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Die Grenzboten. Jg. 36, 1877, II. Semester. II. Band.

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scheine, nachdem die Waffenmacht vor ihr geflohen sei. Sie sei ein Geständniß
der Unverbesserlichkeit des Klerus: sie sei.eine Aufforderung zum Vorgehen der
feindlichen Laien. "Der Menschen GeinüeHvr" so schrieb der Legat wörtlich,
"find mit Bösem schwanger und schon beginnen sie das Gift auszuspeien.
Raub und Mord an Geistlichen verübt, wird ihnen ein Gott gefälliges Opfer
erscheinen. Das Konzil hemmte sie noch; wird es aufgelöst, so werden sie
alle Zügel schießen lassen. Alle Schuld, aller Haß, alle Schmach werden auf
die Kurie fallen."

Der Papst erklärte trotz dieser Gegenvorstellung seines Legaten das Konzil
für aufgelöst. Die versammelten Geistlichen trotzten aber dem Befehle des
Papstes und blieben anch nach der Entfernung feines Legaten in Basel ver¬
sammelt, indem sie die Erklärung abgaben, ein allgemeines Konzil stehe höher
als der Papst und könne von ihm nicht aufgelöst werden. Gerade diese uner¬
wartete Selbstständigkeit verschaffte dem Konzil Ansetzn. Es ward mehr als
vorher besucht; auch die Husstten begannen, Vertrauen in das Konzil zu setzen;
auf wiederholte dringende Vorstellungen Friedrichs I. und im Vertrauen auf
die von diesem den Gesandten der Hussiten gcirantirte Sicherheit sandten endlich
die Hussiten zu Anfang des Jahres 1433 eine Gesandtschaft nach Basel zur
Verhandlung mit dem Konzil. Diese Gesandtschaft bestand aus vier Geistlichen,
worunter ein Engländer Namens Payne, der wahrscheinlich mit andern An¬
hängern Wiclefs nach Böhmen gekommen war; diese Geistlichen wurden geleitet
dnrch mehrere hundert Hussitische Reiter, deren Anführer Prokop der Große
und der Anführer der Utraquisten Ritter Kopka waren.

Als diese Gesandtschaft in Basel einzog, waren dort Tausende von Menschen
versammelt, um die Krieger zu sehen, deren Thaten seit mehr als zehn Jahren
ganz Europa mit Staunen erfüllt hatten. Prokop und Kopka ritten an der
Spitze dieser Gesandtschaft in Basel ein. Vorzüglich Prokop zog die Blicke
der Zuschauer auf sich, Wenige wohl unter den Zuschauern dieses Einzugs
mochten ahnen, daß die Zahl der Siege des tapferen Prokop damals bereits
gezählt war, daß er nur noch eine Schlacht liefern sollte, in der fein Heer den
Untergang und er selbst dnrch die Hand des Ritters Kopka, der an seiner
Seite in Basel einritt, den Tod finden sollte.

Ehe die Verhandlungen des Konzils mit den Hussiten begannen, war der
Kardinal Julian wieder Vorsitzender des Konzils geworden, da der Papst die
Auflösung des Konzils wegen des allgemeinen Widerspruchs, den solche fand,
wieder zurückgenommen. Der Kardinal Julian forderte nun die Hussitischw
Geistlichen, als sie in die Versammlung des Konzils eingetreten waren, auf,
sie möchten sich wieder der Kirche anschließen, die Kirche sehne sich darnach, sie
wieder als ihre Kinder aufzunehmen. Rokyczana, der angesehenste Geistliche


scheine, nachdem die Waffenmacht vor ihr geflohen sei. Sie sei ein Geständniß
der Unverbesserlichkeit des Klerus: sie sei.eine Aufforderung zum Vorgehen der
feindlichen Laien. „Der Menschen GeinüeHvr" so schrieb der Legat wörtlich,
„find mit Bösem schwanger und schon beginnen sie das Gift auszuspeien.
Raub und Mord an Geistlichen verübt, wird ihnen ein Gott gefälliges Opfer
erscheinen. Das Konzil hemmte sie noch; wird es aufgelöst, so werden sie
alle Zügel schießen lassen. Alle Schuld, aller Haß, alle Schmach werden auf
die Kurie fallen."

Der Papst erklärte trotz dieser Gegenvorstellung seines Legaten das Konzil
für aufgelöst. Die versammelten Geistlichen trotzten aber dem Befehle des
Papstes und blieben anch nach der Entfernung feines Legaten in Basel ver¬
sammelt, indem sie die Erklärung abgaben, ein allgemeines Konzil stehe höher
als der Papst und könne von ihm nicht aufgelöst werden. Gerade diese uner¬
wartete Selbstständigkeit verschaffte dem Konzil Ansetzn. Es ward mehr als
vorher besucht; auch die Husstten begannen, Vertrauen in das Konzil zu setzen;
auf wiederholte dringende Vorstellungen Friedrichs I. und im Vertrauen auf
die von diesem den Gesandten der Hussiten gcirantirte Sicherheit sandten endlich
die Hussiten zu Anfang des Jahres 1433 eine Gesandtschaft nach Basel zur
Verhandlung mit dem Konzil. Diese Gesandtschaft bestand aus vier Geistlichen,
worunter ein Engländer Namens Payne, der wahrscheinlich mit andern An¬
hängern Wiclefs nach Böhmen gekommen war; diese Geistlichen wurden geleitet
dnrch mehrere hundert Hussitische Reiter, deren Anführer Prokop der Große
und der Anführer der Utraquisten Ritter Kopka waren.

