Anmelden (DTAQ) DWDS     dlexDB     CLARIN-D

Die Grenzboten. Jg. 36, 1877, II. Semester. II. Band.

Bild:
<< vorherige Seite
Karl von Mausewitz.

Gar Mancher aus der Zahl der wirklich Gebildeten würde um eine Ant¬
wort verlegen sein, wenn an ihn die Frage gerichtet würde: wer war Carl
von Clcinsewitz? In militärischen Kreisen dürfen wir eine solche Unkenntniß
allerdings nicht voraussetzen, denn schwerlich wird es einen deutschen Offizier
geben, dem Clausewitz, als militärischer Schriftsteller, speziell als Verfasser des
wahrhaft klassischen Werkes "Vom Kriege", nicht bekannt wäre. Aber dar¬
über, was er sonst leistete, was er dem preußischen Heere, dem deutschen
Volke war, davon, fürchten wir, weiß auch die jüngere Generation im Waffen¬
rock herzlich wenig. Und doch sind sie in dem Geiste jeues Mannes zum
Kriege erzogen worden und seine Lehren haben ihnen die Wege des Sieges
sicher mit bereiten helfen. Aber abgesehen von seinem Schriftstellerruhm dürfen
wir nie vergessen, daß Clausewitz, ein Manu von glühendem Patriotismus,
zur Zeit unserer tiefsten Dehmüthigung durch That, Wort und Schrift mit
daran arbeitete, die korsischen Ketten zu brechen. War es ihm auch nicht ver¬
gönnt, wie Blücher, Stein, Scharnhorst, Gneisenau in hohen, entscheidenden
Stellungen, im Centrum der Bewegung, direkt in die Räder der Weltgeschichte
wie einzugreifen, so gehört er doch mit in den Kreis jener begabten, geistvollen
Männer, die der Stagnation im ganzen preußischen Staats- und Heerwesen
"och zu rechter Zeit entgegenwirkten und einen sittlichen Aufschwung herbei¬
führten.

Allerdings kam Clausewitz, in Folge einer seltenen Bescheidenheit und
Zurückhaltung, zu Lebzeiten weniger zur Geltung, und erst nach seinem Tode
^ er zum berühmten Manne geworden. Damit theilt er das Geschick so
mancher anderen bedeutenden Geister, denen erst im Grabe die volle Anerken¬
nung zu Theil geworden ist. Wie sehr er ein öffentliches Hervortreten mit
seiner Person scheute, davon giebt Zeugniß, daß er die unsterblichen Denkmäler
seines Geistes, die seinen Ruhm begründeten, erst nach seinem Tode veröffeut-
'


^N".-.two> IV. 1^77. ^
Karl von Mausewitz.

Gar Mancher aus der Zahl der wirklich Gebildeten würde um eine Ant¬
wort verlegen sein, wenn an ihn die Frage gerichtet würde: wer war Carl
von Clcinsewitz? In militärischen Kreisen dürfen wir eine solche Unkenntniß
allerdings nicht voraussetzen, denn schwerlich wird es einen deutschen Offizier
geben, dem Clausewitz, als militärischer Schriftsteller, speziell als Verfasser des
wahrhaft klassischen Werkes „Vom Kriege", nicht bekannt wäre. Aber dar¬
über, was er sonst leistete, was er dem preußischen Heere, dem deutschen
Volke war, davon, fürchten wir, weiß auch die jüngere Generation im Waffen¬
rock herzlich wenig. Und doch sind sie in dem Geiste jeues Mannes zum
Kriege erzogen worden und seine Lehren haben ihnen die Wege des Sieges
sicher mit bereiten helfen. Aber abgesehen von seinem Schriftstellerruhm dürfen
wir nie vergessen, daß Clausewitz, ein Manu von glühendem Patriotismus,
zur Zeit unserer tiefsten Dehmüthigung durch That, Wort und Schrift mit
daran arbeitete, die korsischen Ketten zu brechen. War es ihm auch nicht ver¬
gönnt, wie Blücher, Stein, Scharnhorst, Gneisenau in hohen, entscheidenden
Stellungen, im Centrum der Bewegung, direkt in die Räder der Weltgeschichte
wie einzugreifen, so gehört er doch mit in den Kreis jener begabten, geistvollen
Männer, die der Stagnation im ganzen preußischen Staats- und Heerwesen
"och zu rechter Zeit entgegenwirkten und einen sittlichen Aufschwung herbei¬
führten.

