten. Mit dem
allerdings nicht immer sehr säuberlicher Vorgehen unseres alten Blücher gegen
die Franzosen, speciell gegen die Pariser, die es nur einem Zufalle zu ver¬
danken hatten, daß die Brücke von Jena nicht in die Luft gesprengt wurde,
scheint Clausewitz mit seinem milden Sinne keineswegs einverstanden gewesen
zu sein. „Ich finde, daß unser Benehmen nicht den nobelen Charakter hat,
der Siegern gerade am schönsten steht", schreibt er am 12. Juli 1815 an
seine Gattin.

Die im 14. Abschnitte geschilderte Koblenzer Lebensperiode von 1815—13,
eine Periode der Ruhe und Einkehr, kann man im Gegensatz zu der vorherge¬
gangenen schweren und prüfungsvollen Zeit, als eine wahre Idylle bezeichnen.
In einem Kreise liebenswürdiger, zum Theil recht bedeutender Menschen, mit
denen wir sämmtlich nähere Bekanntschaft machen, verlebte das Clausewitzsch^
Ehepaar vielleicht seine glücklichsten Jahre. Anziehend und belehrend sind die
Schilderungen der damaligen Zustände in der Rheinprovinz, sowie der Schwie¬
rigkeiten, welche die preußische Regierung zu überwinden hatte.

Der zwölfjährige Zeitraum, während dessen Clausewitz die Direktion der
Allgemeinen Kriegsschule führte, war nicht reich an äußeren Lebensereignissen,
aber von um so größerer Bedeutung für sein literarisches Wirken, da die aus¬
gezeichneten Werke, auf welchen sein Ruhm als Militär-Schriftsteller beruht,


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[0414] Gleich im ersten Abschnitt hören wir von Clausewitz' Mitwirkung bei der Landesbewaffnung und von seinen Beziehungen zu all den bedeutenden Männern, Jork, Stein, Dohna, Schön, die sich damals in Königsberg zusammenfanden. Von russischer Seite zum Blücherschen Hauptquartier kommandirt, hatte er die Freude, dort wieder mit Scharnhorst und Gneisenau zusammenzutreffen, welcher letztere vergebliche Versuche machte, die Zurückberufung Clausewitzens in den preußischen Dienst zu erwirken. Durch den bald darauf erfolgenden Tod Scharnhorst's wurde Clausewitz, der in ihm „den theuersten Freund seines Lebens, den ihm Niemand ersetzen konnte" verlor, von unbeschreiblicher Trauer und Wehmuth ergriffen. Mit Ablauf des Waffenstillstandes ging er zu seiner neuen Bestimmung als Generalquartiermeister beim Grafen Wallmoden nach Meklenburg ab. Dann spielen sich die großen Schlachtendrainen ab bis zum Einzug der Verbündeten in Paris: Clausewitz kam jedoch diesmal nicht mit nach Frankreich, sondern blieb mit dem Wallmodenschen Corps, wie er schreibt ein Samuel-Simmel-Surium von allen möglichen Reichsvölkern, in Holland stehen. Im Jahre 1815 hatte er jedoch das Glück in einer bedeutenden Stellung, als Generalstabs-Chef des dritten preußischen Corps Frankreich in einer ganz anderen Stimmung betreten zu können, als er es vor sieben Jahren ver¬ lassen hatte. Die Briefe und Aufzeichnungen aus der Zeit dieses zweiten Auf¬ enthaltes in Frankreich bieten abermals viel des Interessanten. Mit dem allerdings nicht immer sehr säuberlicher Vorgehen unseres alten Blücher gegen die Franzosen, speciell gegen die Pariser, die es nur einem Zufalle zu ver¬ danken hatten, daß die Brücke von Jena nicht in die Luft gesprengt wurde, scheint Clausewitz mit seinem milden Sinne keineswegs einverstanden gewesen zu sein. „Ich finde, daß unser Benehmen nicht den nobelen Charakter hat, der Siegern gerade am schönsten steht", schreibt er am 12. Juli 1815 an seine Gattin. Die im 14. Abschnitte geschilderte Koblenzer Lebensperiode von 1815—13, eine Periode der Ruhe und Einkehr, kann man im Gegensatz zu der vorherge¬ gangenen schweren und prüfungsvollen Zeit, als eine wahre Idylle bezeichnen. In einem Kreise liebenswürdiger, zum Theil recht bedeutender Menschen, mit denen wir sämmtlich nähere Bekanntschaft machen, verlebte das Clausewitzsch^ Ehepaar vielleicht seine glücklichsten Jahre. Anziehend und belehrend sind die Schilderungen der damaligen Zustände in der Rheinprovinz, sowie der Schwie¬ rigkeiten, welche die preußische Regierung zu überwinden hatte. Der zwölfjährige Zeitraum, während dessen Clausewitz die Direktion der Allgemeinen Kriegsschule führte, war nicht reich an äußeren Lebensereignissen, aber von um so größerer Bedeutung für sein literarisches Wirken, da die aus¬ gezeichneten Werke, auf welchen sein Ruhm als Militär-Schriftsteller beruht,

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Zitationshilfe: Die Grenzboten. Jg. 36, 1877, II. Semester. II. Band, S. . In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/grenzboten_341825_157645/414>, abgerufen am 25.08.2024.