Als diese Gesandtschaft in Basel einzog, waren dort Tausende von Menschen
versammelt, um die Krieger zu sehen, deren Thaten seit mehr als zehn Jahren
ganz Europa mit Staunen erfüllt hatten. Prokop und Kopka ritten an der
Spitze dieser Gesandtschaft in Basel ein. Vorzüglich Prokop zog die Blicke
der Zuschauer auf sich, Wenige wohl unter den Zuschauern dieses Einzugs
mochten ahnen, daß die Zahl der Siege des tapferen Prokop damals bereits
gezählt war, daß er nur noch eine Schlacht liefern sollte, in der fein Heer den
Untergang und er selbst dnrch die Hand des Ritters Kopka, der an seiner
Seite in Basel einritt, den Tod finden sollte.

Ehe die Verhandlungen des Konzils mit den Hussiten begannen, war der
Kardinal Julian wieder Vorsitzender des Konzils geworden, da der Papst die
Auflösung des Konzils wegen des allgemeinen Widerspruchs, den solche fand,
wieder zurückgenommen. Der Kardinal Julian forderte nun die Hussitischw
Geistlichen, als sie in die Versammlung des Konzils eingetreten waren, auf,
sie möchten sich wieder der Kirche anschließen, die Kirche sehne sich darnach, sie
wieder als ihre Kinder aufzunehmen. Rokyczana, der angesehenste Geistliche


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[0382] scheine, nachdem die Waffenmacht vor ihr geflohen sei. Sie sei ein Geständniß der Unverbesserlichkeit des Klerus: sie sei.eine Aufforderung zum Vorgehen der feindlichen Laien. „Der Menschen GeinüeHvr" so schrieb der Legat wörtlich, „find mit Bösem schwanger und schon beginnen sie das Gift auszuspeien. Raub und Mord an Geistlichen verübt, wird ihnen ein Gott gefälliges Opfer erscheinen. Das Konzil hemmte sie noch; wird es aufgelöst, so werden sie alle Zügel schießen lassen. Alle Schuld, aller Haß, alle Schmach werden auf die Kurie fallen." Der Papst erklärte trotz dieser Gegenvorstellung seines Legaten das Konzil für aufgelöst. Die versammelten Geistlichen trotzten aber dem Befehle des Papstes und blieben anch nach der Entfernung feines Legaten in Basel ver¬ sammelt, indem sie die Erklärung abgaben, ein allgemeines Konzil stehe höher als der Papst und könne von ihm nicht aufgelöst werden. Gerade diese uner¬ wartete Selbstständigkeit verschaffte dem Konzil Ansetzn. Es ward mehr als vorher besucht; auch die Husstten begannen, Vertrauen in das Konzil zu setzen; auf wiederholte dringende Vorstellungen Friedrichs I. und im Vertrauen auf die von diesem den Gesandten der Hussiten gcirantirte Sicherheit sandten endlich die Hussiten zu Anfang des Jahres 1433 eine Gesandtschaft nach Basel zur Verhandlung mit dem Konzil. Diese Gesandtschaft bestand aus vier Geistlichen, worunter ein Engländer Namens Payne, der wahrscheinlich mit andern An¬ hängern Wiclefs nach Böhmen gekommen war; diese Geistlichen wurden geleitet dnrch mehrere hundert Hussitische Reiter, deren Anführer Prokop der Große und der Anführer der Utraquisten Ritter Kopka waren. Als diese Gesandtschaft in Basel einzog, waren dort Tausende von Menschen versammelt, um die Krieger zu sehen, deren Thaten seit mehr als zehn Jahren ganz Europa mit Staunen erfüllt hatten. Prokop und Kopka ritten an der Spitze dieser Gesandtschaft in Basel ein. Vorzüglich Prokop zog die Blicke der Zuschauer auf sich, Wenige wohl unter den Zuschauern dieses Einzugs mochten ahnen, daß die Zahl der Siege des tapferen Prokop damals bereits gezählt war, daß er nur noch eine Schlacht liefern sollte, in der fein Heer den Untergang und er selbst dnrch die Hand des Ritters Kopka, der an seiner Seite in Basel einritt, den Tod finden sollte. Ehe die Verhandlungen des Konzils mit den Hussiten begannen, war der Kardinal Julian wieder Vorsitzender des Konzils geworden, da der Papst die Auflösung des Konzils wegen des allgemeinen Widerspruchs, den solche fand, wieder zurückgenommen. Der Kardinal Julian forderte nun die Hussitischw Geistlichen, als sie in die Versammlung des Konzils eingetreten waren, auf, sie möchten sich wieder der Kirche anschließen, die Kirche sehne sich darnach, sie wieder als ihre Kinder aufzunehmen. Rokyczana, der angesehenste Geistliche

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Zitationshilfe: Die Grenzboten. Jg. 36, 1877, II. Semester. II. Band, S. . In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/grenzboten_341825_157645/382>, abgerufen am 26.08.2024.