Allerdings kam Clausewitz, in Folge einer seltenen Bescheidenheit und
Zurückhaltung, zu Lebzeiten weniger zur Geltung, und erst nach seinem Tode
^ er zum berühmten Manne geworden. Damit theilt er das Geschick so
mancher anderen bedeutenden Geister, denen erst im Grabe die volle Anerken¬
nung zu Theil geworden ist. Wie sehr er ein öffentliches Hervortreten mit
seiner Person scheute, davon giebt Zeugniß, daß er die unsterblichen Denkmäler
seines Geistes, die seinen Ruhm begründeten, erst nach seinem Tode veröffeut-
'


^N».-.two> IV. 1^77. ^
<TEI>
  <text>
    <body>
      <div>
        <div n="1">
          <pb facs="#f0405" corresp="http://brema.suub.uni-bremen.de/grenzboten/periodical/pageview/139164"/>
        </div>
        <div n="1">
          <head> Karl von Mausewitz.</head><lb/>
          <p xml:id="ID_1170"> Gar Mancher aus der Zahl der wirklich Gebildeten würde um eine Ant¬<lb/>
wort verlegen sein, wenn an ihn die Frage gerichtet würde: wer war Carl<lb/>
von Clcinsewitz? In militärischen Kreisen dürfen wir eine solche Unkenntniß<lb/>
allerdings nicht voraussetzen, denn schwerlich wird es einen deutschen Offizier<lb/>
geben, dem Clausewitz, als militärischer Schriftsteller, speziell als Verfasser des<lb/>
wahrhaft klassischen Werkes &#x201E;Vom Kriege", nicht bekannt wäre. Aber dar¬<lb/>
über, was er sonst leistete, was er dem preußischen Heere, dem deutschen<lb/>
Volke war, davon, fürchten wir, weiß auch die jüngere Generation im Waffen¬<lb/>
rock herzlich wenig. Und doch sind sie in dem Geiste jeues Mannes zum<lb/>
Kriege erzogen worden und seine Lehren haben ihnen die Wege des Sieges<lb/>
sicher mit bereiten helfen. Aber abgesehen von seinem Schriftstellerruhm dürfen<lb/>
wir nie vergessen, daß Clausewitz, ein Manu von glühendem Patriotismus,<lb/>
zur Zeit unserer tiefsten Dehmüthigung durch That, Wort und Schrift mit<lb/>
daran arbeitete, die korsischen Ketten zu brechen. War es ihm auch nicht ver¬<lb/>
gönnt, wie Blücher, Stein, Scharnhorst, Gneisenau in hohen, entscheidenden<lb/>
Stellungen, im Centrum der Bewegung, direkt in die Räder der Weltgeschichte<lb/>
wie einzugreifen, so gehört er doch mit in den Kreis jener begabten, geistvollen<lb/>
Männer, die der Stagnation im ganzen preußischen Staats- und Heerwesen<lb/>
"och zu rechter Zeit entgegenwirkten und einen sittlichen Aufschwung herbei¬<lb/>
führten.</p><lb/>
          <p xml:id="ID_1171" next="#ID_1172"> Allerdings kam Clausewitz, in Folge einer seltenen Bescheidenheit und<lb/>
Zurückhaltung, zu Lebzeiten weniger zur Geltung, und erst nach seinem Tode<lb/>
^ er zum berühmten Manne geworden. Damit theilt er das Geschick so<lb/>
mancher anderen bedeutenden Geister, denen erst im Grabe die volle Anerken¬<lb/>
nung zu Theil geworden ist. Wie sehr er ein öffentliches Hervortreten mit<lb/>
seiner Person scheute, davon giebt Zeugniß, daß er die unsterblichen Denkmäler<lb/>
seines Geistes, die seinen Ruhm begründeten, erst nach seinem Tode veröffeut-<lb/>
'</p><lb/>
          <fw type="sig" place="bottom"> ^N».-.two&gt; IV. 1^77. ^</fw><lb/>
        </div>
      </div>
    </body>
  </text>
</TEI>
[0405] Karl von Mausewitz. Gar Mancher aus der Zahl der wirklich Gebildeten würde um eine Ant¬ wort verlegen sein, wenn an ihn die Frage gerichtet würde: wer war Carl von Clcinsewitz? In militärischen Kreisen dürfen wir eine solche Unkenntniß allerdings nicht voraussetzen, denn schwerlich wird es einen deutschen Offizier geben, dem Clausewitz, als militärischer Schriftsteller, speziell als Verfasser des wahrhaft klassischen Werkes „Vom Kriege", nicht bekannt wäre. Aber dar¬ über, was er sonst leistete, was er dem preußischen Heere, dem deutschen Volke war, davon, fürchten wir, weiß auch die jüngere Generation im Waffen¬ rock herzlich wenig. Und doch sind sie in dem Geiste jeues Mannes zum Kriege erzogen worden und seine Lehren haben ihnen die Wege des Sieges sicher mit bereiten helfen. Aber abgesehen von seinem Schriftstellerruhm dürfen wir nie vergessen, daß Clausewitz, ein Manu von glühendem Patriotismus, zur Zeit unserer tiefsten Dehmüthigung durch That, Wort und Schrift mit daran arbeitete, die korsischen Ketten zu brechen. War es ihm auch nicht ver¬ gönnt, wie Blücher, Stein, Scharnhorst, Gneisenau in hohen, entscheidenden Stellungen, im Centrum der Bewegung, direkt in die Räder der Weltgeschichte wie einzugreifen, so gehört er doch mit in den Kreis jener begabten, geistvollen Männer, die der Stagnation im ganzen preußischen Staats- und Heerwesen "och zu rechter Zeit entgegenwirkten und einen sittlichen Aufschwung herbei¬ führten. Allerdings kam Clausewitz, in Folge einer seltenen Bescheidenheit und Zurückhaltung, zu Lebzeiten weniger zur Geltung, und erst nach seinem Tode ^ er zum berühmten Manne geworden. Damit theilt er das Geschick so mancher anderen bedeutenden Geister, denen erst im Grabe die volle Anerken¬ nung zu Theil geworden ist. Wie sehr er ein öffentliches Hervortreten mit seiner Person scheute, davon giebt Zeugniß, daß er die unsterblichen Denkmäler seines Geistes, die seinen Ruhm begründeten, erst nach seinem Tode veröffeut- ' ^N».-.two> IV. 1^77. ^

