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Die Grenzboten. Jg. 36, 1877, II. Semester. II. Band.

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Geldbuße von 1 Talent (etwa 4500 Mk.) ilutersagte. Ebenso gehörte es zur
demokratischen Gleichheit, die ja den Göttern gegenüber ganz besonders an
ihrer Stelle war, daß es für anständiger und frömmer galt, in gewöhnlichem
und sogar zerrissenen Anzüge zu gehen als in einem feinen und neuen; Jacchos
selber sollte diesen Gebrauch aufgebracht haben. Gepäck führte wer wollte auf
einem Esel mit, und es mag die heilige Straße an diesem Tage auf eine
unabsehbare Strecke mit Menschen und Thieren angefüllt gewesen sein.

Nach der Ankunft in Eleusts erfolgten um dort mehrere Tage lang, etwa
bis zum 27. des Monats, die weiteren und hauptsächlichsten Festlichkeiten.
Die Gebäude des eleusinischen Kultus waren uach ihrer Zerstörung durch die
Perser höchst glänzend unter Perikles erneuert worden, und bestanden unver¬
sehrt, ja im Laufe der Zeiten noch mehrfach erweitert und verschönert bis ins
zweite Jahrhundert n, Chr., wo ein böswillig angelegtes Feuer großen Schaden
anrichtete. Die völlige Zerstörung erfolgte gegen Ausgang des vierten Jahr¬
hunderts durch den Gothen Alarich, um dessen Heer sich fanatische Mönche
angeschlossen hatten. In neuerer Zeit siud die Ruinen dnrch die Gesellschaft
der Dilettant! in London zum Theil wieder aufgegraben, so daß man wenigstens
den Plan der Gebäude hat wiederherstellen können. Wenn man auf der
heiligen Straße von Athen herankam, so erblickte man dieselben malerisch und
prachtvoll, aber mehr in verwirrender Mannichfaltigkeit als in geschlossener
Einheit, auf einer Anhöhe, deren Hinterer Theil die Mauern und Thürme der
Akropolis von Eleusts trug; am Fuße des Hügels erstreckten sich Landhäuser
und Gärten, zur Linken hatte man in geringem Abstände das Meer. Stieg
man hinauf, so kam man zuerst auf eine gepflasterte Plattform, in deren
Mitte sich ein nicht großer Tempel der Artemis Propylaia erhob. Der Ein¬
tritt sodann in den weiteren, dnrch eine Mauer umfriedigten Tempelbezirk ge¬
schah durch prachtvolle Propyläen, die den Propyläen auf der athenischen Akro¬
polis ziemlich genau, wiewohl in minderer Vollkommenheit der Arbeit, nachge¬
bildet waren. Auf sechs Stufen stieg man empor; oben bildeten sechs ionische
Säulen die Front und ebensoviele standen auf der gegenüberliegenden Seite;
im Inneren schritt man zwischen je drei ionischen Säulen hindurch. Der
ziemlich erhaltene Fußboden besteht aus Platten von weißem pentelischen
Marmor, die beinah 6 Fuß ius Gevierte haben und mehr als 10 Zoll dick
sind; sie sind so kunstvoll zusammengesetzt, daß man an manchen Stellen die
Fugen nicht wahrnehmen kann. Auch die übrigen Theile des Gebäudes waren
aus demselben Material, einschließlich der Felderdecke und der Dachziegel.
Weiter gelaugte man durch ein zweites Thor in deu inneren Tempelbezirk,
welchen wieder eine Makler einschloß; diese Mauer bildete vier Seiten eines
unregelmäßigen Fünfecks, indem all der fünften Seite, wo auch das Thor sich


Geldbuße von 1 Talent (etwa 4500 Mk.) ilutersagte. Ebenso gehörte es zur
demokratischen Gleichheit, die ja den Göttern gegenüber ganz besonders an
ihrer Stelle war, daß es für anständiger und frömmer galt, in gewöhnlichem
und sogar zerrissenen Anzüge zu gehen als in einem feinen und neuen; Jacchos
selber sollte diesen Gebrauch aufgebracht haben. Gepäck führte wer wollte auf
einem Esel mit, und es mag die heilige Straße an diesem Tage auf eine
unabsehbare Strecke mit Menschen und Thieren angefüllt gewesen sein.

Nach der Ankunft in Eleusts erfolgten um dort mehrere Tage lang, etwa
bis zum 27. des Monats, die weiteren und hauptsächlichsten Festlichkeiten.
Die Gebäude des eleusinischen Kultus waren uach ihrer Zerstörung durch die
Perser höchst glänzend unter Perikles erneuert worden, und bestanden unver¬
sehrt, ja im Laufe der Zeiten noch mehrfach erweitert und verschönert bis ins
zweite Jahrhundert n, Chr., wo ein böswillig angelegtes Feuer großen Schaden
anrichtete. Die völlige Zerstörung erfolgte gegen Ausgang des vierten Jahr¬
hunderts durch den Gothen Alarich, um dessen Heer sich fanatische Mönche
angeschlossen hatten. In neuerer Zeit siud die Ruinen dnrch die Gesellschaft
der Dilettant! in London zum Theil wieder aufgegraben, so daß man wenigstens
den Plan der Gebäude hat wiederherstellen können. Wenn man auf der
heiligen Straße von Athen herankam, so erblickte man dieselben malerisch und
prachtvoll, aber mehr in verwirrender Mannichfaltigkeit als in geschlossener
Einheit, auf einer Anhöhe, deren Hinterer Theil die Mauern und Thürme der
Akropolis von Eleusts trug; am Fuße des Hügels erstreckten sich Landhäuser
und Gärten, zur Linken hatte man in geringem Abstände das Meer. Stieg
man hinauf, so kam man zuerst auf eine gepflasterte Plattform, in deren
Mitte sich ein nicht großer Tempel der Artemis Propylaia erhob. Der Ein¬
tritt sodann in den weiteren, dnrch eine Mauer umfriedigten Tempelbezirk ge¬
schah durch prachtvolle Propyläen, die den Propyläen auf der athenischen Akro¬
polis ziemlich genau, wiewohl in minderer Vollkommenheit der Arbeit, nachge¬
bildet waren. Auf sechs Stufen stieg man empor; oben bildeten sechs ionische
Säulen die Front und ebensoviele standen auf der gegenüberliegenden Seite;
im Inneren schritt man zwischen je drei ionischen Säulen hindurch. Der
ziemlich erhaltene Fußboden besteht aus Platten von weißem pentelischen
Marmor, die beinah 6 Fuß ius Gevierte haben und mehr als 10 Zoll dick
sind; sie sind so kunstvoll zusammengesetzt, daß man an manchen Stellen die
Fugen nicht wahrnehmen kann. Auch die übrigen Theile des Gebäudes waren
aus demselben Material, einschließlich der Felderdecke und der Dachziegel.
Weiter gelaugte man durch ein zweites Thor in deu inneren Tempelbezirk,
welchen wieder eine Makler einschloß; diese Mauer bildete vier Seiten eines
unregelmäßigen Fünfecks, indem all der fünften Seite, wo auch das Thor sich


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[0372] Geldbuße von 1 Talent (etwa 4500 Mk.) ilutersagte. Ebenso gehörte es zur demokratischen Gleichheit, die ja den Göttern gegenüber ganz besonders an ihrer Stelle war, daß es für anständiger und frömmer galt, in gewöhnlichem und sogar zerrissenen Anzüge zu gehen als in einem feinen und neuen; Jacchos selber sollte diesen Gebrauch aufgebracht haben. Gepäck führte wer wollte auf einem Esel mit, und es mag die heilige Straße an diesem Tage auf eine unabsehbare Strecke mit Menschen und Thieren angefüllt gewesen sein. Nach der Ankunft in Eleusts erfolgten um dort mehrere Tage lang, etwa bis zum 27. des Monats, die weiteren und hauptsächlichsten Festlichkeiten. Die Gebäude des eleusinischen Kultus waren uach ihrer Zerstörung durch die Perser höchst glänzend unter Perikles erneuert worden, und bestanden unver¬ sehrt, ja im Laufe der Zeiten noch mehrfach erweitert und verschönert bis ins zweite Jahrhundert n, Chr., wo ein böswillig angelegtes Feuer großen Schaden anrichtete. Die völlige Zerstörung erfolgte gegen Ausgang des vierten Jahr¬ hunderts durch den Gothen Alarich, um dessen Heer sich fanatische Mönche angeschlossen hatten. In neuerer Zeit siud die Ruinen dnrch die Gesellschaft der Dilettant! in London zum Theil wieder aufgegraben, so daß man wenigstens den Plan der Gebäude hat wiederherstellen können. Wenn man auf der heiligen Straße von Athen herankam, so erblickte man dieselben malerisch und prachtvoll, aber mehr in verwirrender Mannichfaltigkeit als in geschlossener Einheit, auf einer Anhöhe, deren Hinterer Theil die Mauern und Thürme der Akropolis von Eleusts trug; am Fuße des Hügels erstreckten sich Landhäuser und Gärten, zur Linken hatte man in geringem Abstände das Meer. Stieg man hinauf, so kam man zuerst auf eine gepflasterte Plattform, in deren Mitte sich ein nicht großer Tempel der Artemis Propylaia erhob. Der Ein¬ tritt sodann in den weiteren, dnrch eine Mauer umfriedigten Tempelbezirk ge¬ schah durch prachtvolle Propyläen, die den Propyläen auf der athenischen Akro¬ polis ziemlich genau, wiewohl in minderer Vollkommenheit der Arbeit, nachge¬ bildet waren. Auf sechs Stufen stieg man empor; oben bildeten sechs ionische Säulen die Front und ebensoviele standen auf der gegenüberliegenden Seite; im Inneren schritt man zwischen je drei ionischen Säulen hindurch. Der ziemlich erhaltene Fußboden besteht aus Platten von weißem pentelischen Marmor, die beinah 6 Fuß ius Gevierte haben und mehr als 10 Zoll dick sind; sie sind so kunstvoll zusammengesetzt, daß man an manchen Stellen die Fugen nicht wahrnehmen kann. Auch die übrigen Theile des Gebäudes waren aus demselben Material, einschließlich der Felderdecke und der Dachziegel. Weiter gelaugte man durch ein zweites Thor in deu inneren Tempelbezirk, welchen wieder eine Makler einschloß; diese Mauer bildete vier Seiten eines unregelmäßigen Fünfecks, indem all der fünften Seite, wo auch das Thor sich

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Zitationshilfe: Die Grenzboten. Jg. 36, 1877, II. Semester. II. Band, S. . In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/grenzboten_341825_157645/372>, abgerufen am 25.08.2024.