Informationen zum Werk

Download dieses Werks

XML (TEI P5) · HTML · Text
TCF (text annotation layer)

Metadaten zum Werk

TEI-Header · CMDI · Dublin Core

Ansichten dieser Seite

Feedback

Sie haben einen Fehler gefunden? Dann können Sie diesen über unsere Qualitätssicherungsplattform DTAQ melden.

Kommentar zur DTA-Ausgabe

Dieses Werk wurde im Rahmen des Moduls DTA-Erweiterungen (DTAE) digitalisiert. Weitere Informationen …

Staats- und Universitätsbibliothek (SuUB) Bremen: Bereitstellung der Texttranskription.
Kay-Michael Würzner: Bearbeitung der digitalen Edition.

Weitere Informationen:

Verfahren der Texterfassung: OCR mit Nachkorrektur.

Bogensignaturen: gekennzeichnet;Druckfehler: ignoriert;fremdsprachliches Material: nicht gekennzeichnet;Geminations-/Abkürzungsstriche: wie Vorlage;Hervorhebungen (Antiqua, Sperrschrift, Kursive etc.): nicht ausgezeichnet;i/j in Fraktur: wie Vorlage;I/J in Fraktur: wie Vorlage;Kolumnentitel: gekennzeichnet;Kustoden: gekennzeichnet;langes s (ſ): als s transkribiert;Normalisierungen: stillschweigend;rundes r (&#xa75b;): als r/et transkribiert;Seitenumbrüche markiert: ja;Silbentrennung: wie Vorlage;u/v bzw. U/V: wie Vorlage;Vokale mit übergest. e: als ä/ö/ü transkribiert;Vollständigkeit: vollständig erfasst;Zeichensetzung: wie Vorlage;Zeilenumbrüche markiert: ja;

Nachkorrektur erfolgte automatisch.




Ansicht auf Standard zurückstellen

URL zu diesem Werk: https://www.deutschestextarchiv.de/grenzboten_341825_157645
URL zu dieser Seite: https://www.deutschestextarchiv.de/grenzboten_341825_157645/405
Zitationshilfe: Die Grenzboten. Jg. 36, 1877, II. Semester. II. Band, S. . In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/grenzboten_341825_157645/405>, abgerufen am 22.07.2024.